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Vermögensverwalter Andreas Enke
Wie stark sinkt die Inflation?
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Vermögensverwalter Andreas Enke Wie stark sinkt die Inflation?

Von in WirtschaftLesedauer: 4 Minuten
Passanten in New York.
Passanten in New York: Der Black Friday fiel ernüchternd aus. | Foto: Imago Images / Levine-Roberts

Die Inflationsrate von „nur“ 10 Prozent im November in Deutschland hat die Marktteilnehmer positiv überrascht. In den USA ist sie sogar zuletzt auf 7,7 Prozent gefallen. Schon ist von einer Trendwende die Rede. Es gibt gute Gründe, dass das so zutrifft – schon jetzt oder zumindest in naher Zukunft.

Grund 1: Basiseffekte bei Öl, Gas und anderen Rohstoffen – Beispiel der Sorte WTI

In der ersten Jahreshälfte 2022 hat sich der Ölpreis von anfangs rund 80 US-Dollar je Fass in der Spitze auf etwas mehr als 120 Dollar verteuert. Seitdem ist der Preis aber rückläufig und notiert aktuell wieder auf dem Niveau vom Jahresanfang. Bleibt es dabei, fällt dieser Inflationstreiber schon einmal weg. Vielmehr könnte Öl aufgrund des Basiseffekts in den ersten Monaten des kommenden Jahres die Inflation sogar nach unten drücken. Ein weiteres Beispiel sind die vor der Küste Europas hin- und herdümpelnden LNG-Tanker. Ihnen ist der aktuelle Gaspreis zu niedrig, damit sie ihre Ware löschen. Ob die Wette auf wieder höhere Preise aufgeht, ist derzeit völlig offen.

Grund 2: Moderate Tarifabschlüsse

In der federführenden Chemieindustrie haben sich die Tarifpartner auf Lohnerhöhungen von 8 Prozent geeinigt. Hört sich erst einmal nach viel an. Tatsächlich gibt es aber für die Arbeitnehmer ab Juni 2023 in einem ersten Schritt 5,2 Prozent mehr Geld. Ab Mai 2024 erfolgt dann eine weitere Erhöhung um 3,3 Prozent. Wahrscheinlich werden Tarifparteien aus anderen Branchen ähnlich agieren. Das sieht nicht gerade nach einer Lohn-Preis-Spirale aus. Auch im europäischen Ausland dürfte der Lohndruck nicht allzu hoch ausfallen, da sich hier die Arbeitslosigkeit auf einem deutlich höheren Niveau als in Deutschland bewegt. In den USA gehen die Lohnzuwachsraten bereits zurück.

Grund 3: Normalisierung des Angebots

Schließlich spricht auch die wahrscheinliche Rezession gegen eine weiterhin galoppierende Inflation. Der Black Friday fiel zuletzt eher ernüchternd aus. Aufgrund sinkender Realeinkommen und Rezessionssorgen schnallen die Verbraucher den Gürtel enger. Gleichzeitig normalisiert sich das Angebot. So lösen sich die Staus von Containerschiffen vorm wichtigen Hafen von Los Angeles langsam auf. Ein Zeichen für die Normalisierung sind auch die spürbar gesunkenen Frachtraten.

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Somit stellt sich weniger die Frage, ob die Inflation wieder sinkt, sondern eher, wie stark. In Deutschland wird spätestens ab März die Strom- und Gaspreisbremse die Teuerungsrate in Grenzen halten. Dennoch werden die Preise im Vergleich zu 2022 sehr deutlich steigen – dabei geht es um höhere Kosten im mittleren zweistelligen Prozentbereich. Gleichzeitig macht der deutsche Staat 200 Milliarden Euro für die Gas- und Strompreisbremse sowie 100 Milliarden Euro für eine angemessene Ausrüstung für die Bundeswehr locker. Jetzt spielt Deutschland bei der internationalen Entwicklung der Inflation keine so entscheidende Rolle. Aber andere Staaten agieren ähnlich – vor allem die USA mit ihrem Inflation Reduction Act, der die Ansiedlung von Industrie in den USA subventioniert. Mit ihrer lockeren Fiskalpolitik konterkarieren die Staaten die restriktivere Geldpolitik von Fed und EZB.

Dazu kommt noch das Risiko, dass Peking mit seiner Null-Covid-Politik die Konjunktur im Reich der Mitte vollends abwürgt. Apple, das fast ausschließlich in China fertigt, musste dort seine (Auftrags-)Produktion schon spürbar runterfahren. Und die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) sowohl für die Industrie als auch für den Dienstleistungssektor notierten zuletzt bereits deutlich unter der Marke von 50 Punkten, was auf einen Abschwung hindeutet. Zusammen mit dem Handelsstreit beziehungsweise -embargo zwischen den USA und China (siehe Halbleiter oder Huawei) könnte das dafür sorgen, dass die Rolle der Volksrepublik sowohl als großer Importeur als auch als Exporteur deutlich schrumpft. Dass Lieferengpässe im Reich der Mitte preistreibend wirken, hat sich in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren mehr als deutlich gezeigt.

Wenn die Inflationsrate zwar sinkt, sich aber weiter deutlich über der Zwei-Prozent-Marke bewegt, werden die Notenbanken fast gezwungen sein, noch stärker auf die Bremse zu treten. Dies kann die Wirtschaft nicht in eine leichte, sondern in eine schwere Rezession zwingen. Was das für die Unternehmensgewinne bedeutet, liegt auf der Hand. Für Aktien würden weiter hohe Teuerungsraten bei gleichzeitig stark sinkenden Profiten der Unternehmen einen toxischen Cocktail bedeuten. Möglicherweise befinden sich die Aktienmärkte derzeit in der zweiten Bärenmarktrally kurz hintereinander.


Über den Autor: Andreas Enke ist Vorstand der Vermögensverwaltung Geneon Vermögensmanagement.

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