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Interview mit Adrian Hull „Höhere Energiepreise stellen alte Gewohnheiten ab“

Adrian Hull, Fixed-Income-Chef
Adrian Hull, Fixed-Income-Chef: „Wir erwarten eine Verlangsamung des Zinsanstiegs, die US-Notenbank wird ihren Zinserhöhungszyklus nun weniger aggressiv angehen können.“ | Foto: Aegon AM

Herr Hull, wie hoch ist der wirtschaftliche Anteil Russlands am Welthandel?

Adrian Hull: Insgesamt ist der Beitrag Russlands global gesehen nur sehr gering. Ungefähr die Hälfte seines Außenhandelsumsatzes erwirtschaftet Russland allein mit den EU-Mitgliedsstaaten. Haupthandelspartner ist jedoch China, hier wird ein neues historisches Hoch erwartet. Bei Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle sowie Halbfertigprodukten wie Roheisen und Stahl ist das Land weltweit allerdings von überragender Bedeutung. Hinzu kommen gewaltige Exporte von Getreide, Holz, Düngemittel und Kupfer. Die Sanktionen führen dazu, dass die Rohstoffpreise durch die Decke gehen.

Welche Auswirkungen wird der Ukraine-Krieg auf die Märkte haben?

Hull: Ich habe jüngst mit einem niederländischen Kollegen von Aegon Asset Management gesprochen. Er sitzt mit Kollegen in einem luftigen Büroraum mit 23 Bildschirmen und die Heizung ist auf 22 Grad Celsius eingestellt. Das niederländische Team kalkuliert: Wenn das ganze Land mit seinen 18 Millionen Einwohnern die Raumtemperatur auf 20 Grad senken würde, ließen sich die niederländischen Gasimporte aus Russland kompensieren. Wir werden automatisch dahin kommen, weil die Preise für Energierohstoffe drastisch steigen: Höhere Energiepreise stellen alte Gewohnheiten ab. Ob bei Gas oder Düngemitteln – es wird sich eine hohe Inflation zeigen. Mit Blick auf die Rohstoffe muss sich die Welt daher Strategien überlegen, wie die hohe Nachfrage bei geringerem Angebot kostenschonend bedient werden kann. Denkbar ist, dass ein gewisser Teil der Energierechnung von Unternehmen und Verbrauchern zukünftig vom Staat subventioniert wird. Entsprechende Maßnahmen verschärfen allerdings die bereits angespannte Haushaltslage vieler Länder, die weiterhin unter der Corona-Krise leiden. Alles in allem dürften sich die Energieengpässe jedoch handhaben lassen: Durch Einsparungen und alternative Bezugswege.

Zur bereits historisch hohen Inflation kommt nun der Energiepreisschock hinzu. Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die US-Notenbank verhalten?

Hull: Wir erwarten eine Verlangsamung des Zinsanstiegs. Die US-Notenbank wird den Zinserhöhungszyklus nun weniger aggressiv angehen können. Hohe Energiepreise schlagen den Verbrauchern ebenso wie höhere Steuern auf das Portemonnaie und das Gemüt. Die Konsumenten werden sich gezwungen sehen, ihr Verhalten zu ändern – aber auch die Notenbanken werden diese Notlage, die zunächst die Energiepreise und infolgedessen die Erzeugerpreise und Verbraucherpreise treibt, in ihrer Zinspolitik berücksichtigen müssen.

Wie sollten Anleger jetzt auf die Marktlage reagieren? Sollten sie mit Investitionen lieber abwarten? Oder beherzt zukaufen?

Hull: Am Fixed-Income-Markt sind die Asset-Preise derzeit angemessen. Sollte der Ukraine-Konflikt über kurz oder lang beigelegt werden können, dürfte sich an den Anleihemärkten, unter anderem bei Hochzinsanleihen, eine Erleichterungs-Rally einstellen. Mit unseren Kunden sprechen wir jetzt über flexible Strategien und Investmentansätze mit kurzer Duration, um sicher und mit der nötigen raschen Reaktionsfähigkeit durch die neue Marktphase zu navigieren. Es wird ein sehr herausforderndes Jahr, soviel ist schon abzusehen.

Welche Vermögenswerte könnten am meisten profitieren?

Hull: Die genaue Berücksichtigung der Duration ist jetzt ganz besonders wichtig. In unserem Aegon High Yield Global Bond Fund erschließen wir Wertpotenzial auf den globalen Hochzinsmärkten. Wir setzen hier derzeit entschieden auf Anleihen mit kurzer Duration. Per Ende Januar 2022 waren 19,3 Prozent aller Anleihen mit einer Fälligkeit von unter einem Jahr ausgestattet. Weitere 25,9 Prozent wiesen eine Fälligkeit innerhalb eines Zeitraumes von einem bis drei Jahren auf. Hochzinsanleihen bieten weiterhin Chancen. Auf kurze Sicht fühlen wir uns mit Single-B-Anleihen wohl, also Anleihen, die sehr spekulativ sind, von einer Beruhigung der Lage jedoch umgehend profitieren. Und natürlich werden jetzt inflationsgeschützte Papiere noch interessanter.

Wie fällt Ihre Erwartung im Hinblick auf den Fed-Zinsschritt im März aus?

Hull: Wir rechnen mit einer Zinserhöhung um 25 Basispunkte. Das Goldilocks-Szenario endet, wir sehen im laufenden Jahr sinkende Kurse an den Anleihe- und Aktienmärkten. Hintergrund sind die nachlassende wirtschaftliche Dynamik und steigende Realzinsen. Absehbar ist: Die Anleihe- und Aktienmärkte werden aufgrund der Ereignisse in der Ukraine unweigerlich weiter unter Druck geraten – rund um die Welt.

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