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Aktualisiert am 14.11.2023 - 10:20 Uhrin VersicherungenLesedauer: 8 Minuten

Private Krankenversicherung (PKV) „Mehr als die Hälfte unserer Neukunden sind Wechsler aus der GKV“

Wiltrud Pekarek ist Diplom-Mathematikerin und Aktuarin. Sie arbeitet seit 1984 für die Hallesche, die heute zur ALH-Gruppe gehört.
Wiltrud Pekarek ist Diplom-Mathematikerin und Aktuarin. Sie arbeitet seit 1984 für die Hallesche, die heute zur ALH-Gruppe gehört.

DAS INVESTMENT: Die Kosten für Behandlungen im Krankenhaus sind auf Jahressicht um weitere rund 6 Prozent gestiegen. Um der schleichenden Kostenexplosion zuvorzukommen, will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das System der Fallpauschalen abschaffen. Wie bewerten Sie die aktuellen Reformvorschläge?

Wiltrud Pekarek: Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass die Politik das Thema anpacken will, um durchaus berechtigte Kritikpunkte am bisherigen System aufzugreifen. Es wurde vor zwei Jahrzehnten mit dem Ziel eingeführt, lange Liegezeiten in den Krankenhäusern zu vermeiden. Das war einerseits zum Wohl der Patienten gedacht. Es sollte aber andererseits auch einen Anreiz für mehr Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen bieten.

Das klingt in der Theorie sinnvoll.

Ja. In der Praxis schuf es für die Krankenhäuser aber auch die Möglichkeit, ihre Einnahmen durch eine höhere Zahl an Behandlungen zu steigern. Das ist nachvollziehbar, weil viele Kliniken
Schwierigkeiten haben, sich zu finanzieren. Doch im Fokus der Gesundheitspolitik darf nicht nur die reine Ökonomie stehen, sondern der medizinische Bedarf. Hierfür stellen die aktuellen Reformvorschläge zwar einen guten Anfang dar. Aber es reicht noch nicht. Denn auch wenn die
Qualität der Patientenversorgung wieder eine wichtige Rolle spielt, stoßen die Ausgaben hierfür immer noch an die Grenzen der Finanzierbarkeit.

Stichwort Finanzen: Inwiefern rechnen Sie damit, dass die veränderten Regeln für die gesetzlichen und privaten Krankenversicherer die Kosten im Gesundheitssystem spürbar senken?

Der erste Aufschlag hierfür ist gemacht. Neu ist im Konzept aus dem Lauterbach-Ministerium beispielsweise folgender Aspekt: Neben der Versorgungs- und Leistungsstufe werden künftig auch die sogenannten Vorhalteleistungen der Kliniken berücksichtigt. Das hilft, um ihre Grundversorgung in der Fläche stärker zu honorieren. Es eröffnet zudem die Chance, Ökonomie und Medizin in eine gute Balance zu bringen. Denn unser Ziel muss es auch weiterhin sein, Ineffizienzen zu beheben – sowohl im Krankenhaus als auch bei ambulanten Behandlungen. Die veränderten Fallpauschalen allein sind aber kein Selbstläufer, die per se zu niedrigeren Kosten führen.

Es sollte also weiterhin Anreize geben, Kosten zu sparen?

Ja. Es gibt aber durchaus auch gute Gründe, warum Gesundheit teurer werden darf. Das zeigen zum Beispiel die Versorgungsengpässe bei Medikamenten gegen das RS-Virus für Kinder. Teilweise benötigen wir in diesem Bereich mehr lokale Produktion von Arzneien, um nicht zu sehr von außereuropäischen Lieferanten abhängig zu sein. Und wenn wir es nicht schaffen, ausreichend Anreize für mehr Forschung und Entwicklung in Deutschland zu setzen, dann werden wir noch abhängiger. Das stellt eine große Herausforderung dar – eben auch, weil die Kosten dadurch steigen könnten. 

Die sogenannte medizinische Inflation spielt also auch künftig eine wichtige Rolle für die Krankenversicherer?

Ja. In der privaten Krankenversicherung, kurz PKV, definieren wir medizinische Inflation als die Steigerungsrate unserer Leistungsausgaben. Wir reden also nicht nur über die derzeit viel diskutierte Teuerung für Energierohstoffe aufgrund des Kriegs in der Ukraine. Zur allgemeinen Inflation kommen hier insbesondere höhere Kosten für neue Methoden und Medikamente. Medizinischer Fortschritt ist nämlich nicht umsonst zu haben und war uns als Gesellschaft während der Corona-Pandemie viel Geld wert. Hinzu kommen aber auch die seit damals von vielen geforderten Lohnsteigerungen in der Pflege. Die Deutsche Aktuarvereinigung schätzte den zehnjährigen Durchschnittswert der medizinischen Inflation 2019 auf etwa 2,5 Prozent pro Jahr. Diesen steigenden Trend können wir in etwa auch für die Hallesche bei unseren Leistungsausgaben bestätigen.

 

Das Geld hierfür kommt von Ihren Kunden. Viele von ihnen dürften sich davor fürchten, ihre PKV-Prämien als Rentner kaum noch bezahlen zu können.

In der privaten Krankenversicherung finanziert sich jede Generation selbst und ist nicht auf andere Generationen angewiesen. Das geschieht in der Praxis beispielsweise durch die verzinsten Alterungsrückstellungen, die unsere Versicherten in jüngeren Jahren für später aufbauen. Wenn es keine medizinische Inflation gäbe, wäre dadurch sogar ein konstanter Beitrag ohne zwischenzeitliche Erhöhungen theoretisch möglich. Insgesamt ist das PKV-System über die Kapitaldeckung nachhaltig finanziert. Denn es kommt ohne Zuschüsse aus Steuermitteln aus und belastet damit auch nicht die nachkommenden Generationen. 

Anders als die Gesetzliche Krankenversicherung, kurz GKV. Inwiefern beurteilen
Sie deren stetig steigende Bundeszuschüsse von aktuell 16,5 Milliarden Euro als gerechtfertigt?

Im Umlageverfahren der GKV finanziert die jüngere Generation die ältere. Doch das führt angesichts von immer mehr Rentnern in Deutschland dazu, dass die Jugend überfordert wird. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist das Verlagern der Kosten auf die Jüngeren also nicht sehr nachhaltig. Und wenn sich die Bevölkerungspyramide immer weiter umdreht, ist das bisherige Umlageverfahren kaum noch darstellbar. Eine zunehmende Steuerfinanzierung der Defizite wiederum belastet die jüngeren Generationen zusätzlich. Denn diese müssen die hierfür aufzunehmenden Staatsschulden später zurückzahlen.

Das klingt nicht gerade zukunftsfest.

Hallo, Herr Kaiser!

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Nein. Das Problem erinnert mich ein wenig an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Politik beim Klimaschutz auch die Interessen späterer Generationen beachten muss. Ungerechtigkeit herrscht insbesondere im Bereich der Pflegeversicherung. Denn deren Leistungen nutzen vor allem Ältere, sodass die bisherige Finanzierung hinterfragt werden muss. Noch ist es nicht zu spät für eine Reform der Finanzierung. Konkret empfehlen Experten der Bundesregierung hierfür eine stärkere Kapitaldeckung – so wie sich die PKV bereits heute finanziert.

Um ihre gestiegenen Kosten zu decken, erhöhten viele Krankenkassen in diesem Jahr stattdessen wieder einmal ihre Zusatzbeiträge. Verzeichnet Ihr Unternehmen deshalb nun ein gesteigertes Interesse von Kassenpatienten?

Bei dem auf eine neue Rekordhöhe gestiegenen GKV-Zusatzbeitrag von durchschnittlich 1,6 Prozent dürfte sich so mancher gesetzlich Krankenversicherter jetzt Gedanken machen. Der GKV-Höchstbeitrag für einen Kinderlosen beträgt in diesem Jahr einschließlich des Pflichtbeitrags zur sozialen Pflegeversicherung stolze 977,55 Euro. Wir sind da im direkten Vergleich bedeutend günstiger.

 

Was bedeutet das für Ihr Neugeschäft?

Es herrschen insgesamt gute Rahmenbedingungen für uns, denn mehr als die Hälfte unserer Neukunden sind Wechsler aus der GKV. Und ich erwarte nicht, dass die Attraktivität der PKV schlagartig nachlässt. Doch gute Startchancen allein sorgen noch nicht für neue Kunden: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Das Gesamtpaket für die Versicherten muss stimmen. Wir als Hallesche positionieren uns daher als lebenslanger Gesundheitspartner, der sich persönlich wie auch digital um seine Kunden kümmert. Daneben bemühen wir uns aber auch um einen guten Service für die Vermittler, die unsere Kunden im persönlichen Gespräch unter Vertrag nehmen.

Bleiben wir bei den Vertriebschancen: In welchen Teilbereichen der privaten Krankenversicherung erwarten Sie in diesem Jahr das höchste Wachstum?

Wir streben keine schnellen Erfolge an, und unser Fokus liegt weiterhin auf der privaten Krankheitskostenvollversicherung – nachhaltig finanziert mit dem Aufbau von Alterungsrückstellungen. Als weiteres Standbein wollen wir in diesem Jahr unser Geschäft mit Zusatzversicherungen ausbauen. Insbesondere die betriebliche Krankenversicherung, kurz bKV, ist noch ein junges Wachstumsfeld. Eine bKV kann für Unternehmen aus allen Sektoren interessant sein.

Gibt es bestimmte Branchen, für die das ganz besonders gilt?

Infolge der Corona-Pandemie verzeichnen wir aktuell vor allem in der IT-Branche eine verstärkte Nachfrage. Denn die Arbeitgeber wollen sich gegenüber potenziellen Bewerbern und ihren bestehenden Belegschaften als attraktiv und nachhaltig darstellen. Über ihr soziales Engagement für die Mitarbeiter per arbeitgeberfinanzierter bKV informieren sie Interessenten beispielsweise in ihren Nachhaltigkeitsberichten.

Worauf achten die Firmenkunden der Krankenversicherer dabei?

Auf Basis der Wünsche vieler Arbeitgeber haben wir neue Budgettarife entwickelt. Denn bei den Versicherten gibt es nur selten die gleichen Bedürfnisse. Bei diesen Policen mit pauschalen Summen entscheidet der Arbeitnehmer selbst, wofür er das Geld verwenden möchte – beispielsweise eher für Sehhilfen, Vorsorgeuntersuchungen oder eine professionelle Zahnreinigung. Unheimlich wichtig wären zudem mehr private ergänzende Pflegeversicherungen. 

 

Wie realistisch ist dort eine baldige Zunahme?

Ich bin skeptisch, dass es aktuell in größerem Stil gelingen wird, der Bevölkerung den Bedarf für diese Zusatzvorsorge näherzubringen. Daher bezweifle ich, dass wir hier bald große Erfolge im Vertrieb sehen werden. Eine Pflegereform hin zu mehr kapitalgedeckter Vorsorge könnte aber perspektivisch für Bewegung sorgen.

Über die Interviewte: 

Wiltrud Pekarek ist Diplom-Mathematikerin und Aktuarin. Sie arbeitet bereits seit 1984 für die heutige ALH-Gruppe und ist Mitglied der drei Vorstände des Konzerns. Sie verantwortet die Ressorts Produkte, Mathematik, Vertrag und Leistung im Bereich Krankenversicherung.

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