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Hüfners Wochenkommentar Ungereimtheiten bei den Inflationszahlen

Martin Hüfner, Assenagon-Chefvolkswirt: „Wenn die Inflation so verläuft, wie ich das hier skizziert habe, dann wird es nicht mehr zu einer weiteren Zinslockerung durch die EZB kommen“.
Martin Hüfner, Assenagon-Chefvolkswirt: „Wenn die Inflation so verläuft, wie ich das hier skizziert habe, dann wird es nicht mehr zu einer weiteren Zinslockerung durch die EZB kommen“.
Bei den letzten Inflationszahlen für den Euroraum stießen mir ein paar Ungereimtheiten auf. Jeder weiß, dass die Ölpreise seit Anfang des Jahres deutlich nach oben gegangen sind. Gleichzeitig steigen die Löhne nach zum Teil heftigen Arbeitskämpfen besonders in Deutschland. Wer in den Geschäften einkauft, hat nicht den Eindruck es werde billiger. Und was tut die Inflationsrate? Sie ist im April gesunken und war mit -0,2 Prozent sogar negativ. Da kann doch etwas nicht stimmen. Ich habe mir daher die Zahlen etwas genauer angeschaut – und stieß dabei auf noch mehr Überraschungen.

Zunächst zu den aktuellen Zahlen. Hier wird immer wieder gesagt, die Inflation wäre wegen der niedrigen Energiepreise zurückgegangen. Das ist falsch. Es liegt an etwas ganz anderem. Es gibt da einen Sonderfaktor, der mich ärgert, seit ich mich mit diesen Statistiken befasse. Denn er wird immer wieder übersehen. Das sind die Pauschalreisen in Deutschland. Sie sind im März wegen des frühen Osterfestes um 10 Prozent teurer geworden. Im April dürften sie dann wieder billiger gewesen sein. Das hat die Inflationsrate gedrückt. Pauschalreisen sind nämlich gar nicht so unbedeutend. Sie haben ein Gewicht von 2,6 Prozent am Warenkorb. Ohne diesen Posten wäre die Inflationsrate im April nicht gefallen. Das gilt zwar in erster Linie für Deutschland, wirkt sich aber auch auf den Euroraum aus.

Man sollte also den Rückgang der Inflation im April nicht so ernst nehmen. Das ist keine Deflation. Es wird sich wieder normalisieren.

Wichtiger sind die weiteren Aussichten. Die meisten erwarten hier derzeit wenige Änderungen. Sie glauben (beeinflusst auch durch das permanente Mantra der EZB), dass die Inflation noch auf längere Zeit niedrig bleiben wird. Ich möchte da einen Kontrapunkt setzen. Unter der Oberfläche vollziehen sich nämlich ein paar Veränderungen, die am Ende zu einer höheren Inflation führen werden:

Erstens werden die Ölpreise die Inflation in Zukunft nicht mehr so stark drücken wie bisher. Das liegt zum einen daran, dass sie vermutlich weiter nach oben gehen werden. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann wird zumindest der Vorjahresabstand immer kleiner. Am Jahresende lägen die Ölpreise um 17 Prozent über Vorjahr, wenn der Weltmarktpreis von heute an unverändert bliebe (Grafik).

Zweitens steigen die Löhne zumindest in Deutschland deutlich an. Sie lagen zuletzt um knapp 3 Prozent über Vorjahr. Eine solche Zunahme hat es schon lange nicht mehr gegeben. Sie ist deutlich höher als die Zunahme der Produktivität (in diesem Jahr vermutlich 0,1 Prozent).

Drittens zieht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage an, angeheizt durch die wachsenden Einkommen. Im Sommer werden die Renten in Deutschland zudem um 5 Prozent angehoben. Die Finanzpolitik ist nicht mehr so restriktiv, allein schon wegen der Flüchtlingsströme. Umgekehrt produziert die Wirtschaft in der Bundesrepublik nahe an der Kapazitätsgrenze. Wenn die Nachfragezuwächse zu groß werden, dann werden die Unternehmen die Preise erhöhen.

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