Volkswirt Johannes Mayr
Zinsanstieg: Crasht jetzt der Immobilienmarkt?
Aktualisiert am 19.12.2023 - 15:38 Uhr
Johannes Mayr ist Chefvolkswirt der Anlagegesellschaft Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz / Canva
In der Immobilienbranche herrscht schlechte Stimmung: Die Haus- und Wohnungspreise fallen, doch wegen des Zinsanstiegs können sich immer weniger Menschen ein Eigenheim leisten. Hier erklärt Johannes Mayr von der Anlagegesellschaft Eyb & Wallwitz, wie es dazu kam.
In Deutschland entfällt ein erheblicher Anteil von etwa zwei Drittel des Nettovermögens der Haushalte auf Immobilien. Spiegelbildlich stehen Hypothekenkredite für rund 70 Prozent der Kreditforderungen des deutschen Bankensystems. Allein 35 Prozent entfallen auf Wohnimmobilienkredite.
In vielen Ländern sind die Größenordnungen vergleichbar. Dennoch scheint das Risiko für die Finanzstabilität zumindest auf Sicht der kommenden Jahre begrenzt. Der hohe Anteil an festverzinslichen Finanzierungen mit langen Laufzeiten sowie die konservativeren Finanzierungsstrukturen mit höherem Eigenkapitalanteil begrenzen das Risiko sowohl auf Seiten der Kreditnehmer als auch...
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In Deutschland entfällt ein erheblicher Anteil von etwa zwei Drittel des Nettovermögens der Haushalte auf Immobilien. Spiegelbildlich stehen Hypothekenkredite für rund 70 Prozent der Kreditforderungen des deutschen Bankensystems. Allein 35 Prozent entfallen auf Wohnimmobilienkredite.
In vielen Ländern sind die Größenordnungen vergleichbar. Dennoch scheint das Risiko für die Finanzstabilität zumindest auf Sicht der kommenden Jahre begrenzt. Der hohe Anteil an festverzinslichen Finanzierungen mit langen Laufzeiten sowie die konservativeren Finanzierungsstrukturen mit höherem Eigenkapitalanteil begrenzen das Risiko sowohl auf Seiten der Kreditnehmer als auch auf Seiten der Banken.
So ist die effektive durchschnittliche Zinsbelastung trotz der Zinswende auch 2022 noch weiter gesunken und liegt mit rund 1,5 Prozent am verfügbaren Einkommen auf historisch niedrigem Niveau. Entsprechend gering und sogar weiter rückläufig war bis zuletzt die Zahl von Zwangsversteigerungen. Selbst bei einem weiteren kräftigen Zinsanstieg wird sich daran kurzfristig wenig ändern. Das liegt auch am deutlich gesunkenen Anteil von variablen Hypothekenkrediten, der sich auf unter zehn Prozent mehr als halbiert hat.
Härtetest ab 2025
Zudem spielt eine Rolle, dass auf Grund der langen Zinsbindungen von durchschnittlich zehn Jahren die große Finanzierungswelle ab dem Jahr 2015 erst ab 2025 zur Refinanzierung ansteht. Für das Risiko eines Immobilien-Crashs in Deutschland ist also weniger das aktuelle Zinsniveau entscheidend, als vielmehr die Finanzierungskonditionen in den kommenden Jahren. Und für diesen Zeitraum erscheint ein zumindest wieder etwas niedrigeres Zinsniveau sehr wahrscheinlich.
Auch das Risiko für die Bauwirtschaft scheint bei einem moderaten Rückgang von Nachfrage und Preisen begrenzt. Denn auch hier haben sich kaum Überkapazitäten aufgebaut. Die Zahl der Beschäftigten liegt aktuell mit etwa einer Million rund 40 Prozent unter dem Niveau Mitte der 1990er Jahre. Auf jeden Arbeitslosen entfällt aktuell eine offene Stelle. Zudem könnte eine strukturell stärkere Nachfrage des Staates zum Ausbau der Infrastruktur eventuell entstehende Unterauslastungen zu einem erheblichen Teil füllen.
Ein Immobilien-Crash ist in Deutschland wenig wahrscheinlich
Gerade für mittelfristig orientierte Anleger besteht mit Blick auf den deutschen Immobilienmarkt deshalb kein Grund für Panik. Vielmehr dürften sich perspektivisch interessante Investitionsmöglichkeiten eröffnen. Das gilt sowohl für Direktengagements als auch den Aktien- und Anleihenmarkt. Kurzfristig sollten Anleger sich aber auf Volatilität und Preisrückgänge einstellen.
Auf globaler Ebene ist das Bild vielschichtiger. Die größten Risiken gibt es in China. Dort hat eine unkontrollierte Korrektur des Immobilienbooms der vergangenen Jahre zweifellos das Potenzial, die chinesische Wirtschaft und damit die globale Konjunktur in eine Rezession zu reißen. Weitere regionale Risiken liegen in Ländern mit einem hohen Anteil an variablen Finanzierungen – etwa in einigen osteuropäischen und skandinavischen Ländern.
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- Seite 1 − Die Immobiliennachfrage bricht ein
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