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Hüfners Wochenkommentar Wirbelstürme in der Weltkonjunktur

Lesedauer: 4 Minuten
Martin Hüfner ist Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management
Martin Hüfner ist Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management
Manchmal platzen Träume schneller, als man denkt. Anfang des Jahres sahen die Konjunkturperspektiven für die Industrieländer noch so schön aus. Die Spätfolgen der Finanzkrise sind zu Ende, so dachten wir. Die USA befinden sich in einem ausgeprägten Boom. Sie ziehen andere mit nach oben. Europa kommt aus dem Keller der Rezession und fängt wieder langsam an zu wachsen.

Es kam jedoch ganz anders. Das erste Quartal hat alles durcheinandergewirbelt. Die USA wurden heruntergestuft. Die Europäer stehen besser da. Für die Welt sieht es nicht mehr so rosig aus. Das ändert auch die Perspektiven für die Märkte.

Konjunkturgefälle dreht sich
ISM- und ifo-Index, Mitte 2014 = 100

Quelle: Fred, ifo

Schauen wir uns das etwas genauer an. In den USA ist die Konjunktur im ersten Quartal regelrecht eingebrochen. Es ist das gleiche passiert wie schon vor einem Jahr. Die meisten führen das wie im Vorjahr auf Sonderfaktoren zurück. Der Winter war besonders kalt. Hafenarbeiter streikten. Das reicht als Erklärung aber nicht aus. Der Verlauf des ISM-Geschäftsklimaindikators (siehe Grafik) zeigt, dass die Wachstumsschwäche schon länger angelegt ist. Sie hängt mit einer Reihe unterschiedlicher Effekte zusammen.

Da ist zum einen die Unsicherheit, wann und wie stark die amerikanischen Zinsen steigen werden. Hinzu kommt der starke Dollar, der den Unternehmen mehr zu schaffen macht als vermutet. Der Ölpreis ist seit dem Tiefpunkt wieder deutlich gestiegen. Das kann auch eine so dynamische und in manchen Bereichen modernisierte Wirtschaft wie die der USA nicht so einfach wegstecken.

Das zweite Quartal wird zwar wegen einiger Aufholeffekte aus den ersten drei Monaten besser ausfallen. Für das Gesamtjahr muss das Wachstum aber von den ursprünglichen 3,6 Prozent auf 2,5 Prozent herunterrevidiert werden. Für 2016 ist nicht viel mehr zu erwarten. Für die USA ist das enttäuschend. Der Welt fehlt die Lokomotive.

In Deutschland passierte im ersten Quartal fast das genaue Gegenteil. Es hatte im Winterhalbjahr ein konjunkturelles Hoch mit ungewöhnlich hohen Wachstumsraten. Es lag deutlich vor den USA. Das kommt selten vor.

Die Perspektiven für Deutschland sind angesichts der niedrigen Zinsen und dem schwachen Euro eigentlich nicht schlecht. Trotzdem wird es nicht so weitergehen. Die Kapazitäten sind fast voll ausgelastet. Angesichts des verbreiteten Fachkräftemangels können sie kaum ausgeweitet werden. Da sind reale Wachstumsraten von über 1,5 Prozent nicht machbar. Ich rechne daher damit, dass sich die Konjunktur in den kommenden Monaten verlangsamen wird. Für das Gesamtjahr kann sich aufgrund des statistischen Überhangs noch ein Plus von 2 Prozent oder sogar mehr ergeben. 2016 wird sich das aber in Richtung auf 1,5 Prozent zurückbilden.

Im Euroraum insgesamt geht es derzeit noch nicht ganz so dynamisch voran. Das erste Quartal war aber ebenfalls nicht schlecht. Hier kommt zu den für Deutschland genannten positiven Effekten noch hinzu, dass sich die Reformanstrengungen der letzten Jahre auszuzahlen beginnen. In Spanien ist das schon deutlich sichtbar. Hier nimmt jetzt auch die Beschäftigung zu. In Italien zeigen sich erste Indizien, dass sich die Stimmung nach der Reform der Arbeitsmarktregulierung bessert.

Frankreich ist noch nicht ganz so weit. Aber hier spricht die ökonomische Logik dafür, dass sich Reformmaßnahmen wie die "Loi Macron" früher oder später positiv auf das Wachstum auswirken werden.

Kapazitätsgrenzen wie in Deutschland gibt es für den Euroraum nicht. Daher kann das Wachstumstempo hier auch 2016 noch durchgehalten werden. Vielleicht kann es sich auch noch beschleunigen. Ich rechne für 2015 mit einem Wachstum von 1,5 Prozent, 2016 mit knapp 2 Prozent. Das Wachstumszentrum verlagert sich von Nord nach Süd. Die Peripherieländer fangen an, das Zentrum zu überholen. Davon profitiert auch Österreich, das 2016 um 1,5 Prozent wachsen könnte. Euroland wird insgesamt erstmals seit langem schneller als Deutschland wachsen.

Schade, dass Griechenland bei diesem Aufschwung nicht dabei ist. Es bleibt ein Unsicherheitsfaktor für die Prognose. Hoffentlich bringen die weiteren Wahlen im Euroraum nicht einen ähnlichen politischen Rückschritt.

Andererseits: So kontraproduktiv die Ereignisse in Athen auch sind, ein Positives haben sie. In Sachen Reformpolitik waren sich die Mitglieder der Währungsunion noch nie so einig wie jetzt.

Für den Anleger hat das neue Konjunkturbild drei Konsequenzen. Erstens wird die amerikanische Notenbank ihre Entscheidung für eine erste Zinserhöhung bei einem solchen Konjunkturszenario verschieben. Im Juni stehen die Märkte noch zu sehr unter dem Eindruck der schlechten Konjunkturzahlen vom ersten Quartal. Das hilft den Rentenmärkten.

Zweitens verliert die Dollaraufwertung an Kraft. Sollten die Märkte trotzdem weiter auf einen festen Dollar setzen, ist zu vermuten, dass die Politik, auch die Notenbank, Gegenmaßnahmen überlegt. Im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf müssen die Parteien alles tun, um Wirtschaft und Arbeitnehmer bei der Stange zu halten.

Drittens wird sich der amerikanische Aktienmarkt zwar im zweiten Quartal erholen (weil die Gewinne wieder besser laufen). Auf Dauer sind die Aussichten vor allem für die Peripherieländer Europas aber nach wie vor fundamental besser abgesichert.

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