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Hüfner-Kommentar Kapitalflucht im Euroraum gestoppt

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Hier sechs Gründe dafür: Erstens nimmt die Kapitalflucht aus den Defizitländern nicht nur nach Deutschland ab. Auch in die Schweiz fließen weniger Mittel. Bisher war die Eidge­nossenschaft immer ein sicherer Hafen wenn es Schwierig­keiten in der Währungsunion gab. Der Schweizer Franken wertete sich auf. Das nahm vor allem in der Griechenland­krise dramatische Züge an. Jetzt ist davon nichts mehr zu sehen. Seit einiger Zeit wertet sich der Franken deutlich ab. Zeitweise ist der Wechselkurs in den letzten Wochen auf CHF 1,15 je Euro gestiegen.

Zweitens verringern sich die Zins-Spreads zwischen den einzelnen Mitgliedern des Euroraumes. Die Zinsdifferenz italienischer zu deutschen Staatsanleihen ist im letzten halben Jahr um über 30 Basispunkte kleiner geworden. In Frankreich war die Verringerung sogar noch größer (fast 50 Basispunkte). Nur Spanien macht eine Ausnahme. Das liegt aber in erster Linie an der Eskalation der Probleme mit Katalonien. Je geringer die Zins-Spreads, umso kleiner na­türlich der Anreiz für Kapitalflucht.

Drittens wirken sich die Reformen, die es in den Periphe­rieländern gegeben hat und über die ich in diesen Kommen­taren schon häufiger gesprochen habe, positiv auf das Ver­trauen der Anleger in diesen Staaten aus. Das gilt vor allem natürlich für Frankreich. Zunehmend scheint sich aber auch die Situation in Italien zu stabilisieren. Selbst in Griechen­land sieht es besser aus, von Spanien, Portugal und Irland ganz zu schweigen. Was in Italien noch belastet, sind die Wahlen, die im nächsten Jahr stattfinden werden und die eine Mehrheit europakritischer Parteien bringen könnten.

Deutschland geschwächt

Viertens dürfte sich auch das Ergebnis der deutschen Bundestagswahl dämpfend auf die Kapitalflucht auswirken. Es hat den Standort Deutschland geschwächt. Es hat sich ge­zeigt, dass auch die Bundesrepublik nicht immun ist gegen­über populistischen Tendenzen. Die britische Financial Times sprach in einem Kommentar vom "End of German Exceptionalism" (Ende der deutschen Außergewöhnlich­keit). Unter diesen Umständen denkt nicht mehr jeder zwangsläufig daran, Geld nach Deutschland zu verlagern.

Fünftens wird sich in Zukunft positiv auf die Kapitalflucht auswirken, wenn die Europäische Zentralbank im nächsten Jahr ihre Wertpapierkäufe voraussichtlich zurückführt. Diese Käufe haben die Umsätze auf den Märkten für Staats- und Unternehmensanleihen in den letzten Jahren deutlich er­höht. Sie haben damit zur Kapitalflucht beigetragen. Denn jeden Monat werden durch diese Käufe – neben den übli­chen Tilgungen – EUR 60 Mrd. frei und müssen neu dis­poniert werden. Jedes Mal ist das ein Anlass neu zu ent­scheiden, ob die Gelder wieder wie bisher in den entspre­chenden Ländern angelegt oder ob sie in ein sichereres Land (= Deutschland) transferiert werden. Wenn die EZB jetzt weniger Anleihen kauft, gibt es auch weniger freie Gelder zum Disponieren.

Sechstens schließlich – etwas längerfristig gesehen – spricht viel dafür, dass nach den Initiativen des französi­schen Staatspräsidenten Macron die Zusammenarbeit in der Währungsunion in den nächsten Jahren enger wird. Dann wird auch die Banken- und Kapitalmarktunion vo­rangetrieben werden. Auch das wird den Anreiz zu Ka­pi­talflucht mindern. Banken werden wieder verstärkt Debi­toren anderer Mitgliedsstaaten in die eigenen Bücher neh­men.

Die Verringerung der Kapitalflucht in der Währungsunion ist ein gutes Zeichen. Sie macht die europäischen Kapitalmärk­te wieder attraktiver. In den letzten sechs Wochen sind die Aktienkurse in Europa deutlich stärker gestiegen als in den USA (8 Prozent beim Dax verglichen mit 3 Prozent beim S&P 500). Die Spreads zwischen den Peripherieländern und Deutsch­land werden weiter zurückgehen. Weniger Kapitalflucht in Europa hilft auch dem Euro. Er hat zuletzt etwas nachgege­ben, wird auf absehbare Zeit aber stark bleiben.

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