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Volkswirt Andreas Busch
Warum die globale Industrie nur zu einer fragilen Erholung ansetzt
Andreas Busch arbeitet als Volkswirt bei der Investmentgesellschaft Bantleon. Bildquelle: Thomas Wieland / Canva
Die Industrie hat weltweit schwere Monate hinter sich - doch zuletzt hat sich die Stimmung aufgehellt, wie verschiedene Indikatoren zeigen. Andreas Busch erläutert, warum daraus aus seiner Sicht dennoch kein kräftiger Aufschwung entstehen wird und welche Risiken auch weiterhin bestehen.
Die Industrie hat im vergangenen Jahr weltweit unter Druck gestanden. Die Gründe dafür waren die massiv gestiegenen Energiekosten und Löhne sowie die hohen Zinsen. Außerdem war auf den coronabedingten Nachfrageboom bei Gütern – der den Unternehmen 2021 und 2022 einen massiven Schub beschert hatte – die unvermeidliche Ernüchterung gefolgt. In einzelnen Ländern, allen voran in Deutschland, kam es in dieser Gemengelage zu einer Industrierezession.
Zuletzt hat sich die Stimmung indes aufgehellt. So vollziehen in vielen Regionen die Einkaufsmanagerindikatoren eine Bodenbildung beziehungsweise eine Trendwende. In den USA überschritt der prominente ISM-Index im März beispielsweise zum ersten Mal seit rund anderthalb Jahren wieder die Expansionsschwelle von 50,0 Punkten. In der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft war beim offiziellen EMI des chinesischen Statistikamtes immerhin ein Zwölf-Monats-Hoch zu verzeichnen. In der gebeutelten Eurozone wurde die Expansionsschwelle zwar noch nicht erreicht. Immerhin ging es aber auch hier nach dem Tiefpunkt im vergangenen Sommer stetig aufwärts.
Umfangreicher Abbau der Lagerbestände hat Nachholbedarf erzeugt
Mit Blick voraus deutet einiges darauf hin, dass sich die Lage in den kommenden Monaten weiter verbessern wird. So zeigen einzelne Umfragen, dass der umfangreiche Abbau der Lagerbestände in den vergangenen Quartalen inzwischen einen namhaften Nachholbedarf erzeugt hat.
Darüber hinaus machen die offiziellen Frühindikatoren Mut. So haben die OECD Leading Indicators in den vergangenen Monaten für die meisten Regionen der Welt nach oben gedreht und kündigen eine Fortsetzung der Stimmungsaufhellung an – selbst im stark gezeichneten Deutschland (siehe Abbildung 1). Ein kräftiger Aufschwung dürfte daraus indes nicht entstehen. Denn der Aufstockungsbedarf bei den Lagerbeständen wird voraussichtlich nicht lange tragen, weil die Perspektiven für Konsum und Investitionen kritisch zu beurteilen sind.
Zum einen liegt das an den gestiegenen Zinsen für Unternehmen und private Haushalte, deren Wirkungsverzögerungen erfahrungsgemäß nicht nur variabel, sondern mitunter auch sehr lang ausfallen. Es wäre daher voreilig, Entwarnung zu gegeben. Im Gegenteil: Wie die Gegenüberstellung in Abbildung 2 für die USA zeigt, steht das böse Erwachen erst noch bevor, wenn immer mehr Firmen ihre günstigen Kredite und Anleihen aus Pandemiezeiten zu den aktuellen Konditionen ablösen müssen. Im Regelfall droht mindestens eine Verdopplung der Zinslast.
Rückenwind aus Pandemiehilfen wird abklingen
Bei den privaten Haushalten ist die Situation nicht viel besser, vor allem in den Ländern, in denen eine langfristige Zinsbindung bei der Immobilienfinanzierung üblich ist. Früher oder später werden auch dort die finanziellen Belastungen massiv steigen, zum Beispiel wenn der Umzug in ein anderes Haus ansteht. Auch bei Haushaltsneugründungen sind die Finanzierungskosten deutlich höher als noch vor wenigen Jahren, was sich in einer gesamtwirtschaftlich steigenden Zinslast niederschlagen wird.
Zum anderen ist beim Industrieausblick aus deswegen Vorsicht geboten, weil der Rückenwind abklingen dürfte, der von den Pandemiehilfen für die Konsumenten ausging. In den USA ist beispielsweise der Sparüberhang – der in der Spitze über 2.000 Milliarden US-Dollar betrug – inzwischen auf nur noch rund 30 Milliarden US-Dollar zusammengeschmolzen. Ein ähnliches Bild zeichnen die Geldmengendaten der Fed. Demnach ist der in Pandemiezeiten aufgelaufene Liquiditätsüberhang inzwischen aufgebraucht beziehungsweise von der Inflation aufgefressen worden (siehe Abbildung 3).
Rezessions-Risiko muss weiterhin im Auge behalten werden
Als Fazit bleibt damit festzuhalten, dass die globale Industrie das Tal der Tränen durchschritten hat und zu einer Erholung ansetzt. Diese Belebung dürfte nach Maßgabe verschiedener Frühindikatoren in den kommenden Monaten anhalten und zu weiteren guten Nachrichten führen. In den Himmel wachsen werden die Bäume indes nicht. Vielmehr sollte der Aufschwung fragil verlaufen und anfällig für Rückschläge sein. Selbst das erneute Abrutschen in eine Rezession muss als Risiko im Auge behalten werden.
