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Kapitalanlage im Zukunftsmarkt „In Indien setzen wir auf drei Wachstumsthemen“

Junge Inderinnen an einem Feiertag
Junge Inderinnen an einem Feiertag: Beteiligungen an indischen Unternehmen bieten Chancen durch steigende Einkommen, lokalen Konsum und den Trend zur globalen Diversifizierung der Lieferketten. | Foto: Imago Images / Hindustan Times

Herr Rajah, was reizt Sie als Portfoliomanager an Indien?

Sukumar Rajah, Franklin Templeton

Sukumar Rajah: Indien durchläuft den gleichen Trend der Urbanisierung und des Wachstums der mittleren Einkommen, den China in den 2000er-Jahren erlebt hat. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass das Pro-Kopf-Einkommen in Indien von derzeit 2.200 US-Dollar jährlich bis 2030 auf 4.700 US-Dollar ansteigt. Zum Vergleich: In Deutschland liegt das Pro-Kopf-Einkommen bei mehr als 46.000 US-Dollar, in den USA sogar bei über 64.000 US-Dollar. China ist mittlerweile bei 14.000 US-Dollar angekommen. Sobald eine wachsende Zahl von Verbrauchern ein Jahreseinkommen von mehr als 3.000 US-Dollar erzielt, kommt es in der Regel zu einem raschen Anstieg des Konsums, insbesondere von Gebrauchsgütern und langlebigen Gütern.

Inwieweit trägt die zunehmende Urbanisierung zu steigenden Haushaltseinkommen bei?

Rajah: Prognosen zufolge werden bis 2030 rund 40 Prozent der indischen Bevölkerung in Städten leben, gegenüber 34 Prozent im Jahr 2018. Stadtbewohner verfügen über ein höheres Einkommen; eine Umfrage aus dem Jahr 2015 ergab, dass nur 25 Prozent der Haushalte in ländlichen Gebieten über ein Einkommen von mehr als 129 US-Dollar pro Monat verfügten, während dieser Anteil in Städten und Ballungszentren auf 55 Prozent angestiegen ist. Durch die Verstädterung nimmt zudem die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu. Bislang liegt sie im nationalen Durchschnitt bei 30 Prozent.

Womit hängt denn die höhere Erwerbstätigkeit von Frauen zusammen?

Rajah: In Städten erhalten sie besseren Zugang zu Bildung, können Verkehrsmittel nutzen, werden medizinisch versorgt und entkommen patriarchalischen Strukturen. Schätzungen zufolge würde eine höhere Partizipation von Frauen Indiens Bruttoinlandsprodukt um 2 Prozent erhöhen – pro Jahr.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für die zunehmende Urbanisierung?

Rajah: Indische Verbraucher mit mittlerem Einkommen profitieren vom Leapfrog-Effekt durch Mobile First, also den ausschließlichen Internetzugang über das Smartphone. Sie treiben damit zugleich das Wachstum des digitalen Zahlungsverkehrs voran: Bei Verbrauchern mit mittlerem Einkommen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie digitale Zahlungen nutzen, um fast 50 Prozent höher als bei den unteren Einkommensgruppen.

Angesichts des noch geringen Pro-Kopf-BIP dürfte der Konsum von im Land hergestellten Gütern eine besonders wichtige Rolle für die Verbraucher spielen: Der Binnenmarkt wird folglich weiterhin wachsen, oder?

Rajah: Die Konsummuster werden durch indische Besonderheiten geprägt, darunter die Vorliebe für indische Lebensmittel und Getränke, Körperpflegeprodukte und die Bevorzugung von indischen Eigenmarken. Das Beratungsunternehmen Bain schätzt, dass der Umsatzanteil von Eigenmarken bei Bekleidung und Lebensmitteln bis 2030 auf 50 Prozent des Einzelhandelsumsatzes steigen wird, gegenüber einem Anteil von derzeit lediglich 5 bis 10 Prozent.

Wie sieht es bei Dienstleistungen aus?

Rajah: Derzeit geben die Inder weltweit am wenigsten für Unterhaltung aus: 2 bis 3 Prozent der Ausgaben gegenüber 11 Prozent in China und 16 Prozent in den Vereinigten Staaten. Die Erkenntnisse aus anderen Märkten – sowohl aus den Schwellenländern als auch aus den Industrieländern – zeigen, dass die Verbraucher mit steigendem Einkommen zu kostenpflichtigen Unterhaltungsinhalten wechseln. Heute zahlen weniger als 10 Prozent der indischen Zuschauer für Videoinhalte. Die Zahl der Abonnements für Bezahldienste steigt jedoch rasch an, allen voran das erschwingliche Streaming von Inhalten in Höhe von 15 US-Dollar pro Jahr. Steigende Einkommen könnten in Indien bis 2030 allein dieses Segment auf 200 Milliarden US-Dollar wachsen lassen.

Covid-19 und geopolitische Konflikte haben die Lieferketten durcheinandergewirbelt, wovon Indien profitiert. Inwiefern kommt die Diversifizierung der globalen Lieferketten dem Land zugute?

Rajah: Globale Hersteller tendieren inzwischen zu einer China+1-Strategie; sie lassen in China und in mindestens einem weiteren Land produzieren. Dieser Trend veranlasst beispielsweise große südkoreanische und taiwanesische Hersteller dazu, in Indien zu investieren, um neuen regulatorischen Überraschungen und weiteren Lockdowns in China begegnen zu können.

Indiens großer Pool an gut ausgebildeten und qualifizierten Arbeitskräften in Kombination mit hoher Rechtssicherheit und immer besserer Infrastruktur ist ein wichtiger Anreiz für Investitionen. Außerdem wächst Indiens Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter jährlich um 10 Millionen Menschen. Das Durchschnittsalter liegt bei niedrigen 28 Jahren – Deutschland: 45 Jahre – und wird bis 2030 auf 31 Jahre ansteigen. Interessant ist auch der Blick auf den Abhängigkeitsquotient. Er zeigt das Verhältnis der wirtschaftlich abhängigen Bevölkerung; also der noch nicht Erwerbsfähigen und nicht mehr Erwerbsfähigen, zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Die Prognosen sehen den Abhängigkeitsquotient bis 2030 bei 0,47, verglichen mit 0,52 in China und 0,61 in den Vereinigten Staaten.

Um jährlich 10 Millionen Menschen neu in Arbeit zu bringen, bedarf es der entsprechenden Strukturen und einer soliden konjunkturellen Entwicklung. Indiens Premier Modi hat mit seinem Kabinett in den vergangenen Jahren wichtige Reformen auf den Weg gebracht.

Rajah: Ja, aber das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Reformen hat schon früher eingesetzt. Dadurch verfügt die Generation der Millennials über ein deutlich höheres Bildungsniveau als die Generation X. Die Herausforderung für die Politik besteht darin, ein Umfeld zu schaffen, das der Schaffung von Arbeitsplätzen sowohl für diese versierten Stadtbewohner als auch für ihre Altersgenossen auf dem Land dienlich ist. Das Bewusstsein über die Herausforderungen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen hat dazu beigetragen, dass in den vergangenen zehn Jahren eine Reihe von Programmen zur Verbesserung der finanziellen Integration, zur Verringerung der Korruption und zur Schaffung eines berechenbareren Steuersystems auf den Weg gebracht worden sind.

Könnten Sie die Programme näher beschreiben?

Rajah: Jandhan ist ein Programm zur finanziellen Integration, das allen Bürgern den Zugang zu einem Bankkonto ermöglichen soll. Mit Aadhar, dem weltweit größten biometrischen Identifikationssystem, erhalten die Inderinnen und Inder eine persönliche Identifikationsnummer, um sämtliche Staatsleistungen in Anspruch nehmen zu können. Und schließlich wurde landesweit eine Mehrwertsteuerreform auf den Weg gebracht.

Und wie kommen diese Maßnahmen bei den Menschen an?

Rajah: Die positiven Auswirkungen spiegeln sich im Doing-Business-Index der Weltbank wider. Indiens Platz in der Rangliste verbesserte sich von 142 im Jahr 2014 auf 63 im Jahr 2021. Noch ein Beispiel: Während sich die Pandemie stark auf die Entwicklung der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen (ADI) ausgewirkt hat und die ADI rund um die Welt um 35 Prozent auf 1 Billion US-Dollar im Jahr 2020 zurückgingen, stiegen die ADI in Indien um 27 Prozent auf 64 Milliarden US-Dollar. Die Sektoren Technologie, Industrie und Gesundheitswesen ziehen den größten Anteil an ausländischen ADI in Indien an.

In welche Bereiche geht das Geld konkret?

Rajah: Indiens Regierung hat Anreize unter anderem in der Elektronik- und Halbleiterindustrie gesetzt. Insgesamt werden über einen Zeitraum von fünf Jahren Zuschüsse im Wert von 40 Milliarden US-Dollar gewährt. Von den 14 Branchen, für die Zuschüsse bereitgestellt werden, entfällt fast die Hälfte auf die Elektronik, einschließlich Halbleiter, und die erneuerbaren Energien.

Lassen Sie uns näher auf den Technologiesektor eingehen, was müssen Anleger dazu wissen?

Rajah: Der indische Technologiesektor steigerte seinen Umsatz im Finanzjahr 2022 um 16 Prozent auf 22 Milliarden US-Dollar. Die Bereiche Cloud, Cybersicherheit, Daten und künstliche Intelligenz verzeichneten die höchsten Wachstumsraten. In den nächsten vier Jahren soll der Umsatz um 12,5 Prozent auf 36 Milliarden US-Dollar jährlich steigen. Das indische Technologie- und Outsourcing-Geschäft wurde 2019 auf 154 Milliarden US-Dollar geschätzt, begünstigt durch Arbeitskosten, die für Softwareentwickler weniger als ein Zehntel der Kosten in den Vereinigten Staaten und Europa betragen. Das indische Modell für das Outsourcing von Geschäftsprozessen ist weltweit führend und behält seinen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten auf den Philippinen, in Polen und China, während fortwährend die Wertschöpfung gesteigert wird.

Wie sieht es bei erneuerbaren Energien aus?

Rajah: Indien hat sich ein Ziel von 450 Gigawatt für erneuerbare Energien bis 2030 gesetzt. 62 Prozent der vorgesehenen Kapazität sollen auf die Solarenergie entfallen. Schon jetzt ist Indien auf einem guten Weg: Die derzeitige Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Indien entspricht 39 Prozent der gesamten Stromproduktion. Den Prognosen zufolge würden erneuerbare Energien bis 2030 56 Prozent der Gesamtproduktion stellen.

Zugleich soll Indiens Stromerzeugung jährlich um 9 Prozent wachsen. Das hängt eng mit den eingangs erwähnten Megatrends Urbanisierung und wachsende Mittelschicht zusammen. Diese Konvergenz sorgt für steigende Einkommen, lokalen Konsum und globale Diversifizierung der Lieferketten. Auf genau diese drei Themen konzentriert sich unser Investmentteam: Für den Zeitraum 2022 bis 2025 wird für Indien das schnellste Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern prognostiziert. In Kombination mit Reformen im Steuerwesen und im Bankensektor entsteht ein aussichtsreiches Umfeld für Unternehmen, um die Chancen zu nutzen, die dieses eindrucksvolle Wachstum mit sich bringen wird.

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