LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MärkteLesedauer: 4 Minuten

Hüfners Wochenkommentar „Lowflation“ ist der neue Gegner

Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon
Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon
Ein neues Feindbild ist aufgetaucht. Jahrelang war es das Ziel der Wirtschafts- und Währungspolitik, Inflation zu verhindern. In den letzten Monaten ging es dann – vor allem in Europa – zunehmend darum, Deflation, also sinkende Preise, zu bekämpfen. Und nun gibt es plötzlich einen neuen Gegner: "Lowflation", also geringe Preissteigerungen. Auch sie soll nicht hingenommen werden. Die Wortschöpfung ist nicht nur ein sprachlicher Gag. Ich fürchte, es steckt auch eine veränderte wirtschaftspolitische Philosophie dahinter.



"Lowflation" ist der Bereich zwischen Inflation und Deflation. In Europa wären das also Preissteigerungen zwischen Null und "nahe aber unter 2 Prozent". Das ist ein relativ schmales Band und kann kaum als wirtschaftspolitische Zielgröße gesehen werden.

Manche ziehen den Korridor aber weiter. Der Internationale Währungsfonds beispielsweise, von dem der Begriff der "Lowflation" stammt, hat ins Gespräch gebracht, dass Preissteigerungen erst ab 4 Prozent als Inflation bekämpft werden müssen. Dann würde "Lowflation" von 0 Prozent bis 4 Prozent reichen. Das wäre schon ganz erheblich.

Mit dem Begriff der "Lowflation" wird der wirtschaftspolitische Aktionsradius erweitert. Die Politik soll nicht nur dafür sorgen, dass die Inflation nicht zu groß wird. Sie soll auch darauf achten, dass sie nicht zu klein ist. Dahinter steht die Idee, dass eine Volkswirtschaft eine bestimmte Minimum-Preissteigerung braucht, um gut zu funktionieren. Dafür werden verschiedene Gründe angeführt.

Ohne ein bestimmtes Maß an Inflation ist, so wird zum Beispiel gesagt, der Strukturwandel schwerer zu bewerkstelligen. Schrumpfende Branchen werden zu Preis- und Lohnsenkungen gezwungen, die bei der gegebenen Inflexibilität der Märkte nur unter Schmerzen zu verwirklichen sind. Zudem: Ohne ein Mindestmaß an Preissteigerungen kommen große und heterogene Wirtschaftsräume wie die europäische Währungsunion oder die USA in Schwierigkeiten.

In solchen Räumen gibt es immer Regionen mit höherer und mit niedrigerer Inflation. Wenn hier die durchschnittliche Geldentwertung zu niedrig gehalten wird, werden einige Regionen möglicherweise in die Deflation getrieben. Noch ein anderer Grund, der bei vielen sicher eine Rolle spielt: Ohne Preissteigerung ist es schwerer möglich, von der hohen Staatsverschuldung herunterzukommen. Denn dann gibt es zum einen nicht genug Steuereinnahmen.

Zum anderen kann der Staat seine Schulden nicht mit einem Geld zurückzahlen, was weniger wert ist (was auf eine Enteignung der Bürger hinausläuft). Die Diskussion über eine Mindestinflation ist nicht neu. Sie wurde in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts schon einmal sehr heftig geführt.
Tipps der Redaktion