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Hüfners Wochenkommentar Der Mythos der Nullzinsen

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Das ist kein Zufall oder eine vorübergehende Verirrung des Marktes. Inzwischen gibt es das nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, in Japan und in Finnland. Frankreich ist nicht mehr weit davon entfernt. In der Schweiz ist die Rendite heute sogar für zehnjährige Laufzeiten kleiner als Null. So viele Märkte können sich nicht irren.

Warum werden Bonds mit einer Rendite unter Null gekauft? Zunächst passiert das nur in Zeiten mit sehr niedriger Inflation und außerordentlich hoher Liquidität, so wie das heute gegeben ist. Es ist also kein Normalfall, sondern die Ausnahme.

Unter diesen Umständen können vier Gründe zu negativen Zinsen bei Wertpapieren führen. Der erste ist, dass Bargeldhaltung unbequem und teuer ist. Privatinvestoren können 10.000 Euro oder 50.000 Euro vielleicht noch unter dem Kopfkissen verstauen. Pensionsfonds oder Versicherungen mit vielleicht 100 Millionen Euro oder mehr können das nicht mehr so einfach. Es ist schwer, so viel Bargeld zu besorgen. Wenn alle das wollten, würden die Notenbestände der EZB nicht reichen. Sie müsste neu drucken. Zudem: Wer die Scheine aufbewahren will, braucht besondere Sicherheitsmaßnahmen, die auch wieder Geld kosten.

Der zweite Grund: Bankeinlagen sind in dieser Situation keine Alternative. Denn auch hier drohen negative Zinsen. Zudem gilt die Einlagensicherung nur für Beträge bis 100.000 Euro. Wer mehr Geld anzulegen hat, handelt sich ein zusätzliches Risiko ein für den Fall, dass der Bank etwas passiert. Da ist das Geld beim Finanzminister noch sicherer.

Der dritte Grund: Wenn die Preise sinken, kann der Investor auch bei negativen Zinsen noch einen positiven Realzins bekommen. Die Inflation muss nur niedriger als der Zins sein. Dann steigt der Geldwert und dieser Gewinn ist größer als der Verlust, der durch die negativen  Zinsen eintritt. Wer in einer solchen Welt auf realen Kapitalerhalt abzielt, ist auch mit negativen Zinsen noch gut bedient.

Schließlich: Wer kann ausschließen, dass die Zinsen auch im negativen Bereich noch weiter sinken? Wenn die Zinsen zurückgehen, steigen die Kurse. Der Anleger kann sich über Kursgewinne freuen. Genau das müsste passieren, wenn die EZB jetzt in großem Stil Staatsanleihen kauft und/oder die Preise weiter fallen.

Für den Anleger

Freunden Sie sich mit dem Gedanken an, dass die Zinsen auch für längere Laufzeiten negativ werden können. Das ist für den normalen Investor, der nicht ganz auf Bonds verzichten will, eine neue Welt. Er muss umdenken. Es ist aber keine Katastrophe. Man kann, wie wir gesehen haben, auch bei negativen Zinsen Geld rentabel anlegen. Im Übrigen ist es natürlich ein weiteres Argument, neben öffentlichen Anleihen auch andere Bonds und Credit-Produkte zu kaufen. Es ist auch ein Argument für Aktien. Die Dividendenrendite wird nicht so schnell negativ. Im Übrigen bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass die Preise nicht ewig sinken. Ich würde mich daher bei länger laufenden Papieren zurückhalten.

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