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IKB-Volkswirt Klaus Bauknecht Harter Brexit stürzt Deutschland in die Rezession

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Mit solch einer Einschätzung wird es schwer sein, Kompromisse mit der EU zu finden. Grundsätzliche Themen wie eine Lösung für die Grenze zwischen Irland und Nordirland rücken in weite Ferne. Und auch wenn sich manche Kandidaten inzwischen etwas moderater zeigen, ist das britische Parlament nach wie vor gespalten. Die versöhnlicheren Töne von Boris Johnson sind kein Zeichen, dass ein harter Brexit weniger wahrscheinlich ist.

Den Briten fehlt das Verständnis für das wirtschaftliche Risiko

Noch immer nehmen die Briten die realwirtschaftlichen Konsequenzen eines harten Brexit nicht ernst, sie werten den No-Deal eher als EU-Drohung und -Verhandlungsstrategie ab. Und dies, obwohl die meisten Studien deutlich negative Konsequenzen eines Brexit für Großbritannien aufzeigen. Ein harter Austritt würde nicht nur Handelsbeziehungen auf Grundlage der WTO und damit Zollanhebungen zur Folge haben. Eine Zerrüttung der Beziehungen zur EU und damit eine Belastung jeglicher wirtschaftli-cher Beziehungen wären die Folge. In einer Studie von 2018 prognostizierte die Bank of England bei einem No-Deal-Brexit einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Großbritannien um 10 Prozent.

Doch angesichts des aktuell boomenden Arbeitsmarktes sind solche Zahlen weit von der aktuellen Realität der britischen Bürger entfernt. Die Arbeitslosenquote ist von 4,9 Prozent zum Zeitpunkt des Referendums 2016 auf inzwischen 3,7 Prozent gesunken. Damit verwässert die anhaltend stabile britische Wirtschaft zunehmend die Glaubwürdigkeit von Studien, die vor einem Brexit warnen.

Im Gegensatz zu den meisten Prognosen hat sich die britische Wirtschaft seit dem Referendum als relativ stabil erwiesen. Doch dies dürfte weniger mit einer Fehleinschätzung der Brexit-Risiken zu tun haben; es scheint eher die britische Haltung von „wait and see“ zu sein, die die Wirtschaft bis dato besser dastehen lässt. Hier ist Großbritannien ein nennenswertes Beispiel, wie bedeutend Erwartungen und Stimmungen für die Wachstumsdynamik sein können.

Wirtschaftsvertrauen, Investitionen und der private Konsum haben keine nachhaltige und spürbare Reaktion auf das Referendum von 2016 gezeigt, zudem ist die britische Wirtschaft 2018 fast so schnell gewachsen wie die deutsche (1,4 Prozent im Vergleich zu 1,5 Prozent). Damit fehlt den Briten trotz einer Vielzahl von Studien das Bewusstsein für die negativen Konsequenzen eines harten Brexit und auch die Motivation, wirtschaftlich nachhaltige Lösungen für den Brexit zu finden, ist kaum vorhanden.

Aktuelle Stimmungseintrübung groß genug?

Doch hierfür müssten diese Konsequenzen bereits im Vorfeld des Brexit sichtbar sein. Angesichts des aktuell florierenden Arbeitsmarktes scheinen die potenziellen Probleme des Austritts in weite Ferne gerückt zu sein, während Utopien einer britischen Unabhängigkeit viel Zustimmung finden. Allerdings scheint sich die britische Konjunktur nun zu drehen. Das kräftige Wachstum im ersten Quartal war u. a. vom Lageraufbau und vorgezogener Produktion geprägt. Dies sollte sich im zweiten Quartal negativ auf das Bip-Wachstum auswirken.

Auch haben sich die Stimmungsindikatoren gedreht: Sind sie nach dem Referendum angestiegen und auf einem hohen Niveau geblieben, ist seit Anfang 2019 ein deutlicher Einbruch zu erkennen. Ob dieser aus den politischen Unsicherheiten oder den wirtschaftlichen Risiken des Brexit resultieren, ist allerdings unklar.

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