Gösta Jamin, Christoph D. Wahlen

Geld-Psychologie Home Bias: Heimische Aktien sind beliebt – aber oft nicht die beste Idee

Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin (v.l.) zwischen Weltkugel und Deutschlandfahne
Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin (v.l.) zwischen Weltkugel und Deutschlandfahne: „Anleger sollten ihren Blick über Sektor-, Heimat- beziehungsweise Landesgrenzen richten, um ihr Risiko zu minimieren und keine Rendite-Chancen zu verpassen.“
© Christin Jahns mit Canva

Viele von uns investieren einen überproportional großen Teil ihres Vermögens in vertraute Unternehmen und Märkte und verzichten damit auf internationale Diversifikation.

Ist dieser sogenannte Home Bias (sperrig auf Deutsch: Heimatmarktneigung) überhaupt ein Problem? Gibt es nicht auch zusätzlich Risiken zum Beispiel aus Währungsschwankungen als Folge international gestreuter Anlagen?

Klumpenrisiken vermeiden

Am 22. Juni 2023 ist Harry Markowitz, der Ökonomie-Nobelpreisträger des Jahres 1990, im Alter von 95 Jahren verstorben. Auf ihn geht die Moderne Portfoliotheorie zurück. Dieser schon in den 1950er Jahren entwickelten Theorie entstammt ein einfacher Gedanke. Nämlich die Diversifikation von Geldanlagen: „Lege niemals alle Eier in dasselbe Nest!“

Markowitz hat mathematisch gezeigt, dass es für einen Anleger vorteilhaft ist, seine Anlagen auf möglichst viele verschiedene Assets zu verteilen. Verluste bei einzelnen Anlagen werden durch Gewinne bei anderen Anlagen ausgeglichen, sodass das Risiko eines stark diversifizierten Portfolios, bei gleichem Renditepotential, geringer ist als das eines wenig diversifizierten. Damit werden Klumpenrisiken vermieden. 

 

Ein ganz einfacher und logischer Gedanke, der jedem auch ohne mathematischen Beweis unmittelbar einleuchtet.

Home Bias: Überproportional viel Geld im Heimatmarkt

Umso weniger verständlich ist es, dass die meisten Depots von Anlegern einen sogenannten Home Bias aufweisen. Dieser liegt vor, wenn ein überproportional großer Anteil des angelegten Geldes im Heimatmarkt und nicht international breit gestreut angelegt wird. Zur Orientierung: Der deutsche Aktienmarkt hat einen Anteil von circa 1,5 Prozent der Marktkapitalisierung des globalen Aktienmarkts. Ein perfekt diversifizierter Anleger dürfte also nur diesen Anteil seines Portfolios in deutsche Aktien investieren.

Wenn Deutsche mehr als 1,5 Prozent in deutsche Aktien investieren, unterliegen sie der Tendenz zum Home Bias. Dies gilt sowohl für Anleger, die in Einzeltitel investieren, als auch für solche, die in breit gestreute ETFs anlegen.

Klumpenrisiko deutsche Wirtschaft

Das Problem: Unser persönliches wirtschaftliches Wohlergehen ist sehr stark abhängig von der allgemeinen ökonomischen Entwicklung in Deutschland. Das gilt für unser Arbeitseinkommen, das abgezinst meistens unser größtes einzelnes Asset darstellt. Wenn es der deutschen Wirtschaft gut geht, haben wir gute Chancen ein ordentliches Einkommen zu erwirtschaften. Wenn es ihr schlecht geht, haben wir schlechtere Verdienstmöglichkeiten.

Falls wir eine Immobilie besitzen, gelten dafür die gleichen Überlegungen. Wenn es der deutschen Wirtschaft gut geht, steigt ihr Wert, wenn es ihr weniger gut geht, fällt er.

 

Das Risiko unseres Arbeitsplatzes können wir mangels Teilbarkeit überhaupt nicht diversifizieren. Das Gleiche gilt auch für unsere Immobilie. Insofern haben wir ganz automatisch in unserem Portfolio ein mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland korreliertes Klumpenrisiko. Wenn wir dann auch noch unsere Geldanlagen in Deutschland tätigen, verzichten wir komplett auf die Chancen der internationalen Diversifikation.

Welche Nachteile das bringen kann, zeigt die aktuelle Entwicklung im Jahr 2023. Während die Konjunkturforscher für die deutsche Wirtschaft eine reale Schrumpfung vorhersagen – mit allen Wirkungen, die das auf unsere Einkommen hat – prognostizieren sie für andere Wirtschaftsräume ein robustes Wachstum.

Home Bias: Steinzeitgehirn als Ursache

Warum unterliegen wir Menschen überhaupt diesem Home Bias?

Unser steinzeitliches Gehirn spielt uns auch hier einen Streich. Wir finden das gut, was wir kennen. Im steinzeitlichen Leben in der Savanne war es für das eigene Überleben absolut notwendig, bei der eigenen Herde, also den vertrauten Mitmenschen zu bleiben und kein unnötiges Risiko einzugehen.

Nun leben wir aber nicht mehr in der Savanne und können uns per Knopfdruck Informationen über die ganze Welt holen. Dennoch meinen wir, einheimische Unternehmen besonders gut zu kennen, selbst wenn wir gar nicht bei diesen Firmen arbeiten. Sondern einfach, weil wir Leute kennen, die dort arbeiten oder weil wir ihre Produkte nutzen. Kontakt schafft Sympathie, aus diesem Grund halten wir diese Unternehmen auch für eine gute Kapitalanlage.

 

Aus dieser Überlegung könnte ein schwäbischer Autofahrer, der gerne schwäbische Autos fährt (wie einer der Autoren dieses Beitrags), die Mercedes-Benz AG für ein besonders gutes Unternehmen halten und deren Aktien kaufen. Ein ähnlich gelagertes Beispiel ist die im Juli 2023 in die Insolvenz geratene Social Chain AG. Da wichtige handelnde Personen über die Sendung „Die Höhle der Löwen“ medial bekannt waren, sank die Hemmschwelle für Investoren, Aktien dieses Unternehmens zu kaufen.

Insiderwissen ist ein Irrtum

In Wahrheit verfügen wir als Außenstehende allerdings über keinerlei Insiderwissen über diese Unternehmen, weder über Marktentwicklungen noch über dessen Profitabilität. Selbst wenn wir dort arbeiten würden und über echtes Insiderwissen verfügten, dürften wir es überhaupt nicht nutzen (zumindest, wenn wir uns an die Compliance-Regeln halten, welche den Insiderhandel verbieten).

Neben der Reduzierung des Risikos hat es auch noch einen weiteren Vorteil über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und den Home Bias zu reduzieren: Renditepotential!

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Während der Dax überwiegend Unternehmen enthält, die es auch vor 100 Jahren bereits gab (SAP ist eine Ausnahme, die diese Regel bestätigt), enthalten internationale beziehungsweise vor allem US-Aktienindizes auch neue, schnell wachsende Unternehmen aus der Technologiebranche, die in den vergangenen Jahren die Kurszuwächse zum Beispiel beim S&P 500 getrieben haben.

Diversifikation als Hebel für Anlageerfolg

Wichtig ist es, sich diesen Bias bewusst zu machen und Unternehmen und Märkte nicht nur deshalb für gut zu befinden, weil man sie (vermeintlich) kennt. Konsequente internationale Diversifikation ist ein wichtiger Hebel für den langfristigen und nachhaltigen Anlageerfolg. Anleger sollten ihren Blick über Sektor-, Heimat- beziehungsweise Landesgrenzen richten, um ihr Risiko zu minimieren und keine Rendite-Chancen zu verpassen.

Über die Autoren 

Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin sind Gründer der Finanzakademie – by Pro Coaching. In den vergangenen Jahrzehnten haben die beiden an der Börse selbst schmerzliche Erfahrungen mit Fehlern gemacht, die eigentlich vermeidbar gewesen wären.

In der Serie „Geld-Psychologie" schreiben sie über Fallen, die unser Gehirn uns stellt, um dir dabei zu helfen, sie aufzudecken und zu vermeiden. Mehr Infos und Weiterbildungsangebote findest du auf Finanzakademie – by PRO Coaching. 

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