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„Inflation ist der einzige logische Weg aus der Schuldenfalle“

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Halver: Die Zutaten für mehr Inflation sind zweifelsfrei gegeben. Neben dem weltkonjunkturellen Effekt wird diese zusätzlich kräftig durch den geldpolitischen Doppelschlag der amerikanischen Zentralbank begünstigt: Auf der einen Seite hält sie die Zinsen am Boden und auf der anderen Seite sorgt sie über Aufkäufe von Staatsanleihen für eine üppige Liquiditätsausstattung. Dabei wird deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt, als die heimische Volkswirtschaft zu ihrer Refinanzierung benötigt ...

DAS INVESTMENT.com: ... das dann wiederum an die weltweiten Kapitalmärkte fließt.

Halver: Genau, Rohstoffe und speziell Lebensmittel sind markante Auffangbecken, die sich zu wahren Preistreibern entwickeln.

DAS INVESTMENT.com: Ist ein Ende der "Inflations-Strategie" in Sicht?

Halver: Nein, es ist nicht zu erwarten, dass das Liquiditätsumfeld auf absehbare Zeit eingeschränkt wird. Die US-Zinsen werden aus binnenkonjunkturellen Gründen zunächst auf unnormal tiefem Niveau bleiben. Außerdem ist zu vermuten, dass die Fed in einem nächsten Schritt auch Kommunalanleihen aufkaufen wird, um deren Absatz, der zurzeit stockt, sicherzustellen. Bei den Staatsanleihen ist sie ja mittlerweile bereits zum größten Gläubiger der USA geworden – noch vor China.

DAS INVESTMENT.com: Auch die EZB hält die Zinsen niedrig.

Halver: Im Moment verweist man bei der EZB auf die noch gering steigenden Lohnkosten in der Eurozone. Sie denkt aber offensichtlich auch sehr politisch und will den Peripherieländern die Unterstützung noch nicht versagen.

DAS INVESTMENT.com: Wird die europäische Zentralbank es etwa ihrer amerikanischen Schwester gleichtun?

Halver: Ich denke schon. Die neue liberalere Notenbankpolitik offenbart sich im Umgang mit den aktuell steigenden Verbraucherpreisen. Während man Anfang des Jahrtausends und in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts in ähnlichen Szenarien frühzeitig die Zinsen anhob, hält die EZB derzeit die Füße auffällig still.

DAS INVESTMENT.com: Ein Paradigmenwechsel? Bisher lag die Priorität der EZB doch uneingeschränkt auf der Verhinderung von Inflation.

Halver: Der klassische Zinszyklus hat an Bedeutung verloren. Eine inflationsbegünstigende Geldpolitik ist auch bei uns nicht mehr von der Hand zu weisen.

DAS INVESTMENT.com: Was müssen Staaten und Notenbanken bei der Entschuldung per Inflation beachten? Wie macht man's richtig?

Halver: Unabdingbare Voraussetzung für die inflationäre Entschuldung ist, dass die Zinsen nicht adäquat zur Inflation ansteigen. Anderenfalls würde der Verschuldungsabbau durch vom Staat zu zahlende, höhere Renditen auf Anleihen konterkariert.

DAS INVESTMENT.com: Dann können wir ja an der Seitenlinie stehen, eins und eins zusammenzählen und schauen, ob alles nach Plan verläuft. 

Halver: Schwierig. Die derzeitige Inflationsmessung muss angezweifelt werden. Die Preisberechnung anhand des offiziellen Warenkorbs ist sicherlich korrekt errechnet, aber sie bildet die Lebenswirklichkeit der Verbraucher nur unzureichend ab, da sie die Kaufhäufigkeit von Gütern nicht berücksichtigt. So fallen die alltäglichen Lebensmittel-, Energie- und Autokosten, die zuletzt besonders stark gestiegen sind, zum Beispiel gegenüber IT-Produkten weniger stark ins Gewicht. Nach Kaufhäufigkeit berechnet, fällt die Inflation mühelos doppelt so hoch aus wie offiziell ausgewiesen.
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