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Teure Anschlusskredite: Was nun auf Eigentümer zukommt

Wer im Januar 2022 ein Haus oder eine Wohnung gekauft hat, hatte noch gute Chancen auf einen Immobilienkredit mit einem Zinssatz rund um 1 Prozent. Eineinhalb Jahre später sieht die Situation völlig anders aus – nach einem zwischenzeitlichen Anstieg auf mehr als 4 Prozent, haben sich die Bauzinsen mittlerweile zwischen 3 und 4 Prozent eingependelt. Viele potenzielle Käufer schreckt das ab, das Neukredit-Volumen ist stark eingebrochen. Die Zinswende trifft allerdings nicht nur Neukäufer, sondern auch Eigentümer, die einen Anschlusskredit für ihre Immobilie benötigen. Die Befürchtung: Viele können ihre Raten durch die höheren Kosten nicht mehr bezahlen, im schlimmsten Fall drohe die Zwangsversteigerung.
„Im Moment haben wir noch eine relativ entspannte Situation, weil der überwiegende Teil der Finanzierungen für zehn Jahre oder länger festgeschrieben ist“, beruhigt Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg. Käufer, die nun eine Anschlussfinanzierung benötigen, müssten zwar teils etwas schlechtere Konditionen hinnehmen – allerdings noch auf moderatem Niveau. Hinzu kommt, dass Eigentümer in der Zwischenzeit bereits einen Teil des Darlehens tilgen konnten.
Kurzlaufende Finanzierungen dürften Käufer vor Probleme stellen – sind allerdings die Ausnahme
Probleme könnten Käufer bekommen, die sich für eine Zinsbindungsfrist von fünf Jahren entschieden haben und nun einen neuen Kredit abschließen müssen. In den meisten Fällen seien solche kurzlaufenden Finanzierungen allerdings nur eine Teillösung, schränkt Just ein. Ganz ignorieren könne man das Problem aber nicht: „Vor allem Haushalte, die ihre Finanzierung auf Kante genäht haben, könnten Schwierigkeiten bei der Anschlussfinanzierung bekommen“.
Hilfen für Eigentümer vom Staat, wie bereits vereinzelt von Politikern gefordert, hält Tobias Just aber – aus gesamtwirtschaftlicher Sicht – für nicht notwendig: „Staatliche Rettungshilfe wäre gefragt, wenn ein systemisches Risiko, also die Gefahr einer Finanz- und Bankenkrise, besteht – vergleichbar mit der Situation 2008 in den USA.“ Davon sei Deutschland aber weit entfernt. Dass es zu einer Zwangsversteigerung kommen könne, sei Teil des Anlagerisikos bei Immobilien. Dieses Risiko könne der Staat nicht gänzlich nehmen.
Auch Johannes Mayr, Chefvolkswirt beim Investmenthaus Eyb & Wallwitz, sieht aktuell keine Gefahr für einen Crash am Immobilienmarkt: Lange Laufzeiten und konservative Finanzierungen mit hohem Eigenkapitalanteil „begrenzen das Risiko sowohl auf Seiten der Kreditnehmer als auch auf Seiten der Banken“, schreibt Mayr in einem Gastbeitrag für DAS INVESTMENT.
Zahl der Zwangsversteigerungen leicht gestiegen, aber noch auf niedrigem Niveau
Die Zahl der Zwangsversteigerungen sei daher sehr niedrig. „Selbst bei einem weiteren kräftigen Zinsanstieg wird sich daran kurzfristig wenig ändern“, meint Mayr. Das liege auch am deutlich gesunkenen Anteil von variablen Hypothekenkrediten, der sich mit weniger als zehn Prozent mehr als halbiert habe.
Dem Portal Argetra zufolge, das Termine und Informationen zu Zwangsversteigerungen in Deutschland bereitstellt, zeichnet sich für 2023 nach drei Jahren mit rückläufigen Zahlen bereits eine Wende ab. So seien in den ersten sechs Monaten des Jahres 6.379 Immobilien mit einem Verkehrswert von insgesamt 1,96 Milliarden Euro zur Versteigerung aufgerufen worden. Im Vorjahrszeitraum waren es knapp 6.250 mit einem Volumen von 1,66 Milliarden Euro gewesen.
Wohnimmobilien machen mit 68 Prozent den größten Anteil an allen anberaumten Zwangsversteigerungen aus. Davon entfielen 46 Prozent auf Ein- und Zweifamilienhäuser sowie 22 Prozent auf Eigentumswohnungen. Bei knapp 15 Prozent handelte es sich um Versteigerungen von Grundstücken. Für das Gesamtjahr sei „angesichts eines anhaltend schwierigen Umfelds mit hoher Inflation und hohen konjunkturellen Unsicherheiten“ mit einem weiteren Anstieg zu rechnen, heißt es im Halbjahresbericht des Unternehmens.
Große Finanzierungswelle kommt noch: Härtetest am Immobilienmarkt ab 2025
Immobilienexperte Johannes Mayr rechnet mit einem Härtetest am Immobilienmarkt ab dem Jahr 2025. Dann stehen Kredite der großen Finanzierungswelle, die es seit 2015 gab, zur Refinanzierung an. „Für das Risiko eines Immobilien-Crashs in Deutschland ist also weniger das aktuelle Zinsniveau entscheidend, als vielmehr die Finanzierungskonditionen in den kommenden Jahren“, so der Volkswirt. Dass die Zinsen dann zumindest wieder etwas niedriger sind, hält Mayr aber für „sehr wahrscheinlich“.
Ähnlich sieht das Immobilienprofessor Tobias Just: „In zwei bis drei Jahren wird sich die Problematik zeigen, weil dann die sehr niedrigen Zinsen abgelöst werden müssen.“ Nach Einschätzung des Experten könnte uns das Problem aktuell höchstens aus anderen Ländern erreichen – in vielen süd-, ost- und nordeuropäischen Ländern seien variable Zinsen bei Baufinanzierungen gängig. Dadurch wachse das Risiko für regionale Banken sowie internationale Institute mit starkem Geschäft in entsprechenden Ländern – und das könne wiederum auch innerhalb der EU Auswirkungen haben.
In Deutschland führen die hohen Zinsen Professor Just zufolge zu anderen Problemen: Mehr Menschen drängten auf den Mietmarkt, die unter anderen Umständen gekauft hätten. Zudem werde deutlich weniger gebaut. „Dieser doppelte Effekt ist auf den Vermietungsmarkt bereits jetzt zu spüren“, so der Experte. Die Mieten zögen bereits jetzt beschleunigt an. Durch sinkende Kaufpreise und steigende Mieten könnte allerdings wieder „ein neues Gleichgewicht“ auf dem Immobilienmarkt entstehen, meint Just. Für Investoren wäre dann wieder eine auskömmliche Rendite drin, das würde Investitionen ankurbeln.
Auf der nächsten Seite: Wie Baufinanzierungsvermittler die Lage einschätzen und was sie Eigentümern raten, die bald eine Anschlussfinanzierung benötigen.
Baukreditvermittler gibt Entwarnung: Nur wenige „kritische“ Finanzierungen
Baufinanzierungsvermittler Interhyp bezweifelt, dass es durch das neue Zinsniveau zu einem Härtetest am Immobilienmarkt kommt. „Menschen, die in der Niedrigzinsphase zwischen 2015 und 2021 finanziert haben, haben sich die günstigen Zinsen sehr lange gesichert“, erklärt Mirjam Mohr, Vorständin für das Privatkundengeschäft. So lägen die Zinsbindungsfristen im Schnitt zwischen 12,5 und 14 Jahren bei in der Regel hohen Tilgungssätzen von mehr als 3 Prozent. „Damit ist zum Termin der Anschlussfinanzierung schon ein großer Teil des Kredits zurückgeführt“, so Mohr.
Der Kreditvermittler hat alle Baudarlehen seiner Kunden, für die zwischen 2024 und 2026 eine Anschlussfinanzierung ansteht, analysiert. Als „kritisch“ gelte ein Anschlusskredit, wenn die neue Rate – unter Berücksichtigung des aktuellen Zinsniveaus – größer als 150 Prozent der alten Rate sei sowie höher liege als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens. Das Ergebnis: Beim aktuellen Zins von unter 4 Prozent für zehn Jahre Zinssicherheit seien nur 2 Prozent aller Finanzierungen als kritisch einzustufen, heißt es von Interhyp. Sofern die makroökonomischen Bedingungen sich nicht ändern, es also etwa nicht zu hoher Arbeitslosigkeit kommt, sei damit zu rechnen, „dass Menschen, die in diesem Zeitraum eine Immobilie erworben haben, diese auch nahtlos weiterfinanzieren können“, sagt Vorständin Mohr.
Eigentümer, die jetzt einen Anschlusskredit benötigen, könnten oftmals sogar mit einer ähnlich hohen Rate rechnen, erklärt die Immobilien-Expertin: „Dafür gibt es drei Gründe: Zunächst hatten wir im Zeitraum 2010/2011 ein ähnliches Zinsniveau wie heute, Finanzierende haben sich damals die Zinsen im Schnitt für zwischen 11,7 und 11,5 Jahre gesichert. Zweitens: Als die Zinsen dann nach unten gegangen sind, haben sich immer mehr Kunden für eine längere Zinsbindung entschieden. Und drittens sind die Immobilienpreise in der Zwischenzeit stark gestiegen, das kann sich bei einer Neubewertung der Immobilie positiv auf die Rate auswirken.“
Hinzu komme, dass es im ersten und zweiten Quartal 2022 einen Ansturm auf Anschlusskredite und sogenannte Forward Darlehen gegeben habe, mit denen sich Eigentümer aktuelle Konditionen für einen späteren Zeitpunkt sichern können. Das bestätigt Wettbewerber Dr. Klein. Einige Eigentümer hätten zudem ihr Sonderkündigungsrecht nach zehn Jahren genutzt und Kredite vorzeitig umgeschuldet. Die Zahl der Kunden, die Anschlussfinanzierungen benötigen, werde in den kommenden Jahren stetig steigen, heißt es von Dr. Klein. „Mit Abstand die meisten Anschlussfinanzierungen stehen in den Jahren 2030 bis 2032 an“, so Baufinanzierungs- und Kreditberater Henning Ludwig.
Wer jetzt einen Anschlusskredit für seine Erstfinanzierung von 2013 benötigt, komme bei gleichbleibender Tilgung kaum auf eine höhere Monatsrate, rechnet Ludwig vor. Bei einem vor zehn Jahren abgeschlossenen Darlehen über 300.000 Euro zu einem Zins von 2,1 Prozent, lag die Rate bei einer Tilgung von 2,5 Prozent bei 1.150 Euro. Wer nun zu 3,9 Prozent für 20 Jahre nachfinanziert, kommt auf die gleiche Monatsrate – muss im Jahr 2043 aber für die 53.000 Euro Restschuld gegebenenfalls nochmals einen Kredit aufnehmen. Wollen Käufer das Darlehen nach 20 Jahren vollständig abbezahlt haben, müssen sie – der Beispielrechnung zufolge – eine etwas höhere Monatsrate von knapp 1.300 Euro zahlen.
Was Eigentümer bei der Anschlussfinanzierung beachten sollten
Eigentümern, die nun einen Anschlusskredit benötigen, raten die Baufinanzierungsvermittler zur Besonnenheit: „Wichtig ist grundsätzlich: Keine Angst vor der Anschlussfinanzierung“, meint Interhyp-Vorständin Mohr. Abwarten sei nur eine Option, wenn Käufer die fällige Restschuld aus Erspartem bezahlen könnten.
Grundsätzlich sollten Eigentümer die Anschlussfinanzierung genauso ernst nehmen wie die Erstfinanzierung ihrer Immobilie, rät die Expertin. Wenn die Zeit bis zur Nachfinanzierung weniger als drei Jahre betrage, sei eine Beratung sinnvoll. Bevor sie einen Termin vereinbarten, sollten Käufer einen genauen Blick auf ihre Finanzen werfen, so Mohr. Müssten Haus oder Wohnung saniert werden, sollte das ebenfalls in die Überlegungen einfließen.
Sinnvoll sei zudem, den bestehenden Kreditvertrag genau zu prüfen. Gibt es die Möglichkeit, Sondertilgung zu leisten? Solche Einmalzahlungen könnten die Restschuld deutlich verringern. Einige Banken ermöglichen zusätzlich einen Wechsel des Tilgungssatzes. Steht Eigentümern nun mehr Geld zur Verfügung, etwa durch eine Gehaltserhöhung, könnten sie in solchen Fällen ihre Rate erhöhen – entsprechend niedriger wird die Belastung beim Anschlusskredit.
Auch bei der Anschlussfinanzierung selbst gibt es Stellschrauben: Käufer sollten so viel Eigenkapital wie möglich einbringen, rät Dr.-Klein-Experte Henning Ludwig. Zudem könnten Eigentümer längere Laufzeiten prüfen. „Zinsaufschläge für lange Zinsbindungen fallen derzeit deutlich geringer aus“, meint Ludwig. Unter Umständen sei eine Festschreibung für 20 Jahre sogar günstiger als für 15 Jahre. Auch ein Forward-Darlehen könne sich noch lohnen, meint Mirjam Mohr von Interhyp. Die Aufschläge seien nach wie vor moderat und zum Teil sogar gesunken.
Ein weiterer Tipp der Vermittler: Sich unbedingt einen Überblick über den Markt zu verschaffen und Angebote zu vergleichen. Eine Umschuldung zu einer neuen Bank könne sich lohnen, obwohl dabei Kosten anfallen. Eine neue Bank bewertet auch den Wert der Immobilie neu. „Weil die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind und Eigentümer bereits viel abbezahlt haben, sinkt in vielen Fällen der Beleihungsauslauf – und die Konditionen werden besser“, erklärt Mohr. Das könne die Kosten eines Bankwechsels von einigen hundert Euro oft mehr als kompensieren.
Kurz und knapp: Die wichtigsten Tipps für den Anschlusskredit
Die wichtigsten Tipps der Baufinanzierungsvermittler Interhyp und Dr. Klein kurz zusammengefasst:
- Rechtzeitig mit der Anschlussfinanzierung befassen: Abwarten ist nur eine Option, wenn man die fällige Restschuld aus Reserven bezahlen kann, die nicht anderweitig verplant sind. Um sich die aktuellen Konditionen zu sichern, können Käufer auch einige Zeit im Voraus ein Forward-Darlehen abschließen.
- Einen Blick in den aktuellen Kreditvertrag werfen: Nutze ich bereits vereinbarte Sondertilgungen? Kann ich die Tilgung erhöhen? Das senkt die Restschuld, die dann neu finanziert werden muss.
- Eigene finanzielle Situation prüfen und sich beraten lassen: Muss meine Immobilie energetisch saniert/umgebaut werden und wie kann ich das finanzieren? Kann ich Eigenkapital in die Anschlussfinanzierung einbringen? Habe ich monatlich mehr Geld zur Verfügung als bei Abschluss der Erstfinanzierung?
- Angebote vergleichen: Gerade im steigenden Zinsmarkt ist ein Marktvergleich wichtig. Viele Banken locken Neukunden mit guten Angeboten.
- Umschuldung prüfen: Bei einem Bankwechsel fallen zwar Kosten an, bessere Konditionen können das aber mehr als wettmachen. Ein Grund: Eine neue Bank bewertet auch die Immobilie neu – bei den in den vergangenen Jahren gestiegenen Kaufpreisen kann sich das positiv auf den Zins auswirken.