Indexfonds in Europa „In welche ETFs fließt das meiste Geld, Herr Scharl?“
Was erwarten Sie generell für den europäischen ETF-Markt?
Peter Scharl: Aktuell kommt der europäische Markt auf rund eine Billion Euro Volumen. Wir rechnen damit, dass er sich in den nächsten drei bis vier Jahren in etwa verdoppelt, auf fast 2 Billionen Euro. Innerhalb des Marktes entwickelt sich das Segment der Privatanleger seit einigen Jahren besonders dynamisch, und das dürfte auch so bleiben. Dafür gibt es unserer Ansicht nach drei Gründe: Erstens, dass Privatbanken ihre Geschäftsmodelle neu ausrichten und im Private Banking zunehmend auf Flat-Fee-Modelle umstellen. Diese lassen sich mit ETFs besonders effizient umsetzen. Zweitens bieten unabhängige Vermögensverwalter vermehrt Lösungen auf ETF-Basis an, um den erhöhten Dokumentationspflichten gerecht zu werden und sich noch stärker auf ihre Kernkompetenz konzentrieren zu können – sprich die Beratung. Und schließlich haben digitale Plattformen wie Robo Advisor und Neo-Broker einen neuen Vertriebskanal...
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Was erwarten Sie generell für den europäischen ETF-Markt?
Peter Scharl: Aktuell kommt der europäische Markt auf rund eine Billion Euro Volumen. Wir rechnen damit, dass er sich in den nächsten drei bis vier Jahren in etwa verdoppelt, auf fast 2 Billionen Euro. Innerhalb des Marktes entwickelt sich das Segment der Privatanleger seit einigen Jahren besonders dynamisch, und das dürfte auch so bleiben. Dafür gibt es unserer Ansicht nach drei Gründe: Erstens, dass Privatbanken ihre Geschäftsmodelle neu ausrichten und im Private Banking zunehmend auf Flat-Fee-Modelle umstellen. Diese lassen sich mit ETFs besonders effizient umsetzen. Zweitens bieten unabhängige Vermögensverwalter vermehrt Lösungen auf ETF-Basis an, um den erhöhten Dokumentationspflichten gerecht zu werden und sich noch stärker auf ihre Kernkompetenz konzentrieren zu können – sprich die Beratung. Und schließlich haben digitale Plattformen wie Robo Advisor und Neo-Broker einen neuen Vertriebskanal eröffnet, der zusätzliche Anlegergruppen erschließt. Sparpläne auf ETFs werden bei deutschen Anlegern immer beliebter. Wir rechnen damit, dass die Zahl der ETF-Sparpläne in Deutschland bis zum Jahr 2025 auf 9 Millionen Verträge steigen wird. Dies sind 2 Millionen mehr als bislang angenommen.
Warum liegt der europäische Markt im Vergleich zu den USA so weit zurück?
Scharl: In den USA kam der erste ETF 1993 auf den Markt, in Europa erst im Jahr 2000. Aufgrund seiner längeren Historie ist der US-Markt gereifter als sein europäisches Pendant, und ETFs sind in den USA bereits noch stärker verbreitet. Europa holt auf, kommt jedoch von einer niedrigeren Basis. Hier ist der ETF-Markt im vergangenen Jahr mit 12 Prozent gewachsen. In den USA hat der Markt um 11 Prozent zugelegt.
Woher kommt das Wachstum?
Scharl: Die wesentlichen Treiber sind neue regulatorische Standards, ein erhöhtes Kostenbewusstsein der Anleger sowie neue Vertriebsmodelle wie die zunehmende Verbreitung von Flat-Fee-Modellen im Private Banking und neue digitale Vertriebskanäle wie Robo Advisor oder Neo-Broker.
In welchen ETF-Segmenten erwarten Sie die höchsten Zuflüsse?
Scharl: Nachhaltige Geldanlage ist sowohl am ETF-Markt als auch in der gesamten Finanzbranche das große und übergeordnete Thema, über alle Anlageklassen und Regionen hinweg. Wir gehen davon aus, dass das weltweit in nachhaltigen Indexfonds und ETFs verwaltete Vermögen bis 2030 um eine Billion Dollar auf 1,2 Billionen Dollar anwächst. Denn ETFs eignen sich sehr gut, um Nachhaltigkeit im Portfolio umzusetzen. Sie begünstigen Kontrolle, Konsistenz, Standardisierung, Widerstandsfähigkeit und Stewardship.
Zudem wächst das Segment der Anleihe-ETFs besonders dynamisch. 2020 verpasste es nur knapp ein neues Rekordjahr, was die Nettozuflüsse betrifft. Innerhalb des Segmentes fielen jedoch einige Rekorde – beispielsweise bei Investmentgrade-Produkten, die mit 73,6 Milliarden Dollar 30 Prozent des gesamten Neugeschäftes mit Anleihen-ETFs ausmachten. Dementsprechend bauen wir unser Lösungsspektrum gerade auch in den Bereichen nachhaltiger und Anleihen-ETFs kontinuierlich und gezielt aus.
Mal als Anbieter von aktiven und Index-Fonds gefragt: In welchen Fällen sind ETFs für Anleger unschlagbar, und wann sind aktive Fonds eindeutig besser?
Scharl: Grundsätzlich gilt: Je niedriger die Liquidität, je weniger Analysten, je weniger Effizienz, desto aussichtsreicher ist ein Marktsegment für aktive Manager. Zudem gibt es Marktsegmente, die sich über ETFs nicht gut abbilden lassen und daher aktiv gemanagte Lösungen brauchen, zum Beispiel im Bereich der Privatmarktanlagen. Daher entfalten indexbasierte und aktiv gemanagte Anlagestrategien ihre Vorteile besonders gut im Zusammenspiel.
Bei Fonds wie den jüngst aufgelegten Renten-ETFs frage ich mich, wie Sie bei 20 Basispunkten im Jahr noch was verdienen wollen.
Scharl: ETFs sind im Wesentlichen ein Skalengeschäft, sprich die Kosten nehmen mit zunehmender Größe tendenziell ab. Gerade das Anleihesegment wächst seit einigen Jahren besonders dynamisch. Dies führt dazu, dass eine Reihe von iShares-Bond-ETFs inzwischen auf mehr als eine Milliarde Euro beziehungsweise Dollar verwaltetes Vermögen angewachsen sind. Die Skaleneffekte, die sich daraus ergeben, kommen Anlegern in Form attraktiver Gebühren zugute.