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Hüfners Wochenkommentar „Der Euro leidet immer noch unter den Spätfolgen der großen Finanzkrise“

Martin Hüfner

Als ich kürzlich meinen Bücherschrank ordnete, stieß ich ganz weit hinten auf die Festschrift der Europäischen Zentralbank zum zehnjährigen Bestehen der Währungsunion. Sie ist nunmehr neun Jahre alt und fast schon etwas vergilbt. Darin wird der Euro in beredten Worten und mit vielen statistischen Belegen als Erfolgsmodell dargestellt. Er hat, so heißt es darin, nicht nur für Geldwertstabilität gesorgt. Er hat auch „erheblich zum Funktionieren unseres großen kontinentalen Marktes [...] beigetragen“.

„Urteil über den Euro um 180 Grad verschoben“

Wenn die EZB in zwei Jahren eine neue Festschrift zum dann zwanzigjährigen Bestehen herausgeben sollte (woran ich zweifle), wird der Tenor gewiss nicht mehr so positiv ausfallen. Die gemeinsame Währung wird von vielen inzwischen erheblich kritischer beurteilt. Sie ist zum bösen Buben für alle anstehenden Probleme geworden: Die Arbeitslosigkeit, das schwache Wachstum, die Nullzinsen, die hohe Verschuldung, die Ungleichgewichte zwischen den einzelnen Ländern, und sicherlich auch für den um sich greifenden Populismus in der Politik.

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Das Bemerkenswerte am Vergleich dieser zwei Bewertungen ist, dass sich die Struktur der Gemeinschaftswährung in der Zeit kaum verändert hat. Der Euro ist gleichgeblieben, das Urteil über ihn hat sich aber um 180 Grad verschoben. Fast könnte man sagen: Der Euro hat zwei Leben. Ein gutes in den ersten zehn Jahren und ein miserables in der zweiten Dekade.

„Langer Atem gefragt“

Wie ist das zu erklären? Viele sagen, dass wir in den ersten Jahren einfach zu unkritisch waren. Wir waren froh, dass der Euro überhaupt funktionierte und haben bei den Problemen nicht so genau hingesehen. Manche Schwächen zeigten sich auch erst mit zeitlicher Verzögerung. Das ist nicht richtig. Die Ökonomen haben auch damals genau hingesehen. Der Unterschied beruht auf etwas anderem. Die Umfeldbedingungen haben sich geändert. In den ersten zehn Jahren lebten wir unter normalen Verhältnissen von Wachstum, Beschäftigung und Inflation. Seit dem Crash 2007/2008 ist das nicht mehr der Fall. Da befinden wir uns in der Anpassungs- und Gesundungsphase nach der Krise. Die wäre mit jeder Währung schwierig gewesen. Jetzt zeigt sie sich bei der Währungsunion. Die Schwierigkeiten, die heute dem Euro angelastet werden, haben jedenfalls zu einem großen Teil nichts mit ihm zu tun. Sie sind vielmehr eine Folge des veränderten Umfelds.

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