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Hüfners Wochenkommentar „Die politische Struktur der EU hat diese Schwachstelle“

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Ohne die Regionen und Kommunen geht es ebenfalls nicht. Sie "machen die Arbeit". Drei Viertel der europäischen Rechtsvorschriften werden auf lokaler oder regionaler Ebene umgesetzt. Sie sind nahe beim Bürger und genießen eine viel größere Akzeptanz als Brüssel oder die Nationalstaaten. Wenn München zum Beispiel die Krümmung der Gurken festlegen würde, dann würden darin viele eine Schrulle der Bayern sehen. Wenn Brüssel das gleiche tut, gilt es als Ärgernis. Auch das Prinzip der Subsidiarität erfordert Regionen, die genügend Handlungsspielraum haben. Statt über eine Schwächung der Regionen zu philosophieren, sollte man eher über eine Stärkung nachdenken. Das wäre nicht antieuropäisch. Auch Katalonien oder Schottland wollen zwar unabhängiger sein, aber "natürlich" innerhalb der EU.

Wo das Problem liegt, ist bei den Nationalstaaten. Sie haben keine originären Aufgaben, die nur sie und niemand anders erledigen könnte. Sie sind auch beim Bürger nicht sonderlich beliebt. Sie sind historisch relativ jung und zum Teil eher zufällig entstanden.

Eine offene Baustelle in der EU

Ihre Kompetenzen zu beschneiden ist in der Praxis aber zumindest derzeit unmöglich. Niemand kann sich vorstellen auf die Nationalstaaten zu verzichten. Sie sind die politisch wichtigste Ebene in der EU. Sie haben die EU gegründet. Sie entwickeln sie weiter. Sie finanzieren sie (über die Abtretung eines Teils ihrer Steuereinnahmen). Sie bestimmen die Personen auf der Gemeinschaftsebene. Sie haben den Apparat, um die Entscheidungen in Brüssel vorzubereiten. In der Sache sind sie allzuständig. Im Zweifel könnten sie auch ohne die Gemeinschaft leben. Sie regeln sogar ihr Verhältnis zu den Regionen.

Sie haben großes Selbstbewusstsein. Wenn es notwendig ist, schließen sie sich zusammen. Die deutsche Bundeskanzlerin etwa hat sich im Katalonien-Konflikt klar auf die Seite der spanischen Zentralregierung gestellt und Madrid ihre Unterstützung zugesagt. Da stimmt etwas nicht: Die am wenigsten gebrauchte Ebene ist in der Praxis die Wichtigste.

Die Schlussfolgerung: Die Rolle der Regionen in der Europäischen Union ist eine offene Baustelle. Sie kann jederzeit auch an anderen Stellen virulent werden. Auf absehbare Zeit ist sie kaum lösbar, weil die Nationalstaaten nicht bereit sind, Kompetenzen an die Regionen abzugeben. Wenn etwas verändert werden sollte, dann ist es eher eine Ausweitung der Rolle der Regionen als eine Einschränkung. Und noch etwas: Die Rolle der Regionen in der Gemeinschaft sollte auf EU-Ebene geregelt werden, nicht auf nationalstaatlicher. Denn Nationalstaaten sind ein natürlicher Konkurrent der Regionen. Es ist ein Fehler, dass sich die EU nicht in den Katalonien-Konflikt einmischt.

Für den Anleger

Der Katalonien-Konflikt hat die Märkte bisher nicht stärker belastet. Das muss aber nicht so bleiben, wenn an anderer Stelle solche Krisen aufbrechen. Die politische Struktur der EU hat hier eine Schwachstelle, die ausländische Investoren verunsichern kann.

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