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Aktualisiert am 31.03.2017 - 18:37 UhrLesedauer: 4 Minuten

Hüfners Wochenkommentar Assenagon-Chefvolkswirt warnt vor „Blutbad am Bond-Markt“

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Geldpolitik ist im Fluss

Hinzu kommt, dass die Geldpolitik im Fluss ist. Die Amerikaner haben angekündigt, dass sie in diesem Jahr noch mindestens zwei Mal die Zinsen erhöhen wollen. Die EZB will die Leitzinsen zwar noch für eine „beträchtliche Zeit“ auf dem gegenwärtigen Niveau halten. Aber wenn man in den Statements von Präsident Draghi zwischen den Zeilen liest, kann man nicht mehr so sicher sein, dass alles so bleibt wie es ist.

Auch in der Finanzpolitik wird sich etwas verändern. Es fehlt an Infrastrukturinvestitionen. Die Verteidigungsausgaben müssen auf Druck der Amerikaner erhöht werden. In Deutschland wird – der Wahlkampf lässt grüßen – auch über Steuererleichterungen geredet. Frankreich und Italien drängen schon lange auf höhere Budgetdefizite. Es würde mich wundern, wenn die finanzpolitische Konsolidierungspolitik unter diesen Umständen so fortgesetzt würde. Der Staat wird stärker als Schuldner auf dem Kapitalmarkt auftauchen.

Schließlich werden die Unternehmen mehr Mittel aufnehmen, wenn es bei besserer Konjunktur wieder mehr rentable Investitionsprojekte gibt. Das bedeutet bei unveränderter Ersparnis der privaten Haushalte, dass die Renditen anziehen müssen.

Einfache Faustformel

Wie hoch können sie steigen? In der Wirtschaftstheorie gibt es hierzu eine einfache Faustformel. Danach müssten die Zinsen langfristig und im Durchschnitt der Zunahme des nominalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen (reales Wachstum plus Preissteigerung). Der Zusammenhang ist zwar nicht perfekt. Es gab immer wieder Zeiten, in denen es größere oder kleinere Abweichungen gab. Sie waren aber immer nur vorübergehend. Seit 1980 ist die Korrelation zwischen den beiden Kurven besonders eng. Sie beläuft sich auf 0,71 (1 ist eine vollkommene Korrelation, 0 ist, wenn es keinen Zusammenhang gibt). In Europa dürften die Verhältnisse nicht viel anders sein.

Wenn man dieses Modell zugrunde legt, dann ergibt sich für die Zinsen in Europa im Durchschnitt des Jahres am Kapitalmarkt ein Wert von 3,5 Prozent: Das gesamtwirtschaftliche Wachstum dürfte sich in diesem Jahr auf rund 1,7 Prozent belaufen, die Preissteigerung dürfte nach den Schätzungen der EZB etwa gleich hoch liegen. Freilich muss man hier noch ein paar Korrekturen anbringen. Das wichtigste sind die Wertpapierkäufe der EZB, die in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit noch andauern werden. Sie haben den Zins bisher um rund einen Prozentpunkt gesenkt und werden das auch in Zukunft tun.

Leitzinsen sehr niedrig

Darüber hinaus muss man berücksichtigen, dass die Leitzinsen der EZB nach wie vor sehr niedrig sind. Das zieht die Langfristzinsen nach unten. Andererseits sind die US-Zinsen sehr hoch. Sie bewirken für sich genommen höhere Zinsen in Europa.

Insgesamt gehe ich davon aus, dass ein normales Zinsniveau für zehnjährige Bundesanleihen unter den gegebenen Bedingungen etwa in der Größenordnung von 2 Prozent liegt. Das sind rund 1,5 Prozentpunkte mehr als heute. Im nächsten Jahr ist noch einmal ein Schub nach oben zu erwarten, wenn die EZB ihre Wertpapierkäufe zurückführt. In den USA, wo das Quantitative Easing schon lange beendet ist, müssten die Zinsen in 2017 bis auf 4 Prozent steigen.

Für den Anleger

Das wird eine schwierige Zeit für Bondinvestoren. Die Kapitalmarktzinsen werden kräftig anziehen. Das kann sich allmählich vollziehen. Es kann aber auch abrupt geschehen. In den USA sind die Renditen 2013 in wenigen Wochen um mehr als 100 Basispunkte gestiegen. Das war das sogenannte „Taper Tantrum“.

So etwas wird die EZB angesichts der fragilen Lage im Euro mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Wer in diesem Jahr Geld in festverzinsliche Wertpapiere anlegen will, wird sich vor allem bei höherverzinslichen Unternehmensanleihen und Anleihen in Schwellenländern umschauen müssen. Wenn die Zinsen stärker nach oben gehen, lässt das sicher auch den Aktienmarkt nicht kalt.

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