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Hüfners Wochenkommentar „Bei einem Brexit muss man Aktien kaufen, nicht verkaufen“

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Zweitens:

Das Problem eines Brexits liegt nicht in der Wirtschaft oder den Kapitalmärkten. Es liegt in der Politik. Die europafeindlichen Kräfte in der Gemeinschaft würden gestärkt. Es könnte zum Austritt weiterer Mitglieder kommen. Die Europa-Idee wäre gefährdet. Politisch wäre der Zusammenbruch Europas eine Katastrophe. Anleger sollten sich aber nicht an der Politik, sondern an der Wirtschaft orientieren. Politische Börsen haben immer kurze Beine.

Drittens:

Die Wirtschaft wird im Falle eines Brexits, wenn er denn kommen sollte, nicht untergehen. Kurzfristig ist das Schlimmste der Attentismus der Investoren, der nach dem Votum eintritt. Er kann Großbritannien in diesem Jahr vielleicht zwei, drei Zehntel Prozentpunkte Wachstum kosten, im nächsten Jahr etwas mehr. Das dämpft die Konjunktur auch auf dem Kontinent. Es ist angesichts des guten Wachstums in Großbritannien und des Vorsprungs, den das Land gegenüber der Rest-EU hat, aber kein Beinbruch.

Auch die langfristigen Wirkungen werden übertrieben

Natürlich wird es für einzelne Unternehmen (zum Beispiel Banken mit Geschäft in London) und einzelne Länder (etwa Irland) schwierig. Gesamtwirtschaftlich wird der Handel zwischen Großbritannien und Kontinentaleuropa aber nicht zum Stillstand kommen. Er wird nur unter ungünstigeren Bedingungen vollzogen. Es wird zu einer Umlenkung der Handelsströme kommen: Weniger Handel zwischen UK und Kontinentaleuropa und mehr Handel mit Drittländern.

Bei der Zukunft des Finanzplatzes London hängt alles davon ab, was die Europäische Zentralbank tut. Zu Beginn der Währungsunion war es ein großes Thema, ob das Euro-Clearing innerhalb des Euroraums stattfinden müsse oder ob es auch in Großbritannien möglich wäre. Damals entschied man sich dafür, es auch außerhalb des Euroraumes zu erlauben, nicht zuletzt deshalb, weil das Vereinigte Königreich der EU angehörte. Diesen Beschluss könnte die EZB bei einem Brexit revidieren. Sie muss es aber nicht. Wenn das Clearing aus London verlagert würde, wäre das vor allem ein Verteilungsproblem. Die britische Hauptstadt verlöre, die Konkurrenten Frankfurt oder Paris gewännen.

Sicher ist, dass Großbritannien als Standort für Firmen aus Drittländern eine geringere Rolle spielen wird. Ob sich die Investoren deshalb aber ganz aus Europa zurückziehen, scheint mir fraglich. Viele von ihnen werden auf den Kontinent umziehen. Sie kamen ja nicht nur wegen des Geschäfts in Großbritannien, sondern wegen des Brückenkopfes in die EU.

Für den Anleger

Lassen Sie sich von der Brexit-Hysterie nicht anstecken. Wenn das Remain-Lager gewinnt, ist für die Börsen sowieso alles gut. Wenn nicht, gibt es zunächst viel Unsicherheit, was Gift für die Märkte ist. Das ist aber keine Zeit zum Verkauf von Aktien, sondern zum Kauf, wenn sich der Rauch verzieht. Ich stehe mit dieser Meinung nicht allein. Auch an der Wall Street wird überwiegend so argumentiert. Ob man bei einem Brexit allerdings in UK investieren sollte, ist eine andere Frage. Ich würde es nicht tun, denn dort sind negative Folgen eines Austritts am größten.

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