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Inflation in der Eurozone EZB wird mit einem Zinsversprechen der Fed folgen

EZB-Chefin Christine Lagarde: Die Europäische Zentralbank steht vor großen Herausforderungen, um eine weitere Konjunkturerholung und irgendwann einen Wiederanstieg der Inflation zu erreichen.
EZB-Chefin Christine Lagarde: Die Europäische Zentralbank steht vor großen Herausforderungen, um eine weitere Konjunkturerholung und irgendwann einen Wiederanstieg der Inflation zu erreichen. | Foto: imago images / Sven Simon

Die jüngsten Inflationsdaten aus der Eurozone dürften in Frankfurt keine Freude auslösen: Die jährliche Kerninflation ist auf 0,2 Prozent gesunken. Dieser niedrigste jemals für die Kernrate des Verbraucherpreisindex für die Eurozone gemessene Wert liegt weit unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von „unter, aber nahe 2 Prozent“. In Anbetracht der steigenden Zahl von Corona-Virusinfektionen in Europa und der erneuten Lockdown-Maßnahmen ist es unwahrscheinlich, dass wir in den kommenden Monaten eine schnelle Erholung der Inflationszahlen in der Eurozone sehen werden.

Wie fing das eigentlich alles an? Wir erinnern uns: Im Zusammenhang mit der Euroeinführung im Januar 1999 hatten wir die große Zinskonvergenz erlebt, als die Zentralbanken in Südeuropa ihre Zinssätze senkten, um sich der Deutschen Bundesbank anzugleichen. Die italienische Zentralbank senkte ihren offiziellen Zinssatz in den drei Jahren vor der Euroeinführung um nicht weniger als 6 Prozent. Die spanische Zentralbank senkte sogar noch mehr, ausgehend von einem offiziellen Zinssatz von fast 10 Prozent im Jahr 1996. Wir sahen in diesem Zeitraum eine ähnliche Konvergenz der Inflationsraten, wobei die Inflationsraten in der Peripherie um fast 2 Prozent zurückgingen und die Inflation in Deutschland nahe 1 Prozent lag. Die Bundesbank gab ihre Oberhoheit über die Deutsche Mark in der begründeten Zuversicht ab, dass die Eurozone die deutsche Politik einer starken Währung mit dem Hauptaugenmerk, den Inflationsdruck unter Kontrolle zu halten, fortsetzen würde.

Die Eurozone-Flitterwochen endeten abrupt

In den ersten Jahren des Euro schien alles nach Plan zu verlaufen: Sobald die Inflation in der gesamten Eurozone über 2 Prozent stieg, erhöhte die EZB die Zinsen, um die Konjunkturentwicklung zu verlangsamen, und die Inflation fiel wieder unter 2 Prozent. Rückblickend war dies die Flitterwochenzeit für die Eurozone, da die Inflation stabil um den Zielwert blieb, während sich eine wirtschaftliche Konvergenz zwischen den Mitgliedsstaaten einstellte. Aber schon im Jahr 2003 sah sich die EZB gezwungen, die Zinssätze zu senken, da das deutsche Wachstum hartnäckig niedrig blieb, was letztlich auch dazu führte, dass die EZB eine Verletzung der Maastrichter Defizitobergrenze von 3 Prozent über mehrere Jahre tolerierte. Während die deutsche Wirtschaft sicherlich noch mehr geldpolitische Unterstützung gebraucht hätte, erzeugten die historisch niedrigen Zinssätze in den Peripherieländern eine Kredit- und Immobilienblase. Die Inflations- und Wachstumszahlen begannen in der Eurozone auseinander zu klaffen, während die EZB an ihren stimulierenden Maßnahmen festhielt.

Als die EZB im Jahr 2006 begann, die Zinssätze zu erhöhen, waren die Volkswirtschaften der Peripherieländer überschuldet und heiß gelaufen und wurden anschließend durch die Finanzkrise erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Die Kerninflation fiel während der Krise unter 1 Prozent, konnte aber mit der Erholung der Wirtschaft wieder über 1,5 Prozent steigen. Eine Reihe von Analysten wies darauf hin, dass die EZB ihr Inflationsziel über einen längeren Zeitraum nicht erreichen konnte, aber der EZB-Vorstand erhöhte dessen ungeachtet die Zinssätze, wie vom EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark vorgeschlagen. Die darauffolgende Eurokrise war der erste wirkliche Test für die Gemeinschaftswährung und verursachte eine massive Abwanderung nordeuropäischer Investoren aus der „Peripherie“. Die Peripherieländer durchliefen eine längere Phase angespannter Finanzen, während ihre Regierungen mitten in der Krise gezwungen waren, die Haushaltsdefizite durch harte Sparprogramme zu reduzieren.

Die von Brüssel (und Berlin) verordnete Medizin lautete, dass es diesen Ländern an Wettbewerbsfähigkeit mangelte und sie Löhne und Staatsausgaben kürzen sollten, um sich dem deutschen Modell des exportorientierten Wachstums anzunähern. Auch wenn es verständlich ist, dass deutsche (und niederländische) Politiker nach der Rettung Griechenlands und anderer Peripherieländer Veränderungen forderten – die verordneten Sparmaßnahmen führten unserer Ansicht nach zu stetig sinkenden Inflationsraten in der Eurozone. Während die deutsche Industrie mit einer Kombination aus hohem Produktivitätswachstum und niedrigem Lohnwachstum florierte, waren andere Länder zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit vorrangig auf Lohn- und Ausgabenkürzungen angewiesen. Natürlich trugen sicherlich auch andere Faktoren zum stetigen Rückgang der Inflationsraten bei, darunter die Globalisierung und die alternden europäischen Gesellschaften. Doch diese Faktoren haben im Vergleich zu der übermäßig straffen Finanzpolitik wahrscheinlich weniger Schaden angerichtet.

Von ausgeglichenen Haushalten zur fiskalischen Expansion

Unter der kreativen Leitung von Mario Draghi tat die EZB alles in ihrer Macht stehende, um die Inflation in Richtung des Ziels zu treiben. Nachdem sie den offiziellen Zinssatz auf Null gesenkt hatte, begann die EZB, Staatsanleihen und andere Anleihen in beträchtlichen Mengen aufzukaufen. Aber keine dieser Maßnahmen konnte die Kerninflation anheben, die bei etwa 1 Prozent verharrte. Es bedurfte nur einer weiteren Wirtschaftskrise, um diese Zahl auf Null zu drücken, wie sich im laufenden Jahr angesichts des Ausbruchs des Corona-Virus zeigt. Die Wirtschaftskrise und der daraus resultierende Nachfragerückgang hat die Preise für viele Güter und Dienstleistungen nach unten gedrückt. Es ist davon auszugehen, dass der Preisdruck über einen längeren Zeitraum anhalten wird. Die Preissetzungsmacht für die europäische Dienstleistungsindustrie wird gedämpft bleiben, insbesondere im Reisesektor.

Die EZB hat schnell und energisch auf die Krise reagiert, aber sie kann nicht viel tun, um die Nachfrage und die Preise für Dienstleistungen zu stützen. Weitere Zinssenkungen werden dem Bankensystem, das bereits unter Margendruck leidet, noch mehr zusetzen. Die Ausweitung der EZB-Bilanz wird wahrscheinlich nur zu engeren Spreads bei den Anleihen der Peripherieländer führen und möglicherweise die Aktienkurse in die Höhe treiben.

Den fiskalischen Maßnahmen, die die Länder der Eurozone ergriffen haben, stehen wir weitaus positiver gegenüber. Deutschland hat seine Ansicht zu den Staatsdefiziten deutlich geändert und sich verpflichtet, seine Ausgaben zu erhöhen. Die Einigung der EU auf die Einrichtung des Europäischen Konjunkturfonds zur Unterstützung des künftigen Wirtschaftswachstums zeigt auch, dass der Fokus auf ausgeglichene Staatshaushalte Plänen für erhebliche fiskalische Impulse in den kommenden Jahren gewichen ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass die EU noch über die endgültigen Konditionen diskutiert. Eine von allen Mitgliedsstaaten unterzeichnete Vereinbarung ist jedoch nur eine Frage der Zeit.

EZB vor schwieriger Aufgabe

Christine Lagarde stehen einige schwierige EZB-Sitzungen bevor: Finanzjournalisten werden ganz genau wissen wollen, mit welchen Plänen sie die Inflation wieder in Gang bringen will. Erschwerend wirkt die Aufwertung des Euro in den vergangenen Monaten, der auf handelsgewichteter Basis um mehr als 5 Prozent zugelegt hat. Die jüngste Ankündigung der US-Notenbank, die Zinsen in den nächsten Jahren bei Null zu belassen, und das Herantasten der Bank of England an eine Zinssenkung unter Null könnten zu einer weiteren Euroaufwertung führen.

Die EZB verfügt über nicht mehr viele Optionen in ihrem geldpolitischen Instrumentarium. Sie wird auf weitere fiskalpolitische Maßnahmen angewiesen sein, um eine weitere Konjunkturerholung und irgendwann einen Wiederanstieg der Inflation zu erreichen. Es ist daher wahrscheinlich, dass die EZB eine anhaltende Phase stabiler offizieller Zinssätze ankündigen wird, in Übereinstimmung mit dem jüngsten Zinsversprechen der Fed. Sie wird auch weiterhin die fiskalische Expansion durch weitere Aufstockungen ihrer Kaufprogramme unterstützen. Dieser steinige Weg wird mehrere Jahre dauern. Erst dann lässt sich abschätzen, ob die beträchtliche fiskalische Expansion der Eurozone ausreichen wird, um die Inflation in die Nähe des EZB-Ziels zu bringen.

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