Ökonom Michael Heise
Was Notenbanker aus dem Inflationsdebakel lernen
Michael Heise ist Chefökonom der Anlagegesellschaft HQ Trust. Foto: HQ Trust
Notenbanker konnten weder die Corona-Pandemie noch den Ukraine-Krieg vorhersehen. Die daraus resultierende Inflation unterschätzen sie jedoch lange – mit schlimmen Folgen für die Wirtschaft. Mit einer klaren und verlässlichen Stabilisierungspolitik lassen sie sich die Schäden jedoch begrenzen.
Unabhängig davon, wie man die Wirkungen der unkonventionellen Politik einschätzt: Es ist unbestreitbar, dass wir nun eine Korrektur erleben. Die unabweisbare Kehrtwende der Geldpolitik zog im vergangenen Jahr erhebliche Vermögensverluste bei Anleihen, Aktien und Immobilien nach sich. Die Finanzierungsbedingungen haben sich durch deutlich strengere Kreditvergabestandards der Banken erheblich verschlechtert und Firmenkunden- und Wohnungsbaukredite haben sich massiv verteuert.
Die Wirtschaft im Eurogebiet stagniert. Krisenhafte Entwicklungen an den Finanzmärkten sind bislang auf die USA und die Schweiz beschränkt, aber es muss auch in anderen Ländern mit deutlichen Wertberichtigungen unter anderem bei Immobilien und Immobilienkrediten gerechnet werden, die Risiken für die Finanzmarktstabilität darstellen.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Unabhängig davon, wie man die Wirkungen der unkonventionellen Politik einschätzt: Es ist unbestreitbar, dass wir nun eine Korrektur erleben. Die unabweisbare Kehrtwende der Geldpolitik zog im vergangenen Jahr erhebliche Vermögensverluste bei Anleihen, Aktien und Immobilien nach sich. Die Finanzierungsbedingungen haben sich durch deutlich strengere Kreditvergabestandards der Banken erheblich verschlechtert und Firmenkunden- und Wohnungsbaukredite haben sich massiv verteuert.
Die Wirtschaft im Eurogebiet stagniert. Krisenhafte Entwicklungen an den Finanzmärkten sind bislang auf die USA und die Schweiz beschränkt, aber es muss auch in anderen Ländern mit deutlichen Wertberichtigungen unter anderem bei Immobilien und Immobilienkrediten gerechnet werden, die Risiken für die Finanzmarktstabilität darstellen.
Für Geldpolitiker sind Inflationserwartungen von besonderer Bedeutung
Den in der Vergangenheit erzielten geldpolitischen Stimulus steigender Vermögenswerte lösen nun entsprechende Belastungen für private Haushalte und Unternehmen ab. Das gilt auch für die Zentralbank selbst, denn der gewaltige Bestand an Anleihen, die sie im Rahmen der quantitativen Lockerung erworben haben, hat durch die höhere Kapitalmarktrendite erheblich an Marktwert eingebüßt. Ein Verkauf dieser Anleihen würde aus stillen Verlusten realisierte Verluste machen und den Renditeanstieg weiter erhöhen. Es ist aus diesen Gründen wohl nur mit einer sehr langsamen Rückführung der Anleihebestände der EZB zu rechnen.
Eine wichtige Voraussetzung für die langfristige Stabilität des Preisniveaus ist die möglichst feste Verankerung der Inflationserwartungen der Wirtschaftsteilnehmer auf dem Stabilitätsziel. Der EZB ist das bis zu dem aktuellen Inflationsschock recht gut gelungen. Auch in der aktuellen Situation mit sehr hoher Inflation sehen die Finanzmarktteilnehmer über die nächsten fünf oder zehn Jahre lediglich eine Inflation von etwa 2,5 Prozent, was zumindest nicht sehr weit von den Zielwerten der Zentralbank entfernt liegt.
Notenbanker müssen glaubwürdiger werden
Private Haushalte haben allerdings deutlich größere Inflationssorgen und weichen vom Stabilitätsziel der Notenbank ab. Dem sollte und wird die EZB bei weiteren Entscheidungen Rechnung tragen und ihren Stabilisierungskurs fortsetzen, bis sich die Inflationserwartungen der privaten Haushalte normalisieren. Um das zu erreichen, ist die Glaubwürdigkeit der Notenbank von zentraler Bedeutung. Diese wird die EZB nun auch unter sehr schwierigen Bedingungen unter Beweis stellen müssen. Ein konsequenter Ausstieg aus der jahrelang expansiven Politik mit einem erhöhten Zinsniveau und einem Abbau der großen Anleihebestände wird nicht nur die eigene Bilanz der Zentralbank belasten, sondern die wirtschaftliche Entwicklung weiter abbremsen und Finanzierungsschwierigkeiten für viele Haushalte – auch Staatshaushalte – und Unternehmen mit sich bringen.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen änderten sich in den vergangenen Jahren drastisch und lassen die Ankündigungen der EZB nach der Strategieüberprüfung in den Jahren 2020 und 2021 überholt erscheinen. Es geht offenkundig nicht darum, wie die EZB damals meinte, die Inflation anzukurbeln. Vielmehr muss die Zentralbank hohe Inflationserwartungen wieder in der Nähe des 2-Prozent-Ziels verankern.
Die Bekämpfung hoher Inflation verursacht Kosten in Form geringen Wachstums und einer Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen. Weitreichende Ankündigungen über die Höhe der Zinsen werden kaum möglich sein und der Abbau der Anleihebestände der Zentralbank wird ein schwieriger, lang andauernder und auch politisch kontroverser Prozess. Es ist jetzt der Preis für die expansiven Maßnahmen der Vergangenheit zu zahlen.
Vermeidbar sind die Belastungen nicht, die dadurch entstehen. Sie sind aber umso geringer, je glaubwürdiger und verlässlicher die Aktionen der Zentralbank sind. Ein konsequenter und klar kommunizierter Stabilisierungskurs, bei dem die EZB das erforderliche Zinsniveau für eine Weile durchhält und den Abbau der aufgeblähten Bilanz angeht, sollte Reputationsschäden beheben.
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