Volkswirt Johannes Mayr
Zinsanstieg: Crasht jetzt der Immobilienmarkt?

Volkswirt Johannes Mayr
Der Immobilienmarkt war über die vergangenen Jahre eine zentrale Stütze des globalen Konjunktur- und Finanzzyklus und hat enorme gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Die aktuelle Preiskorrektur schürt deshalb Sorgen vor einem Absturz. Denn der Markt ist aus Sicht vieler Beobachter deutlich überbewertet. Allein 2021 und im ersten Halbjahr 2022 legten die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland um j...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Der Immobilienmarkt war über die vergangenen Jahre eine zentrale Stütze des globalen Konjunktur- und Finanzzyklus und hat enorme gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Die aktuelle Preiskorrektur schürt deshalb Sorgen vor einem Absturz. Denn der Markt ist aus Sicht vieler Beobachter deutlich überbewertet. Allein 2021 und im ersten Halbjahr 2022 legten die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland um jeweils rund 10 Prozent zu und haben sich damit seit 2010 in etwa verdoppelt. Die Mieten sind in dieser Zeit nur halb so stark gestiegen. Nun hat der Zyklus jedoch gedreht. In vielen Regionen sinken die Preise bereits.
Der IWF geht in seinem Finanzstabilitätsbericht auf Sicht von drei Jahren von einem Preisrückgang von etwa 11 Prozent in den Industrieländern und 24 Prozent in den Schwellenländern aus. In den USA wie auch in Deutschland sind die Preise vom Hochpunkt zur Jahresmitte 2022 bereits um etwa 5 Prozent gesunken.
Eine Korrektur in der Größenordnung der IWF-Projektionen ist gesamtwirtschaftlich gut beherrschbar. Deutlich problematischer wäre ein Preisverfall analog zur Finanzkrise ab 2007 um 20 bis 30 Prozent. Denn eine starke Korrektur hat stets das Potenzial, eine Finanzkrise und eine Rezession auszulösen – auf nationaler wie auch auf globaler Ebene.
Die zentrale Frage lautet: Wann und wie kommen Preise und Fundamentaldaten wieder ins Gleichgewicht? Denkbare Szenarien sind neben einem Soft Landing und einem Crash auch ein struktureller Anstieg der Fundamentalwerte (No Landing).
Wie schnell sich ein neues Marktgleichgewicht einstellt, hängt an der Entwicklung des Angebots relativ zur Nachfrage. Und in beiden Bereichen sind zyklische und strukturelle Entwicklungen zu unterscheiden. Das lässt sich am Beispiel Deutschlands zeigen.
Auf der Nachfrageseite ist die Zinsentwicklung kurzfristig der wichtigste Markttreiber. Mit dem Einstieg der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die globale Zinswelle 2022 stark an Fahrt aufgenommen. Noch hat sie ihren Höhepunkt nicht erreicht. Infolgedessen haben sich die Finanzierungskonditionen am Immobilienmarkt global erheblich verschärft.
In den USA haben sich die Hypothekenzinsen 2022 von 3 auf über 7 Prozent mehr als verdoppelt und liegen damit so hoch wie letztmals Anfang der 2000er Jahre. In Deutschland fällt der Anstieg der jährlichen Finanzierungskosten von einem Prozent auf 4 Prozent relativ sogar noch stärker aus.
Angesichts der hohen Zinssensitivität der Nachfrage kommt diese deshalb spürbar unter Druck. Das zeigt der Bank Lending Survey der EZB. Demnach ist die Kreditnachfrage im ersten Quartal 2023 regelrecht eingebrochen, nachdem das Volumen im Kreditneugeschäft seit dem Hoch im Frühjahr 2022 bis Jahresende bereits um rund zwei Drittel gesunken war. Das kommt nicht überraschend. Denn angesichts der deutlich gestiegenen durchschnittlichen Kreditvolumina hat sich die monatliche Zins- und Tilgungsbelastung einer Finanzierung in vielen Fällen fast verdoppelt.
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