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Hüfners Wochenkommentar Umdenken bei den Rohstoffpreisen?

Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon Asset Management
Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon Asset Management
Für viele Analysten und Händler scheint es klar zu sein: Der drastische Rückgang der Rohstoffpreise, den wir in den letzten Jahren und Monaten erlebt haben, ist ein Ausreißer nach unten. Er hängt im Wesentlichen mit der chinesischen Wachstumsschwäche zusammen. Spätestens in ein, zwei Jahren werden die Preise wieder da sein, wo sie im Schnitt der vergangenen fünf bis zehn Jahren lagen, nämlich 20 Prozent bis 30 Prozent höher.

Ich möchte dieses Mantra in Frage stellen. Ich glaube, dass die Community hier einem Irrtum aufsitzt. Ich habe mir dazu einmal die historische Entwicklung der Rohstoffpreise in den letzten hundert Jahren angeschaut. In der Grafik sind als Beispiel die Kupferpreise seit 1910 dargestellt. Über 90 Jahre lang stiegen sie bei nur relativ kleinen Schwankungen mit einer Rate von etwas mehr als 2 Prozent pro Jahr. Nach der Jahrtausendwende sind sie dann förmlich explodiert. Sie erhöhten sich um mehr als das Fünffache. Jetzt kommen sie wieder zurück, haben aber immer noch nicht das Niveau des Jahres 2000 erreicht.

Der Kupferpreis in den letzten 100 Jahren
In Dollar-Cent/Pfund


Die Botschaft aus der Grafik ist klar. Der Normalzustand der Kupferpreise sind nicht die hohen Notierungen der letzten Dekade. Der Normalzustand liegt deutlich darunter. Wenn man den Wachstumstrend der ersten 90 Jahre bis heute hochrechnet, dann kommt man auf Preise, die etwa halb so hoch sind wie die aktuellen Preise am Markt. Sicher wäre es übertrieben, für die Zukunft mit so niedrigen Preisen zu rechnen. Wichtig ist aber:

„Der Absturz der Preise in den letzten Monaten ist kein Ausreißer. Er ist vielmehr die Rückkehr zur Normalität.“

Das gilt im Trend nicht nur für Kupfer, sondern auch für viele andere Rohstoffe.

Nun mag mancher einwenden: Was kümmert uns die Ent­wicklung der letzten 100 Jahre? Die Welt hat sich verändert. Rohstoffe sind heute teurer als früher, weil durch die indus­trielle Entwicklung mehr Kupfer, Öl und andere Vorprodukte gebraucht werden.

Das wird vielfach auch theoretisch begründet. Seit dem englischen Ökonomen Thomas Robert Malthus vor 200 Jahren wissen wir, dass die Wirtschaft exponentiell wächst, die natürlichen Ressourcen dagegen wenn überhaupt allen­falls linear. In einer solchen Welt muss es immer wieder Spannungen und Knappheiten geben. Im einfachsten Fall führen sie zu größeren Preissteigerungen. Es kann aber auch schlimmer kommen. Malthus erwartete regelmäßige Hungersnöte, durch die sich die Bevölkerung an die be­grenzten Ressourcen anpasst.

Das klingt plausibel und wurde lange Zeit auch geglaubt. Es hat sich am Ende aber als falsch erwiesen. Denn es gibt zwei Trends, die dagegen sprechen. Der eine ist, dass die Nachfrage nach Rohstoffen langsamer zunimmt als die Wirtschaftsleistung. Die Wirtschaft tut schon aus Eigeninte­resse alles, um den Verbrauch an Rohstoffen zu reduzieren, um damit Kosten zu sparen. Bei fossilen Brennstoffen wer­den sie dabei aus Klimaschutzerwägungen sogar dazu ge­zwungen. Auf der Weltklimakonferenz Ende des Jahres in Paris wird es vermutlich zu internationalen Absprachen in dieser Hinsicht kommen. Ziel ist es, dass möglichst viele der im Boden lagernden Rohstoffe ungenutzt bleiben.

Der zweite Trend: Die Menge der vorhandenen Ressourcen geht nicht wie immer wieder gedacht durch Förderung und Verbrauch zurück. Sie nimmt im Gegenteil zu. Neue Roh­stofflager werden entdeckt und es gibt neue Verfahren, mit denen bisher unrentable Rohstofflager erschlossen werden können. Bestes Beispiel ist der starke Anstieg der Förderung von Schiefergas in den letzten Jahren. Natürlich sind die neuen Ölfelder vielfach nur mit höheren Kosten zu er­schließen (was dann wieder höhere Ölpreise erfordert). Es wird also immer gewisse Preissteigerungen geben. Es ist aber doch bemerkenswert, dass die bekannten und er­schließbaren Ölreserven seit der großen Ölkrise vor 40 Jahren schneller gewachsen sind als der tatsächliche Ver­brauch.

Es könnte sein, dass sich die Welt durch diese Tendenzen am Ende dem Idealzustand nähert, in dem sich auch in ein­er wachsenden Wirtschaft die Menge der verfügbaren Rohstoffe nicht verringert, sondern sie zumindest gleichbleibt. Das wäre dann eine wirklich nachhaltige Wirtschaft. Die Erde würde nicht mehr zu Lasten künftiger Generationen ausgebeutet.

Für den Anleger ergeben sich, wenn das richtig sein sollte, erhebliche Kon­sequenzen.

Die Erste: Setzen Sie nicht unkritisch auf stark steigende Rohstoffpreise. Es könnte sein, dass Sie am En­de enttäuscht werden. Der Chef der Bank von England Marc Carney hat in der vorigen Woche in einer vielbeachte­ten Rede darauf hingewiesen, dass der Sektor der fossilen Rohstoffe auf den Finanzmärkten neu bewertet werden muss, wenn viele der vor allem fossilen Reserven nicht ge­braucht würden.

Zweitens: Seien Sie vorsichtig mit Anlagen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Bisher gingen wir davon aus, dass sie unter anderem dank ihrer Rohstoffvorräte schneller als die Industrieländer wachsen. Es lohnte sich daher, Geld dort zu investieren. Das gilt jetzt nicht mehr.

Drittens: Wenn die Rohstoffpreise dauerhaft nicht mehr so steigen, dann müssen wir auch in Sachen Inflation umden­ken. Die Geldentwertung wird in Zukunft geringer sein. Viel­leicht werden die Zentralbanken überlegen, die Zielgröße für die Preissteigerung (rund 2 Prozent) herunterzunehmen. Das hätte dann auch Auswirkungen auf die Zinsen. Die Erwar­tungen, dass die Bondsrenditen irgendwann wieder auf Größenordnungen von 4 Prozent ansteigen könnten, wären dann vielleicht nicht mehr realistisch.

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