Die Immobilienmärkte in Deutschland sortieren sich derzeit neu. Steigende Baukosten, volatile Energiepreise und der anhaltende Fachkräftemangel im Handwerk verändern die Spielregeln. Wo früher die Maxime galt „kaufen, sanieren, weiterverkaufen“, zählen heute Kalkulation, Energieeffizienz und Lagequalität mehr als zuvor. Worauf kommt es beim Investieren in Betongold heute an? Wie wichtig ist der Faktor Energie noch?
Energiepreise und Zinsen: Die neue Realität am Markt
2022 gingen die Energiepreise steilt nach oben. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Gaspreise für Nicht-Haushalte im ersten Halbjahr um fast 39 Prozent gegenüber dem zweiten Halbjahr 2021. Viele Geschäftsmodelle im Bestandsgeschäft verloren an Glanz und wurden plötzlich unrentabel.
Ankauf, Sanierung und der Verkauf von Immobilien mit Gewinn, wurde so zur Chef- und Expertensache. Schaut man heute, einige Jahre später, in die Preisliste zeichnet sich eine Stabilisierung ab.
Die Energiepreise haben sich eingependelt. Materialengpässe gehen zurück. Handwerkerkosten sinken leicht. Zinsen gehen zurück. Damit entsteht wieder Spielraum. Vor allem für Investoren, die strategisch vorgehen.
Handwerker-Krise bleibt
So knapp und teuer wie 2022 sind Handwerker nicht mehr. Der Rückgang des Neubaus hat Kapazitäten freigesetzt, von denen der Bestand profitiert. Wer heute sanieren möchte, kann wieder verlässlicher planen.
Größte Voraussetzung: Ein belastbares Netzwerk, auf das man sich verlassen kann. Das ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, gerade wenn es um energetische Nachrüstungen oder Heizungstausch geht.
Allerdings bleibt das Genehmigungsverfahren eine Hürde: Bürokratische Verzögerungen bei Sanierungen oder Umwidmungen erschweren schnelle Projekte. Interessenten sollten daher frühzeitig klären, ob ein Objekt in die Kategorie „zügig umsetzbar“ fällt. Oder ob aufwendige Abstimmungen mit Denkmalschutz, Bauamt und Energiebehörde drohen.
Sanierungsobjekte: Günstig, aber nicht automatisch wirtschaftlich
Auf Onlineportalen sind vermehrt unsanierte Häuser zu finden. Viele Verkäufer hoffen, Sanierungsstau gegen Preisabschlag zu tauschen. Doch wirtschaftlich sind diese Objekte nur selten interessant. Der Grund: Banken verlangen inzwischen detaillierte Sanierungspläne. Ohne solide Finanzierung wird der Erwerb schwierig.
In der Praxis heißt das: Der vermeintlich günstige Kaufpreis wird durch hohe Modernisierungskosten schnell relativiert. Besonders riskant sind Gebäude, die zwischen 1950 und 1970 errichtet wurden. Meist energetisch schwach, oft mit Altlasten in der Haustechnik. Von diesen „worst performing buildings“ sollten Investoren die Finger lassen.
Besser: Immobilien, die bereits in den 1980er-Jahren gebaut oder später modernisiert wurden. Diese verfügen häufig über eine solide Grundsubstanz und Dämmung, sodass ein effizienter Heizungstausch wirtschaftlich sinnvoll bleibt. Das sind Projekte, die das Invest in Betongold wieder kalkulierbar machen.
A- und B-Lagen: Chancenverschiebung im Markt
Und was macht das mit dem guten, alten Kredo „Lage, Lage, Lage“? Fakt ist:
Während zentrale Toplagen in Städten wie Hamburg, München oder Frankfurt nach wie vor ein knappes Gut sind, verschiebt sich die Nachfrage zunehmend in wirtschaftlich stabile Mittelstädte.
Das sind klassische B-Lagen ab 200.000 Einwohnern bis zu den Top Seven. Kiel, Essen, Leipzig, Augsburg gehören dazu. Dort treffen sich vergleichsweise niedrige Einkaufspreise auf konstant starke Nachfrage. Spürbare Preisvorteile, ohne auf Lebensqualität verzichten zu müssen kommen on top.
Zudem gibt es vor Ort steigendes Interesse an Bestandswohnungen, die sich mit überschaubarem Aufwand modernisieren lassen. Die geringeren Erwerbskosten schaffen Luft für Sanierungen. Und verbessern langfristig die Energieeffizienz und den Wiederverkaufswert.
Aus der Praxis für die Praxis: How to energetische Sanierung
Zwei Fälle aus der Praxis zeigen, wie energetische Sanierungen trotz Widrigkeiten funktionieren:
Fall 1: Mehrfamilienhaus in Kiel
Objekt: Mehrfamilienhaus mit 21 Einheiten in Mühlenberg (Kiel)
Ansatz: Aufteilung in einzelne Wohnungen inklusive Flächenoptimierung. Überarbeitung der Gemeinflächen und Durchführung einer großzügigen energetischen Sanierung (Fassadendämmung, neue Fenster, Dachsanierung, neue Heizung, neue Balkone). Zusätzlich erfolgte die Sanierung freier Wohnungen und deren Verkauf. Wichtig waren Gespräche mit Mietern zu Alternativwohnungen und konfliktfreiem Umzug.
Ergebnis:
- Gesamtinvestitionskosten: 4.700.000 Euro bei 1.227 Quadratmetern
- Verkaufserlös: 5.890.000 Euro
- Überschuss 1.190.000 EUR = 25 Prozent Return on Investment (ROI) bei einer Projektlaufzeit von 18 Monaten
Fall 2: Zwei Vierparteienhäuser in Oldenburg
Objekt: Zwei Vierparteienhäuser mit großen Maisonette-Wohnungen und guten Rahmendaten für Studenten WGs in der Cloppenburger Straße (Oldenburg)
Ansatz: Überarbeitung von Gemeinflächen und Außenbereich. Zusätzliche Sanierung zwei freier Wohnungen und Verkauf mit WG-Konzept und Mietgarantie. Außerdem erfolgte die Bedarfsdeckung der Mieterwünsche und Renovierung.
Ergebnis:
- Gesamtinvestitionskosten: 2.040.000 Euro bei 653 Quadratmetern
- Verkaufserlös: 2.500.000 Euro
- Überschuss 460.000 Euro = 23 Prozent ROI bei einer Projektlaufzeit von 11 Monaten
Tipps: So sollten Investoren heute kaufen
Wer sich als Investor heute für eine Immobilie entscheidet, sollte mehrere Punkte besonders beachten:
- Energieeffizienz prüfen, nicht nur Lage.
Häuser mit bestehender Dämmung oder moderner Heiztechnik bieten Spielraum für moderate Nachrüstungen. Ein Heizungstausch ist leichter finanzierbar als eine Komplettsanierung. - Finanzierung realistisch kalkulieren.
Banken legen striktere Maßstäbe an. Ein schlüssiger Sanierungsplan mit Kostenschätzung und Zeitplan erhöht die Chancen auf Kreditbewilligung erheblich. - Regionale Perspektive nutzen.
In B-Lagen sind die Mietrenditen oft höher. Wer sich langfristig orientiert, kann hier Vermögen aufbauen. Bei geringerer Eintrittshürde als in Metropolen. - Schnelligkeit durch Netzwerk.
Ob Handwerker oder Energieberater: Wer auf feste Partner zurückgreifen kann, verkürzt Projektzeiten - „Worst-Performing Buildings“ vermeiden.
Objekte mit sehr negativer Energiebilanz außen vor lassen. Lieber auf Jahrgänge aus den 1980er setzen.
Fazit: Die Verhältnisse haben sich geändert
Das Investieren in Wohnungen und Häuser bleibt weiterhin die attraktivste Form des Vermögensaufbaus. Wichtig für 2025 und darüber hinaus: Finanzierung, Standort, Netzwerk und Objektauswahl so gründlich wie möglich prüfen, bevor es ans Eingemachte geht.
Über den Autor:
Stephan Gerlach ist Geschäftsführer der 2018 gegründeten Gerlach Immobilien Gruppe. Das Unternehmen mit 45 Mitarbeitern ist auf Ankauf, Sanierung und Verkauf von Mehrfamilienhäusern spezialisiert.
