Kapitalabflüsse aus Indien Der Drache beißt den Tiger
Indien gilt seit Monaten als große Erfolgsgeschichte im Kapitalmarkt. Doch nun zogen im Oktober ausländische Investoren mehr als 10 Milliarden US-Dollar aus indischen Aktien ab – das war der größte monatliche Kapitalabfluss seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie.
Die beiden wichtigsten Aktienindizes des Landes verzeichneten im Oktober zudem ihre stärksten monatlichen Verluste seit März 2020. Der Nifty 50 gab um 6,2 Prozent nach, während der Sensex einen Rückgang von 5,8 Prozent verbuchte. Parallel dazu fiel die Rupie nahe an ihr historisches Tief gegenüber dem US-Dollar. War es nur ein kurzes Durchatmen in der langen Erfolgs-Rally? Oder der Auftakt einer längeren Korrektur?
„Die Korrektur im indischen Aktienmarkt sollte man zunächst im Kontext der Börsenentwicklung in ganz Asien sehen – außer in Taiwan lagen alle Aktienmärkte der Region im Oktober im Minus“, erklärt Claus Born, institutioneller Portfoliomanager für Franklin Templeton. „Allerdings fiel die Korrektur in Indien etwas höher aus als in einigen anderen Märkten, von einem hohen Niveau nach der starken Performance seit letztem Jahr.“ Überraschend sei die jüngste Korrektur nicht gekommen, erklärt Born.
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Indien gilt seit Monaten als große Erfolgsgeschichte im Kapitalmarkt. Doch nun zogen im Oktober ausländische Investoren mehr als 10 Milliarden US-Dollar aus indischen Aktien ab – das war der größte monatliche Kapitalabfluss seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie.
Die beiden wichtigsten Aktienindizes des Landes verzeichneten im Oktober zudem ihre stärksten monatlichen Verluste seit März 2020. Der Nifty 50 gab um 6,2 Prozent nach, während der Sensex einen Rückgang von 5,8 Prozent verbuchte. Parallel dazu fiel die Rupie nahe an ihr historisches Tief gegenüber dem US-Dollar. War es nur ein kurzes Durchatmen in der langen Erfolgs-Rally? Oder der Auftakt einer längeren Korrektur?
„Die Korrektur im indischen Aktienmarkt sollte man zunächst im Kontext der Börsenentwicklung in ganz Asien sehen – außer in Taiwan lagen alle Aktienmärkte der Region im Oktober im Minus“, erklärt Claus Born, institutioneller Portfoliomanager für Franklin Templeton. „Allerdings fiel die Korrektur in Indien etwas höher aus als in einigen anderen Märkten, von einem hohen Niveau nach der starken Performance seit letztem Jahr.“ Überraschend sei die jüngste Korrektur nicht gekommen, erklärt Born.
Fundamentale Warnsignale häufen sich
Die Wachstumsdynamik der indischen Wirtschaft zeigt jedenfalls Bremsspuren. Das BIP-Wachstum verlangsamte sich im zweiten Quartal auf 6,7 Prozent – das schwächste Wachstum seit fünf Quartalen.
Auch die Unternehmensgewinne gehen zurück. Laut Goldman Sachs überwiegen die negativen Überraschungen bei den Quartalszahlen die positiven. Die Investmentbank stufte daraufhin indische Aktien von „übergewichten“ auf „neutral“ herab. Selbst Konsumgüterhersteller berichten von einer gedämpften Nachfrageentwicklung.
Solange es jedoch keine dramatischen Herabstufungen bei den Gewinnprognosen der indischen Unternehmen auf breiter Basis gebe, bleibe Born entspannt. „Die inländischen Kapitalzuflüsse sind weiterhin robust und auch weitaus höher als die Abflüsse der ausländischen Anleger. Das Interesse indischer Investoren an indischen Aktien scheint weiterhin ungebrochen.“
Bewertungen bleiben anspruchsvoll
Trotz der jüngsten Korrekturen bleibt das Bewertungsniveau am indischen Aktienmarkt hoch. Der MSCI India wird mit dem 24-fachen der erwarteten Gewinne gehandelt und liegt damit sogar leicht über dem Niveau des S&P 500 mit einem KGV von etwa 23.
„Das Bewertungsniveau des MSCI India liegt ungefähr 10 bis 15 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Zum großen Teil kann das mit geringeren Kapitalkosten und einem stärkeren Gewinnwachstum im indischen Markt erklärt werden. Im Bereich der grossen Marktkapitalisierungen sehen wir daher kaum signifikante Überbewertungen“, erklärt Born.
Anders sehe es allerdings im Bereich der mittleren Marktkapitalisierungen aus – dieses Marktsegment hat derzeit ein Bewertungsniveau, das etwa 100 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre liege. Im Bereich der kleineren Marktkapitalisierungen liege das Bewertungsniveau immer noch 50 Prozent höher als der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.
„Höhere Bewertungen waren in diesen beiden Marktsegmenten in den letzten Jahren aufgrund höherem Gewinnwachstum durchaus berechtigt. Derzeit beobachten wir aber tendenziell eine Anpassung der Gewinndynamik. Hierdurch entsteht das Risiko, dass sich die Bewertungsaufschläge bei vielen kleineren und mittleren Marktkapitalisierungen auf Dauer nicht werden halten lassen können.“
China stiehlt Indien die Show
Die Umschichtungen der internationalen Investoren werden auch durch die jüngste Entwicklung in China begünstigt. Viele Anleger, die bisher stark in Indien und untergewichtet in China investiert waren, nutzen die stimulus-getriebene Erholung am chinesischen Markt für taktische Portfolioanpassungen. „Im Oktober gab es unter anderem starke Zuflüsse in ETFs, die in chinesische Aktien investieren. Die Positionierung in China war bis dahin allgemein eher schwach. Die Ankündigung von wirtschaftsfördernden Massnahmen hat die Stimmung der Investoren bezüglich China etwas aufgehellt, sowohl im Ausland als auch in China selbst. Aber insgesamt kam es auch im chinesischen Markt im Oktober zu einer Korrektur.“
Die weitere Entwicklung hängt stark von der Reaktion der indischen Notenbank ab. Während die Reserve Bank of India grundsätzlich offen für eine Lockerung ihres aktuellen Leitzinses von 6,5 Prozent ist, hält Notenbankgouverneur Shaktikanta Das eine Zinssenkung derzeit für zu riskant. Bei einer Inflationsrate von nahezu 6 Prozent steht die Zentralbank vor einer schwierigen Entscheidung.
Born erwartet dennoch Zinssenkungen in den kommenden Quartalen. „Zeitlich hängt das insbesondere davon ab, wie schnell die saisonale Teuerung bei Nahrungsmitteln über die nächsten Monate abklingt“, so der Experte für Emerging Markets.