Entweder ihr kommt zurück ins Büro, oder ihr könnt gehen – mit dieser unmissverständlichen Botschaft sorgte J.P.-Morgan-Chef Jamie Dimon vor einiger Zeit weltweit für Schlagzeilen. Proteste gegen die Rückkehr ins Büro wurden rigoros abgeschmettert. Während die internationalen Bankriesen die Zügel für Heimarbeiter wieder straffer ziehen, zeigt sich in Deutschland ein überraschend differenziertes Bild. Das zeigt eine exklusive Umfrage von DAS INVESTMENT unter deutschen Sparkassen, Asset Managern und Fondsboutiquen beziehungsweise unabhängigen Vermögensverwaltern. Die Bandbreite der Regelungen reicht von nahezu voller Präsenzpflicht bis hin zu fast unbegrenzter Flexibilität.
Allerdings ist auch hier das Thema nicht ohne Kontroversen: 45 Unternehmen hat die Redaktion angefragt – aber nur 18 gaben bereitwillig Auskunft. Schmallippig zeigten sich: Acatis, Allianz Global Investors, Ampega, Amundi, Aramea AM, Blackrock, DJE, Feri, Fidelity Investments, Finvia Capital, Flossbach von Storch, Franklin Templeton, Goldman Sachs, Grüner Fisher Investments, Hartz Regehr, Honestas Finanzmanagement, HRK Lunis, Invesco, J.P. Morgan Asset Management, LBBW, Meag, Metzler Asset Management, Mittelbrandenburgische Sparkasse, Prime Capital, Stadtsparkasse Düsseldorf, UBS, Vanguard.
Sechs Tage bis völlige Freiheit
Die Umfrage unter den verschiedenen Arbeitgebern zeigt eine bemerkenswerte Bandbreite an Regelungen zum mobilen Arbeiten.
Die Umfrage zeigt auch: Nicht nur in vielen Portfolios gibt es die 60/40-Regel, sondern auch in den Homeoffice-Klauseln. Die Stadtsparkasse München gestattet maximal 40 Prozent Homeoffice. Die Sparkasse Pforzheim Calw, die Sparkasse Köln-Bonn und die Ostsächsische Sparkasse verlangen ebenso eine Präsenz von 60 Prozent. Auch bei Deka und DWS gilt: 60 Prozent Büropräsenz, 40 Prozent mobiles Arbeiten.
Die Hamburger Sparkasse (Haspa) und die Frankfurter Sparkasse erlauben bis zu 50 Prozent mobile Arbeit. Auch die Helaba Invest erlaubt ihren 415 Mitarbeitern, die Hälfte ihrer Arbeitszeit mobil zu arbeiten. Lupus Alpha ermöglicht es den Mitarbeitern, bis zu 46 Tage pro Kalenderjahr flexibel remote zu arbeiten, wobei pro Woche zwei Tage möglich sind. Universal Investment verlangt von seinen rund 800 Mitarbeitern lediglich eine Mindestanwesenheit von 25 Prozent pro Quartal. Die Sparkasse Hannover fordert nur 40 Prozent Präsenz, was etwa 150 mögliche Homeoffice-Tage pro Jahr bedeutet.
Union Investment gewährt 50 mobile Arbeitstage pro Halbjahr, was theoretisch bis zu 100 Tage in sechs Monaten ermöglicht. Die Kreissparkasse Köln macht bewusst keine starren Vorgaben und überlässt die Organisation den Teams und deren Führungskräften. Der Neobroker Scalable Capital und das Multi Family Office HQ Trust verzichten auf feste Regelungen zur Büropräsenz und bieten maximale Flexibilität.
Eine Gemeinsamkeit haben jedoch viele der Befragten: Die konkreten Regelungen orientieren sich stark an den jeweiligen Tätigkeiten. „Es liegt in der Natur der Aufgaben, dass der Anteil des mobilen Arbeitens in den Betriebsbereichen höher ist als in den Vertriebseinheiten“, erklärt zum Beispiel die Kreissparkasse Köln. Bei Lupus Alpha sind etwa der Trading-Desk und der Empfang von der Homeoffice-Regelung ausgenommen, da hier eine kontinuierliche Präsenz vor Ort erforderlich ist.
Der neue Trend „Workation“
Ebenfalls unterschiedlich positionieren sich die Institute bei der Möglichkeit, zeitweise aus dem Ausland zu arbeiten. Die Deka ermöglicht 20 Tage in EU- und EFTA-Staaten, bei der DWS sind es 18 Tage in 26 EU-Ländern. Universal Investment und HQ Trust ermöglichen Workation nach Absprache. Scalable reizt das Modell mit 60 möglichen Tagen pro Jahr am stärksten aus.
Andere lehnen Workation dagegen ab, etwa Berenberg, 7 Orca und Lupus Alpha, ebenso die Sparkasse Pforzheim Calw und die Sparkasse Hannover. Generell sind die meisten Sparkassen beim Thema Workation noch zurückhaltend.
Die Homeoffice-Regelungen der Vermögensverwalter im Überblick
Vermögensverwalter |
Mindestpräsenz |
Max. Homeoffice-Tage |
Workation möglich |
7 Orca |
4 Tage/Woche |
1 Tag pro Woche (+ 12 Tage/Jahr für Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung) |
Nein |
HQ Trust |
keine |
keine formelle Regelung |
Ja (individuell abgestimmt) |
Lupus Alpha |
3 Tage/Woche |
46 Tage/Jahr (max. 2 Tage/Woche) |
Nein |
Scalable |
keine |
keine feste Regelung, volle Flexibilität |
Ja (60 Tage/Jahr) |
Büroflächen im Wandel
Trotz des Trends zum mobilen Arbeiten haben die meisten Befragten ihre Büroflächen nicht oder nur moderat reduziert. „Jedem Mitarbeitenden steht ein Arbeitsplatz vor Ort zur Verfügung“, berichtet etwa die Sparkasse Pforzheim Calw. Lupus Alpha hat die Büroflächen nicht verringert, sondern diese „noch attraktiver gestaltet“ mit einer „morgendlichen Frühstücksbar, wöchentlichen Get-Together-Lunches, Rückzugsorten zum ungestörten Arbeiten und einem großen Fitness-Raum“. 7 Orca gibt sogar an, die Büroflächen erweitert zu haben – ein deutliches Statement für die Präsenzkultur.
Union Investment und Universal Investment berichten von Flächenoptimierungen. Die Sparkasse Hannover hat auf Desksharing umgestellt: „Wir halten für 80 Prozent der Mitarbeitenden je Abteilung auf der Abteilungsfläche Arbeitsplätze vor. Darüber hinaus gibt es Ausweichplätze.“
Scalable hat das Konzept fester Sitzplätze aufgegeben zugunsten eines Reservierungssystems.
Chef & Team: neue Anforderungen
Die hybride Arbeitswelt stellt neue Anforderungen an Führungskräfte und die Kommunikation in den Teams: „Es ist herausfordernder als bisher, Bindung herzustellen“, berichtet die Sparkasse Hannover von ihren Erfahrungen mit hybriden Teams. Die Anforderungen an Führung haben sich grundlegend geändert: „Es erfordert spezielle Fähigkeiten und Techniken, um ein hybrides Team gut zusammenzuhalten und auch rechtzeitig mitzubekommen, wenn es mal irgendwo klemmt.“
Der Headhunter Heinz Schannath bringt die Herausforderung auf den Punkt: „Die Führungsaufgabe hat sich durch das Thema Homeoffice fundamental gewandelt. Die Mitarbeiter sitzen nicht mehr im Büro nebenan, mit denen man sich mal eben austauschen kann. Viele Führungskräfte waren damit in der Anfangsphase komplett überfordert, weil das Führen dezentraler Mitarbeiter selten zum Aufgabengebiet gehörte.“
Die DWS berichtet, dass man seit der Corona-Pandemie das Thema „Führen virtueller Teams“ noch detaillierter in den Führungskräftetrainings verankert habe, um eine bestmögliche Zusammenarbeit zu gewährleisten. Dass Vertrauen nun eine wichtigere Rolle spielt, bestätigt Margit Lehwalder, Bereichsleiterin Personal bei Union Investment: „Die Regelung des mobilen Arbeitens basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Es wird daher nicht erfasst, ob mobil oder im Büro gearbeitet wird.“ Überwiegend zeigt sich, dass die interne Kommunikation durch geeignete Tools und regelmäßige virtuelle Meetings zwar gut funktionieren kann, der persönliche Austausch vor Ort aber nach wie vor einen hohen Stellenwert genießt – insbesondere für die strategische Zusammenarbeit und den informellen Wissensaustausch.
Trumpf im Talent-Wettbewerb
Während in vielen Chefetagen die Zügel wieder enger angezogen werden, schätzen Mitarbeiter die Flexibilität beim Arbeitsort. Das macht sie auch zu einem wichtigen Faktor im Wettbewerb um Talente: „Wir registrieren in Einstellungsgesprächen weiter zunehmend den Wunsch nach flexiblem und selbstbestimmtem Arbeiten“, berichtet die Kreissparkasse Köln. Die Haspa betont, dass ihre neue Zentrale im Deutschlandhaus unweit der Hamburgischen Staatsoper mit moderner Arbeitswelt und Top-Technik sie „als Arbeitgeber noch attraktiver“ mache.
Die Helaba Invest erklärt, dass das flexible Arbeitsmodell geholfen habe, qualifizierte Mitarbeiter auch außerhalb des Rhein-Main-Gebiets zu gewinnen. Und Universal Investment bestätigt, dass ihr flexibles Modell bei der Rekrutierung positiv wahrgenommen wird.
Die Homeoffice-Regelungen der Sparkassen im Überblick
Sparkasse |
Mindestpräsenz |
Max. Homeoffice-Tage |
Workation möglich |
Hamburger Sparkasse |
50 Prozent |
ca. 125 Tage/Jahr |
keine Angaben |
Stadtsparkasse München |
60 Prozent |
ca. 100 Tage/Jahr |
wird geprüft |
Frankfurter Sparkasse |
50 Prozent |
ca. 125 Tage/Jahr |
keine Angaben |
Kreissparkasse Köln |
keine |
variiert nach Team |
keine Angaben |
Sparkasse Köln-Bonn |
60 Prozent |
ca. 100 Tage/Jahr |
keine Angaben |
Sparkasse Pforzheim Calw |
60 Prozent |
ca. 100 Tage/Jahr |
Nein |
Sparkasse Hannover |
40 Prozent |
ca. 150 Tage/Jahr |
Nein |
Ostsächsische Sparkasse |
60 Prozent |
ca. 100 Tage/Jahr |
keine Angaben |
„Bewerbende fragen nach Möglichkeiten zum Homeoffice. Das Angebot ist den meisten Personen wichtig, unabhängig davon, ob sie es tatsächlich nutzen“, erklärt ein Sprecher der Deka. Und schränkt zugleich ein: „Reine Remote-Stellen haben wir nicht.“ Ähnlich hält es die DWS: Es gibt derzeit keine Remote-only-Stellen, es habe sich jedoch gezeigt, dass die Mischung die Besetzung von Stellen erleichtere.
Die Vermögensverwalter bewerten die Auswirkungen auf das Recruiting unterschiedlich: Während 7 Orca betont, dass „hoch spezialisierte und motivierte Mitarbeiter eine Präsenzkultur sehr schätzen“, sieht Scalable klare Vorteile der Flexibilität: „Die Möglichkeiten des Homeoffice haben unsere Recruiting-Strategien erheblich beeinflusst. Dank der Flexibilität, die Remote-Arbeit unseren Mitarbeitenden bietet, erhalten wir eine Vielzahl von Bewerbungen von Kandidaten.“ Auch HQ Trust bestätigt, dass Remote Work bei ihnen die Möglichkeiten für das Recruiting erweitert habe und sie nun Talente aus einem größeren Pool ansprechen könnten.
Kundengespräch per Videochat
Damit die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert, wenn ein Kollege am Trading Desk sitzt, der andere dagegen am heimischen Küchentisch, mussten viele technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Sparkasse Köln-Bonn betont: „Unabdingbar für erfolgreiches mobiles Arbeiten ist aus unserer Sicht in erster Linie eine gut eingeführte Technik, die stabil funktioniert und verlässlich regelmäßigen Austausch in Teams oder Projekten auch in Remote-Arbeit ermöglicht.“
Auch die Kundenberatung wurde angepasst. „Unsere Kundinnen und Kunden haben selbstverständlich unverändert die Möglichkeit, ihre Beraterin oder ihren Berater in unseren Filialen vor Ort zu treffen oder auf Wunsch auch von zu Hause aus per Video- und Textchat, Telefon und E-Mail zu erreichen“, erläutert die Kreissparkasse Köln.
Die Sparkasse Pforzheim Calw hat sogar ein eigenes digitales Beratungscenter gegründet.
Interessant: Bei manchen Unternehmen nutzen die Mitarbeiter die Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten gar nicht voll aus. „Da wir in unsere Standorte auch viel Herzblut fließen lassen, kommen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gern ins Büro, sodass – trotz der Option auf mobiles Arbeiten – nicht mal alle Mitarbeiter, die könnten, die möglichen 40 Prozent ausschöpfen“, berichtet die Ostsächsische Sparkasse Dresden.
Kein Zurück zur alten Welt
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während Berenberg auf Präsenz setzt, gewährt Scalable völlige Freiheit – und beide Häuser behaupten sich am Markt. Was folgt daraus? Die vielleicht wichtigste Erkenntnis unserer Umfrage: Es existiert keine universelle Homeoffice-Formel für den Finanzsektor.
Die Vorstellung, dass wir alle zu Hause produktiver arbeiten, ist vermutlich ebenso falsch wie die Annahme, dass kreative Prozesse nur im Büro stattfinden können. Vielmehr gibt es ein komplexes Spannungsfeld zwischen Mitarbeiterbedürfnissen, Kundenwünschen und Unternehmensinteressen. Bemerkenswert: Ausgerechnet jene, die sich nicht an unserer Umfrage beteiligen wollten – darunter Schwergewichte wie Blackrock und J.P. Morgan – zählen international zu den größten Verfechtern der Büropräsenz. Ihre Zurückhaltung spricht Bände. Die Analyse zeigt auch: Wer auf strikte Präsenz beharrt, verliert Talente möglicherweise an flexiblere Wettbewerber. Wer zu viel Freiheit gewährt, riskiert eventuell den Verlust der Unternehmenskultur. Der Erfolg wird jenen gehören, die diesen Balanceakt meistern.
Wenn Sie die ausführlichen Berichte zu den einzelnen Umfragen lesen möchten, finden Sie diese hier:
Von 6 bis 190 Tage pro Jahr: Das sind die Homeoffice-Regeln der Asset Manager
So halten es Vermögensverwalter mit dem Homeoffice
So flexibel sind die Sparkassen beim Homeoffice