Volkswirt Johannes Mayr
Zinsanstieg: Crasht jetzt der Immobilienmarkt?
Aktualisiert am 19.12.2023 - 15:38 Uhr
Johannes Mayr ist Chefvolkswirt der Anlagegesellschaft Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz / Canva
In der Immobilienbranche herrscht schlechte Stimmung: Die Haus- und Wohnungspreise fallen, doch wegen des Zinsanstiegs können sich immer weniger Menschen ein Eigenheim leisten. Hier erklärt Johannes Mayr von der Anlagegesellschaft Eyb & Wallwitz, wie es dazu kam.
Mittelfristig wirken zudem ein strukturell weiter steigender Bedarf an Wohnraum sowie niedrige Realzinsen nachfragestabilisierend. Zwar bleiben die demografischen Projektionen für Deutschland negativ und unterstellen ein anhaltendes Geburtendefizit.
Demografie, Homeoffice und Zuwanderung stützen Nachfrage
Eine erhöhte Zuwanderung – die im Zuge der Covid-Krise stark eingebrochen war – sowie der ungebremste Wunsch nach mehr Wohnraum pro Kopf geben der Nachfrage vor allem in städtischen Regionen aber noch spürbar Rückenwind. Für die kommenden Jahre gehen Schätzungen für Deutschland von einer Netto-Zuwanderung im Bereich von 300.000 Menschen...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Mittelfristig wirken zudem ein strukturell weiter steigender Bedarf an Wohnraum sowie niedrige Realzinsen nachfragestabilisierend. Zwar bleiben die demografischen Projektionen für Deutschland negativ und unterstellen ein anhaltendes Geburtendefizit.
Demografie, Homeoffice und Zuwanderung stützen Nachfrage
Eine erhöhte Zuwanderung – die im Zuge der Covid-Krise stark eingebrochen war – sowie der ungebremste Wunsch nach mehr Wohnraum pro Kopf geben der Nachfrage vor allem in städtischen Regionen aber noch spürbar Rückenwind. Für die kommenden Jahre gehen Schätzungen für Deutschland von einer Netto-Zuwanderung im Bereich von 300.000 Menschen pro Jahr aus. Damit könnte die Einwohnerzahl von heute gut 83 Millionen bis 2030 auf 86 Millionen steigen. Zudem hat die Covid-Krise durch die Etablierung von Homeoffice-Arbeitsplätzen die Nachfrage nach Wohnraum strukturell weiter erhöht.
Der Trend zu mehr Wohnraum pro Kopf wird wohl anhalten. Seit 2010 legte er um rund 10 Prozent zu, seit 1995 um 25 Prozent. Selbst bei einer deutlich rascheren Ausweitung des Angebots wird der derzeitige Überhang bei der Nachfrage somit wohl nicht vor 2025 abgebaut.
Und die Attraktivität von Immobilien für Investoren als Sachwerte wird mittelfristig hoch bleiben. Denn die realen Zinsen dürften trotz Zinswende der Notenbanken niedrig bleiben und die Sorge vor einem Wiederaufflammen der Inflation dürfte Anleger auch nachhaltig stärker in realen Asset-Klassen halten.
Immobilienpreise sinken weiter
Trotz dieser stabilisierenden Faktoren ist ein weiterer Rückgang der Immobilienpreise in Deutschland kurzfristig sehr wahrscheinlich. Das gilt auch deshalb, da viele Verkäufer die Realität einer sinkenden Nachfrage noch nicht akzeptiert haben, weshalb das Transaktionsvolumen derzeit ungewöhnlich gering ist.
Das Potenzial für die Preiskorrektur wird unter anderem auch an den hohen Bewertungsniveaus festgemacht. Gängige Bewertungskennzahlen wie die Relationen von Kaufpreisen und Annuitäten zu Jahreseinkommen und Jahresmieten sind im Zuge des Booms der vergangenen Jahre um etwa 50 Prozent gestiegen. Die Kaufpreise entsprechen derzeit in etwa dem 28-fachen Jahresmietertrag.
Ein ähnliches Niveau war nur zum Hochpunkt des Wiedervereinigungs-Booms Mitte der 1990er Jahre zu verzeichnen. Zu einem erheblichen Teil dürfte sich die Lücke zwischen Preisen und Fundamentalwerten aber durch steigende Mieten schließen. Die derzeitige Verlagerung der Nachfrage auf den Mietwohnungsmarkt begrenzt damit die Fallhöhe am Immobilienmarkt.
Entscheidend für Investoren ist neben der Frage, wie tief der Fall wird, auch ob und welche Zweitrundeneffekte sich daraus ergeben. Denn die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Immobilienmarktes ist hoch.
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