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Europäische Geldpolitik Hochverschuldete Euro-Länder sind der Grund, warum die EZB locker bleiben muss

Von Lesedauer: 4 Minuten
EZB-Chefin Christine Lagarde (hinten r.) bei einer Feierstunde zum 175-jährigen Jubiläum der Banco de Portugal
EZB-Chefin Christine Lagarde (hinten r.) bei einer Feierstunde zum 175-jährigen Jubiläum der Banco de Portugal: Es fragt sich, ob die EZB in der Lage und willens ist, die hohen Erwartungen der Anleger zu erfüllen. | Foto: Imago Images / GlobalImagens

Die vollständigen Einzelheiten eines aktualisierten Programms zum Ankauf von Vermögenswerten wird die EZB voraussichtlich auf der Dezember-Sitzung bekannt gegeben. In der Zwischenzeit lassen sich aus den Reden der EZB-Direktoriumsmitglieder Hinweise auf das künftige Ankaufprogramm ablesen. Die Finanzmärkte scheinen von den Zentralbanken weiterhin Großzügigkeit zu erwarten, denn die nominalen 10-Jahres-Zinsen bewegen sich in etwa auf dem gleichen Niveau wie vor sechs Monaten und die realen Renditen sind wieder auf einem historischen Tiefstand. Doch sind solche Erwartungen gerechtfertigt?

Monetäre Stimulierung war sinnvoll

Zunächst einmal sollten wir uns vor Augen halten, dass die QE-Programme zur Bekämpfung der Gefahr einer unterdurchschnittlichen Inflation gedacht waren. Zur Erinnerung: In den zehn Jahren nach der Finanzkrise scheinen die Inflationszahlen in den westlichen Ländern trotz der anhaltenden wirtschaftlichen Erholung unter den von den Zentralbanken gesetzten Zielen zu bleiben. Nach den Notprogrammen im Jahr 2008 hat die US-Notenbank Fed ihr Kaufprogramm mehrmals wieder aufgenommen. Die EZB schrumpfte ihre Bilanz zwischen 2013 und 2014 – aber seither haben wir, zunächst unter der Führung von Mario Draghi, ein massives Geldmengenwachstum erlebt.

In einer Welt mit niedriger Inflation kann man sich vorstellen, dass die Zentralbanker ihre Bilanz nutzen wollen, um ihre Volkswirtschaften geldpolitisch zu stimulieren. Diese Programme wurden noch wichtiger, als die Covid-19-Krise die Weltwirtschaft unter Beschuss nahm. Die Zentralbanker hatten keine andere Wahl, als immense Geldmengen in die Finanzmärkte und die Wirtschaft zu pumpen, um den durch die Krise verursachten wirtschaftlichen Stress zu lindern. Infolgedessen haben sich die Bilanzen sowohl der Fed als auch der EZB in den vergangenen zwei Jahren fast verdoppelt.

Die Welt ist aber jetzt eine andere

Mit dem anhaltenden Wirtschaftsaufschwung und dem steigenden Preisdruck sehen sich die Zentralbanken jedoch mit ganz anderen Bedingungen konfrontiert als im vergangenen Jahrzehnt. Die steigende Nachfrage nach Gütern, sowohl während als auch nach der Pandemie, hat in Verbindung mit sich verschärfenden Versorgungsengpässen zu einem starken Anziehen der Inflation geführt.

Auch wenn ein Teil dieses Preisdrucks mit der Zeit nachlassen wird, werden die steigenden Inflationszahlen die Zentralbanken zwingen zu erklären, warum sie weiterhin Anleihen kaufen und ihre Bilanzen ausweiten. Die EZB wird für solche Kommentare besonders anfällig sein, da der Ankauf von Staatsanleihen im EU-Vertrag eigentlich nicht vorgesehen ist. Der EU-Gerichtshof vertrat zwar die Auffassung, dass die früheren Ankaufsprogramme der EZB mit dem Mandat der EZB, die Preisstabilität zu gewährleisten, in Einklang stehen. Wir sollten aber nicht vergessen, dass in diesen Urteilen auch erwähnt wurde, dass solche Programme gültige Instrumente sind, um dem Risiko einer Deflation entgegenzuwirken, was uns zu der möglichen Gestaltung des zukünftigen Kaufprogramms der EZB bringt.

Ist ein zu großes Vertrauen in die EZB gerechtfertigt?

Nach der Lektüre der jüngsten Marktanalysen zu der für Dezember erwarteten Ankündigung der EZB ist klar: Der Markt geht davon aus, dass die EZB weiterhin einen erheblichen Teil neuer europäischer Staatsanleihen aufkaufen wird – wenn nicht sogar das gesamte Angebot.

Darüber hinaus geht der Markt davon aus, dass die EZB bei der Zusammensetzung dieser Käufe genügend Flexibilität zulassen wird, um Italien und andere hochverschuldete Länder vor einem erheblichen Anstieg der Renditen zu schützen.

Grundsätzlich wird von den Marktteilnehmern erwartet, dass das künftige Programm zum Ankauf von Vermögenswerten ebenso wie das derzeitige PEPP darauf abzielt, sowohl die Renditen von Staatsanleihen als auch die Spreads auf einem historisch niedrigen Niveau zu halten. Unseres Erachtens haben solche Überlegungen nichts damit zu tun, die Inflation in die Nähe des EZB-Ziels zu bringen, sondern es geht ausschließlich um die monetäre Finanzierung von Staatsdefiziten, was nach dem EU-Vertrag eindeutig nicht zulässig ist.

Die meisten Mitglieder des EZB-Direktoriums folgen in ihren Reden immer noch der Linie der „fortgesetzten monetären Unterstützung der Wirtschaft“, was eine ausreichend vage Aussage ist, um den EU-Vertragstest zu erfüllen. Einige Äußerungen deuten jedoch auf das Argument hin, dass die EZB weiterhin das gesamte Angebot an Staatsanleihen aufkaufen sollte. Und einige Mitglieder des Direktoriums wollen die Flexibilität behalten, beim Ankauf von Anleihen vom Kapitalschlüssel abzuweichen, der mit dem aktuellen PEPP-Programm eingeführt wurde.

Die Aussagen sind besorgniserregende Signale im Hinblick auf die unvermeidliche Anfechtung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). So wie Vermögensverwalter den Nachweis erbringen müssen, dass sie ESG-Faktoren in ihre Anlagestrategien integrieren, sollte die EZB in der Lage sein, den Nachweis zu erbringen, dass künftige Ankaufsprogramme darauf abzielen, ein Inflationsziel zu erreichen, und nicht nur, um hoch verschuldete EU-Staaten über Wasser zu halten.

Die Erwartungen der Finanzmärkte an die Ankündigung eines umfangreichen und flexiblen Ankaufprogramms im Dezember steigen. Wir fragen uns, ob die EZB in der Lage und willens sein wird, diese hohen Erwartungen zu erfüllen.

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