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Hüfners Wochenkommentar Gedrückte Stimmung in der Finanzindustrie

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Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, wies darauf hin, dass dies weder durch die Geldpolitik noch durch die Konsolidierung der Staatsfinanzen allein erreicht werden könnte. Notwendig sei vielmehr eine Reformpolitik. Sie muss den Ausbau der Bankenunion, die Liberalisierung des Dienstleistungsbereiches, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine Senkung der Steuern enthalten. Die größte Sorge Dijsselbloems derzeit ist, dass die Reformbereitschaft unter dem Eindruck eines etwas besseren Wachstums nachlässt.

Zur Skepsis für die Umsetzung der Reformpolitik kann auch das Ergebnis der Wahlen zum Europaparlament beitragen. Auf der Konferenz wurde die Sorge geäußert, dass die Politiker jetzt erst einmal das machtpolitische Durcheinander zwischen den verschiedenen Institutionen in Brüssel ordnen müssten. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Währenddessen werden die anstehenden Finanz- und Wirtschaftsprobleme eher nach hinten geschoben.

Zu den neuen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank waren die Ansichten geteilt. Überall hörte man die Meinung, dass die EZB klug und couragiert gehandelt habe. Was die Maßnahmen im Einzelnen anging, war aber viel Skepsis zu hören. Die Zinssenkung werde die Wirtschaft nicht zu größeren Ausgaben und Investitionen bewegen.

Das neue TLTRO-Programm werde – wie sein Vorgänger – von den Banken eher zu Staatsanleihekäufen genutzt und nicht – wie von der EZB gewünscht – zur Kreditgewährung an Haushalte und Unternehmen. Die angekündigte Ausweitung der Liquidität sei nicht nötig. Hilfreich könnten allenfalls die angekündigten Käufe von ABS-Papieren kleiner und mittlerer Unternehmen sein.

Das weiß natürlich auch die EZB. Worauf sie vielleicht setzt, ist ein psychologischer Effekt ähnlich wie im Sommer 2012 nach den berühmt gewordenen Worten Draghis zur Rettung des Euros ("Whatever it takes ..."). In London trug der Vizepräsident der EZB, Vitor Constancio, das neue Acht-Punkte-Programm so überzeugend vor, dass auch manche Skeptiker zweifelnd wurden. Es machte den Eindruck, dies sei Teil einer sorgfältig geplanten Kommunikationsoffensive.

Interessant die Aussagen auf der Konferenz zu Indien. Der Turnaround in dem Land im Zusammenhang mit der Wahl Narendra Modis zum Ministerpräsidenten könnte nicht nur die Lage in Indien selbst verändern, sondern auch das geopolitische Bild in Ostasien. China fällt zurück, Indien könnte das neue China werden. Das Wachstum in Indien wird nach Schätzungen der Experten bereits nächstes Jahr von jetzt 4 Prozent auf 6 Prozent bis 8 Prozent steigen. Das könnte ein neuer Recovery Trade für international orientierte Investoren sein.

Für den Anleger

Das wichtigste Ergebnis der Konferenz ist aus meiner Sicht die gedämpfte Stimmung hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung. Wenn sie richtig ist und sich die Konjunktur nicht so beschleunigen sollte, wie das in vielen Prognosen angenommen wird, dann fehlt den steigenden Aktienkursen die realwirtschaftliche Basis. Dann wird die Bewertung der Märkte schlechter. Die Gefahr einer Blase steigt. Darüber wurde interessanterweise in London aber nicht diskutiert.

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