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Hüfners Wochenkommentar Denkfehler bei der Sparpolitik

Martin Hüfner ist  der Chefvolkswirt vom Assenagon Asset Management (Foto: Assenagon)
Martin Hüfner ist der Chefvolkswirt vom Assenagon Asset Management (Foto: Assenagon)

Die wirtschaftspolitische Diskussion in Europa mutet in diesen Tagen bisweilen etwas gespenstisch an. Fast hat man – jedenfalls in Deutschland – den Eindruck: Wenn alle wie die Deutschen wären, dann wäre die Welt in Ordnung.

Dann gäbe es nicht nur ordentliche Staatshaushalte, sondern auch wieder Wachstum, Beschäftigung und eine vernünftige Entwicklung der Preise. Die Krise wäre vorbei.

Die Empfehlungen betreffen jetzt nicht mehr so sehr die Sünder der letzten Jahre, also Spanien, Portugal, Griechenland und Irland. Sie sind inzwischen aus dem Gröbsten raus. Jetzt stehen "die Großen" auf der Anklagebank, also Italien und Frankreich. Sie sollen ihre Haushalte in Ordnung bringen.

Es ist an der Zeit, hier ein paar Dinge gerade zu rücken. Die einseitige Betonung der Sparpolitik ist zwar einleuchtend. Wer wäre schon gegen einen ausgeglichenen Haushalt?

Sie ist, pointiert formuliert, ökonomisch jedoch Unsinn. Sie gehört zu den vielen Denkfehlern und Vorurteilen, die unser Handeln im öffentlichen und privaten Bereich bestimmen.

Ich habe dazu ein Buch geschrieben, das in diesen Tagen zur Frankfurter Buchmesse herausgekommen ist. Darin zeige ich, wie wichtig es ist, auf solche Slogans nicht hereinzufallen ("40 Geld-Fallen, die Sie besser vermeiden").

Die jetzige Diskussion ist darin nicht enthalten, weil sie noch nicht so prominent war, als ich das Buch schrieb.

Die These von der alles entscheidenden Sparpolitik ist zum einen empirisch falsch. Länder, die sich nicht daran gehalten haben, stehen keineswegs schlechter da. Umgekehrt sind Staaten, die das beherzigten, nicht besser.

Spanien etwa war im letzten Jahrzehnt immer ein Musterknabe für ordentliche Staatsfinanzen. Trotzdem rutschte es tief in die Schuldenkrise. Jetzt kommt das Land wieder aus der Krise, obwohl es bei der Sanierung seiner öffentlichen Finanzen wenig getan hat. Sein Staatsdefizit beträgt immer noch über 5
Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Anderes Beispiel: Deutschland hat seinen Staatshaushalt in den letzten Jahren ausgeglichen. Gleichwohl fällt es jetzt beim Wachstum zurück. Das ist nicht nur auf Sonderfaktoren wie die Sanktionen gegenüber Russland zurückzuführen.

Es beruht auch auf falschen wirtschaftspolitischen Prioritäten. Es wurde zu viel auf die Finanzpolitik und zu wenig auf andere Probleme geschaut. Bei den Strukturreformen hat sich seit Hartz IV vor zehn Jahren nichts mehr bewegt.

Das Rad wird sogar zurückgedreht. Die Grafik zeigt, dass Deutschland bei den Reformaktivitäten unter den OECD-Ländern auf einem beschämenden vorletzten Platz rangiert.


Quelle: Economist, OECD
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