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Im Schattenmarkt des Anlegerschutzes: Vorsicht vor Textbausteinen

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Gerade dies kann aber ein Hinweis auf die tatsächliche Qualität der anwaltlichen Arbeit sein. Ob Anlegerinteressen erfolgreich durchgesetzt oder Vertrieb und sonstige Beteiligte vor unberechtigten Ansprüchen geschützt werden sollen: Die Arbeit am konkreten Sachverhalt ist das Entscheidende. Mehr noch als durch die Kenntnis auch des 27. Urteils zum vermeintlich gleichen Sachverhalt können hier durch Fehler scheinbar klare Ansprüche verloren beziehungsweise aussichtslose Fälle gewonnen werden. Ein Originalzitat hierzu aus einem Urteil des Landgerichts Mainz vom 26. April 2010:

„Hierbei hat das Gericht den Einwand des Beklagten geprüft, dass der Klagevortrag zu angeblichen Beratungsfehlern bei der Vermittlung des XY-Fonds im Wesentlichen auf anwaltlichen „Textbausteinen“ also nicht auf eigenen Tatsachenvortrag (Paragraf 139 Absatz 1 ZPO) der Klagepartei beruht. In Anlegerprozessen kommt es häufig vor, dass der anwaltliche Klägervortrag aus zusammenkopierten Bruchstücken aus einer Vielzahl von Anwaltsschriftsätzen besteht, wobei angebliche Beratungspflichtverletzungen wahllos aneinandergereiht werden. Solche Textbausteine sind ein Anwendungsfall eines sogenannten Prozessvortrags ins Blaue hinein. Regelmäßig geben solche Textbausteine nicht den Klagesachverhalt wieder, wie er sich tatsächlich ereignet hat oder wie ihn die Klagepartei selbst erinnert hat. Es handelt sich vielmehr um (fiktiven) anwaltlichen Tatsachenvortrag, der in einer Vielzahl von Prozessen – unabhängig von konkreten Geschehen – vorgetragen wird, um Lücken im klägerischen Vortrag zu füllen.“

Bei dieser Präambel der Urteilsbegründung verwundert es kaum, dass der Kläger den Prozess verlieren musste, obwohl das Gericht anschließend die behaupteten Beratungsfehler noch Stück für Stück prüfte. Selbst wenn es auf den ersten Blick imposant und auch bequem erscheint, wenn der beauftragte Anwalt praktisch ohne eigenes mühevolles Kramen in alten Unterlagen und Kalendern einen Schriftsatz von 20 Seiten oder mehr erstellt, welcher mit einer langen Liste aller Beratungsfehler und zahlreichen Rechtssprechungszitaten gespickt ist – die Schilderung der konkreten historischen Situation bleibt für einen erfolgreichen Prozess unverzichtbar.

Abwehr von Schadenersatzansprüchen trotz Beratungsmängel möglich

Dies gilt auch im umgekehrten Fall. Selbst bei Produkten, bei denen die seinerzeitigen Vertriebsunterlagen und Schulungsleitlinien deutliche Mängel enthielten, können im Einzelfall andere Aspekte des konkreten Einzelfalls doch zu einer erfolgreichen Abwehr des Schadensersatzanspruches führen.

Wer nachweisen kann, dass seinerzeit der Anlageinteressent gar keine nähere Beratung wünschte oder auf Grund des „drohenden“ Jahresendes und dem Vorbild seiner Kollegen aus der gleichen Abteilung unbedingt noch dieses Produkt am 28. Dezember zeichnen wollte, kann auch bei einer schlechten Ausgangssituation noch erfolgreich sein.

Auch hierfür gibt es zahlreiche Beispiele. So hat beispielsweise selbst die durchweg kritische Rechtsprechung der Frankfurter Gerichte zu einigen notleidenden DG-Fonds (DG Immobilien-Anlagen) konstatiert, dass es bei entsprechendem Vortrag im Einzelfall durchaus an der sogenannten Kausalität der nach dortiger Auffassung mangelhaften Prospekte für die Anlageentscheidung fehlen könne.

Nach derartigen Aspekten muss der erfahrene Anwalt im Kapitalmarktrecht im Vorfeld fragen; sein Mandant muss sie aufbereiten. Selbst im professionellen Umfeld von Finanzdienstleistern ist hierbei manchmal das verständliche, aber wenig zielführende, Argument zu hören, dass ein mühevolles Suchen in alten Dateien oder Akten doch viel Arbeit bereite. Die enormen Chancen einer solchen Sisyphusarbeit im Einzelfall sollten versöhnlicher stimmen.

Beratungsdokumentation als Waffe vor Gericht

Dies gilt auch für die gesetzlichen und faktischen Protokollierungspflichten. Nicht nur Verbraucherschützer wie die Stiftung Warentest haben inzwischen erkannt, dass der scheinbar lästige Aufwand der Dokumentation im Falle eines Falles eine Waffe sein kann, welche sich gegen den Anleger richtet. Denn eine entsprechende Dokumentation belegt nicht nur etwaige Aufklärungsmängel, sondern bietet oft auch umfängliche Argumentationshilfen zu den wahren Beweggründen, den Vorkenntnissen und den Zielen im Rahmen einer getätigten Kapitalanlage.
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