Berater-Soziodemografie In welchen Landkreisen die jüngsten Vermittler leben – und wo die ältesten
Es ist zwar eine Nische, aber es ist eine große Berufsgruppe. Genau 40.359 Finanzanlagenvermittler wies die Statistik der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zum 1. Oktober 2023 aus. Dabei handelt es sich ausschließlich um Vermittler, die nach Paragraf 34f Gewerbeordnung ein Gewerbe angemeldet haben. Eingetragene Versicherungsvermittler (über 180.000) sind hier nicht mitgezählt.
Und es ist eine Berufsgruppe, die (wieder) wächst. Nach einigen schwächeren Jahren steuert die Zahl der Finanzvermittler auf alte Rekorde zu. Den bisherigen Höchststand vermeldete die Kammer im September 2014, mit damals 41.217 Registrierungen.
Wir wollten mehr über die Berufsgruppe und ihre Kunden wissen. Wie sieht die Altersstruktur bei den Finanzvermittlern aus? Wachsen junge Vermittler nach? Wer betreut wieviel Vermögen? Und: Gehen jüngere Kundinnen und Kunden der Vermittler größere Risiken bei der Anlage ein als ältere?
Wieder erweist sich die gemeinsame Auswertung von DAS INVESTMENT und dem Maklerpool Fondsnet als Quelle spannender Erkenntnisse. Fondsnet hat exklusiv für DAS INVESTMENT rund 600.000 aktive Konten von rund 6000 Vermittlern ausgewertet, natürlich streng anonymisiert. Die Ergebnisse lassen aufhorchen.
Die meisten Vermittler sind älter
Der durchschnittliche Finanzvermittler ist kein Youngster. Das Gros ist über 50 Jahre alt. Rund zwei Drittel (65,3 Prozent) der Vermittler waren zum Erhebungszeitpunkt (30. September 2023) älter als 50 Jahre. Dazu kommen etwas mehr als 20 Prozent, die zwischen 40 und 49 Jahre alt sind. Von den „Jüngeren“ sind immerhin noch 10,5 Prozent zwischen 30 und 39 Jahre alt. Nur 3,8 Prozent sind zwischen 18 und 29 Jahre alt.
Die gute Nachricht: Der Nachwuchs kommt. Die Zahl der unter 40-Jährigen nimmt langsam zu, seit 2020 beschleunigt sich die Entwicklung. Weisen die Fondsnet-Daten für 2020 noch 8,67 Prozent Unter-40-Jährige auf, waren es Ende September 2023 immerhin schon 14,3 Prozent. Die Grafik „Der Nachwuchs kommt“ zeigt die Entwicklung verschiedener Altersklassen von 2008 bis heute.
Ältere betreuen den Großteil der Bestände
Schauen wir uns den Bestand an, den die Vermittler der verschiedenen Altersklassen betreuen, ergibt sich ein ähnliches Bild. Der größte Teil des Bestandes der Fondsnet-Vermittler liegt bei der Berater-Generation 50+. Diese Gruppe betreut tatsächlich knapp 80 Prozent des Vermögens, also überproportional viel, da diese Altersgruppe ja nur rund 65 Prozent der Vermittler stellt. Weitere Details und die Entwicklung von 2008 bis heute sind in der Grafik „Das große Geld“ dargestellt.
Die Gründe hierfür dürften naheliegend sein. Berater brauchen eine Zeit, bis sie sich einen ansehnlichen Kundenbestand, und damit entsprechend große Volumina, aufgebaut haben. Zudem ist es so, wie in vielen Branchen, dass das Geschäft nicht unbedingt auf die eigenen Kinder übertragen wird. Die gehen meist lieber ihre eigenen Wege.
Finanzvermittler, die ihr Geschäft aus Altersgründen aufgeben, können natürlich ihren Bestand verkaufen. Aber auch dafür brauchen die Nachwuchs-Vermittler Geld, das sie im Zweifel nicht haben. Und so steigen eher etwas ältere Kollegen ein. Zudem wissen wir aus dem Beitrag „Die Geschlechterfrage“, dass junge Vermittler überdurchschnittlich viel junge Kunden im Bestand haben. Das betreute Vermögen ist entsprechend geringer.
Die große Deutschlandkarte
Der Fondsnet-Datenbestand beinhaltet auch die Durchschnittsalter der Vermittler in Deutschland nach Landkreisen sortiert. Daraus ist ein Überblick in Form einer Landkarte entstanden. Für fast alle Landkreise stehen Daten zur Verfügung, nur bei wenigen gibt es keine Angaben (grau gekennzeichnet). Je älter die Vermittler im Schnitt sind, desto dunkler ist der jeweilige Landkreis eingefärbt.
Es ergibt sich ein sehr gemischtes Bild. Ein Trend wird aber deutlich: Der Norden und vor allem der Osten weisen viele alte Landkreise auf. So beträgt das Durchschnittsalter an der Grenze zu Dänemark im Kreis Schleswig-Flensburg 60 Jahre. An der Grenze zu Polen haben wir an der Ostsee, im Landkreis Vorpommern-Greifswald, sogar ein Durchschnittsalter der Vermittler von 65 Jahren. Denselben hohen Wert verzeichnen wir auch zum Beispiel im Landkreis Görlitz.
Aber auch in anderen Gegenden der Republik ist das Durchschnittsalter hoch, teilweise sogar noch höher. Zwei Beispiele: Der Altmarkkreis Salzwedel weist einen Durchschnitt von 70 Jahren auf, Worms verzeichnet sogar 71.
Einige Regionen wirken dagegen jung. Bayern überrascht mit vielen hellen (also jungen) Landkreisen. Aber auch die Städteregion Aachen (Durchschnittsalter: 34) sowie der Landkreis Northeim (28) und der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte (28) ragen heraus.
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Bei aller Freude beim Klicken durch die Regionen muss aber einschränkend erwähnt werden, dass natürlich gerade in dünnbesiedelten Regionen schon wenige junge oder alte Vermittler einen großen Einfluss auf den Durchschnitt haben können.
Der persönliche Kontakt zählt
Ein weiterer Aspekt der Fondsnet-Auswertung bezieht sich auf die räumliche Entfernung zwischen Kunden und ihren Vermittlern. Das Gros aller Kunden fährt im Durchschnitt zwischen 20 und 60 Kilometern zu ihrem Berater. Sind die Kunden älter als 55 Jahre, sind die Distanzen noch kürzer.
Aber auch bei 20 bis 30 Jahre alten Kunden zählt die Nähe zum Vermittler. Die Grafik „Nähe ist wichtig“ zeigt einen Ausschnitt der Daten, reduziert auf Entfernungen bis 100 Kilometer, für den Gesamtschnitt und für die beiden erwähnten Altersgruppen.
Andreas Poth, der bei Fondsnet die Datenauswertung und Analyse betreut, hat dafür eine einfache Erklärung parat. „Der persönliche Kontakt ist einfach unheimlich wichtig“, sagt Poth. Telefon und Internet seien als Kontakt zwischen Vermittlern und Kunden zwar eingeführt, spielten aber nicht die entscheidende Rolle.
Poth nennt aus der Praxis, aber natürlich anonymisiert, zwei extreme Beispiele. So habe ein Berater sein Geschäft stark auf Kommunikation über das Internet getrimmt. Und tatsächlich, so Poth, verteilten sich hier die Kunden über ganz Deutschland. Am anderen Ende stehe ein Berater, bei dem 80 Prozent der Kunden weniger als 50 Kilometer vom Vermittler entfernt lebten.
Jung investiert riskant – gilt das noch?
Abschließend zum Thema Alter hat Fondsnet einen Blick auf den Kundenbestand der Vermittler nach Alter und Anlageklassen geworfen und zudem das Ganze als Zehn-Jahres-Vergleich (2013 zu 2023) ausgewertet. Auf einen schnellen Blick bestätigt sich eine alte Erkenntnis: Jüngere legen riskanter an als ältere.
So hatten im Jahr 2013 Kunden, die zwischen 30 und 39 Jahre alt waren, zu gut 46 Prozent Aktienfonds im Depot. Bei den 60 bis 69 Jahre alten Kunden betrug der Aktienanteil im Jahr 2013 nur noch gut 30 Prozent.
Für das Jahr 2023 ergibt sich ein ähnliches Bild. Bei den 30 bis 39 Jahre alten Kunden sind zu über 49 Prozent Aktienfonds im Depot. Die Vergleichsgruppe der 60 bis 69 Jahre alten Kunden hat im Jahr 2023 einen Aktienfondsanteil von gut 34 Prozent im Depot.
Bemerkenswert ist, dass die Kunden über alle Altersgruppen hinweg heute mehr Geld in Aktienprodukte investieren als noch vor zehn Jahren; und dass das Umschichten in risikoärmere Produkte im Alter langsamer vonstatten geht als früher. Der Aktienanteil wird immer größer, zu Lasten von Immobilienfonds und Mischfonds, deren Anteil latent zurückgeht.
Erklärungen dafür können vielschichtig sein. Sicher hat die lange Phase niedriger Zinsen die Attraktivität von Aktien in diesem Zeitraum deutlich erhöht. Außerdem haben die Berater ihren Teil dazu beigetragen, indem sie ihre Kunden auf die rentablen Aktienprodukte aufmerksam gemacht haben.
Eine weitere Hypothese: Von 2013 bis 2023 ging es an den Aktienmärkten überwiegend bergauf. Wer nicht dabei war, musste Angst haben, Rendite zu verpassen. Ein Phänomen, das auch als „Fomo“ bekannt ist („fear of missing out“).
Zudem traten die ETFs, und eben auch viele Aktien-ETFs, in dieser Zeit ihren Siegeszug an, wie wir es im Beitrag „Von wegen passiv: Wie der ETF die Bundesrepublik eroberte“ in der vergangenen Woche hier in der Rubrik Fondsatlas beschrieben haben.
Wenn aber die Börsen haussieren, dann kann die „Angst, etwas zu verpassen“ größer werden als die „Angst, etwas zu verlieren“ – ein klassisches Szenario, das zu einer vermehrten Anlage in Aktien führt.