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Hüfners Wochenkommentar „EZB wünscht derzeit keine Erhöhung der Zinsen“

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EZB-Käufe nicht der einzige Faktor

Wenn das aber so ist: Warum wirkt sich die Verringerung der Wertpapierkäufe seit Anfang April nicht auf die Märkte aus? Zunächst einmal liegt es daran, dass die Käufe der Zentralbank natürlich nicht der einzige Faktor sind, der die Zinsentwicklung beeinflusst.

Der April war ein besonders lebhafter Monat, in dem die Aufmerksamkeit der Investoren von vielen Dingen in Anspruch genommen wurde. Die Inflation ging wieder nach oben mit entsprechenden Veränderungen bei den Inflationserwartungen. Es gab die Unsicher­heit über den Ausgang der französischen Wahlen, die zu erheblichen Kapitalbewegungen führten.

Die Konjunktur war günstig und führte zu reger Emissionstätigkeit. In den USA sind die Zinsen nach oben gegangen. Es ist verständlich, dass in einem solchen Umfeld die Aktionen der EZB nicht die Wirkung erlangten, die sie unter normalen Umständen gehabt hätten.

Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik?

Wichtiger war aber noch etwas Anderes: Die EZB wollte nämlich gar nicht, dass die Märkte auf die Verringerung der Wertpapierkäufe mit Zinserhöhungen reagieren. Sie hat immer wieder betont, dass die Rückführung von 80 auf 60 Milliarden Euro in keiner Weise als Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik interpretiert werden darf.

Dafür sei es noch viel zu früh. Die EZB hat auch an ihrer „Forward Guidance“, dass die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben, nichts geän­dert. In einem solchen Umfeld wäre es erstaunlich, wenn die Märkte auf die Verringerung der Wertpapierkäufe mit einer Zinserhöhung reagieren würden.

Für die Märkte außerordentlich wichtig

Hier zeigt sich ein allgemeines Phänomen. Die Worte und die Absichten einer Zentralbank sind für die Märkte außerordentlich wichtig. Sie hören genau hin, was die Zentralbank sagt und handeln dementsprechend. Das gilt allerdings nur kurzfristig. Am Ende setzen sich doch die Fakten durch. Das hat sich auch in den USA immer wieder gezeigt. Die Wirkung des Taperings auf die Zinsen war in der Zeit am größten, als es angekündigt wurde. Das war das sogenannte „Taper Tantrum“, ein Phänomen, das die EZB unbedingt vermeiden möchte.

Das heißt: Wir sollten nicht zu ungeduldig sein. Die Renditen werden auf die Verringerung der Wertpapierkäufe der EZB doch noch reagieren. Der Gesamteffekt der bisherigen Käufe auf die Zinsen betrug rund ein Prozentpunkt. Wenn sie jetzt von 80 auf 60 Milliarden Euro verringert werden, dann bedeutet das eine Abnahme um ein Viertel. Das müsste sich rein rechnerisch in einer Erhöhung der Zinsen um grosso modo 25 Basispunkte niederschlagen. Das passiert natürlich nicht von heute auf morgen.

Für den Anleger

Anleger in festverzinslichen Wertpapieren tun gut daran, sich allein aufgrund des EZB-Effekts auf eine Zinserhöhung in einer solchen Größenordnung einzustellen. Dazu kommen dann noch die Auswirkungen der guten Konjunktur, eventuell steigender Inflation und möglicherweise negativer Effekte aus den USA.

Im Übrigen beeinflusst die Verringerung der Wertpapierkäufe natürlich nicht nur die Zinsen, sondern auch andere Asset-Klassen. An den Devisenmärkten hat sich der Euro gegenüber dem US-Dollar bereits leicht aufgewertet. An den Aktienmärkten gibt es Gegenwind, wenn die Unternehmen höhere Zinsen zahlen müssen.

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