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ICM-Investmentbank-Vorsitzender Die Trendwende beim Ölpreis ist absehbar

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Die Analysten der UBS gehen davon aus, dass derzeit der weltweite Bedarf an Rohöl rund 20 Millionen Barrel tiefer liegt als vor Ausbruch der Virus-Pandemie. Kein Wunder: Wenn sich die Fabriken im Shutdown befinden, Flugzeuge ganz überwiegend am Boden bleiben und der Autoverkehr nachlässt, wird einfach weniger Öl gebraucht.

Doch die Wirtschaft fängt langsam an, weltweit wieder hochzufahren. Den Anfang hat China gemacht. Dort befinden sich beispielsweise fast alle Autofabriken wieder in Produktion. Jetzt geht es auch in Europa und den USA schrittweise wieder los. So hat Volkswagen Ende April den Betrieb in den Werken in Zwickau und Wolfsburg zumindest im Ein-Schicht-Betrieb wieder gestartet.

Angebot und Nachfrage nähern sich wieder an

Eine spannende Frage lautet derzeit: Wie stark und wie schnell wird sich der weltweite Tsunami von Förderprogrammen auf die entsprechenden Volkswirtschaften auswirken. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein weiteres Hilfsprogramm angekündigt wird. In China summieren sich die verschiedenen Pakete auf ein Volumen von zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die USA kommen sogar auf 13 Prozent und Deutschland auf zwölf Prozent. Wenn jetzt die Realwirtschaft wieder den Betrieb aufnimmt, wird sicherlich der Ruf nach Konjunkturprogrammen lauter. Eine Abwrackprämie 2.0 ist schon länger in der Diskussion.

Das Angebot und die Nachfrage dürften sich beim Öl somit langsam, aber sicher wieder annähern. Wie lange dieser Prozess dauert und wann die vollen Lager wieder geräumt werden, lässt sich derzeit allerdings kaum vorhersagen. Allerdings könnten geopolitische Konflikte die Annäherung schlagartig beschleunigen.

Zwar haben nach den Beobachtungen von BCA Research in den vergangenen Jahrzehnten Kriege und Bürgerkriege regelmäßig abgenommen, wenn der Ölpreis niedrig notierte. Vereinfacht ausgedrückt hatten die Öl-Staaten in diesen Phasen kein Geld für Rüstung und militärische Konflikte. Das dürfte auch jetzt der Fall sein. Eine Ausnahme bildet allerdings der Iran. Vor allem zwischen dem selbst ernannten Gottesstaat und den USA gibt es schon länger wieder ein bedrohliches Säbelrasseln. Sollte der Iran bei einer Eskalation die Straße von Hormus sperren, könnte das weltweite Angebot nach der Berechnung von BCA um 14 Prozent einbrechen. Die Vorzeichen der derzeitigen Ölkrise würden umgehend wechseln.

Natürlich sind mit dem Ölpreis auch die Aktien der Fördergesellschaften unter die Räder gekommen. Angesichts der absehbaren Entspannung sollten Anleger diese jedoch zumindest auf ihre Watchlist setzen. Interessant sind vor allem europäische Mineralölkonzerne und die aus Schwellenländern wie Brasilien. Bei den US-Konzernen liegt dagegen die Gewinnschwelle vergleichsweise hoch.


Über den Autor:
Norbert Hagen ist Vorstandsvorsitzender und Fondsmanager der ICM Investmentbank. Das Institut wurde 1999 aus der Hypovereinsbank-Gruppe ausgegliedert. Es verwaltet rund 500 Millionen Euro an Kundengeldern.

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