Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Welche Vorteile steigende Preise für den Staat haben
Aktualisiert am 02.06.2022 - 15:06 Uhr
Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel. Foto: Degussa Goldhandel
Energie und Lebensmittel sind in letzter Zeit immer teurer geworden – zum Nachteil der Verbraucher. Dem Staat kommt die hohe Inflation jedoch zugute, sagt Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit.
Wenn man versucht zu verstehen, warum Menschen dieses oder jenes tun, warum sie eine bestimmte Institution und keine andere errichten, dann fragt man am besten zunächst „Cui Bono“? Das ist lateinisch und heißt „Wem nützt es?“ Und die Frage „Wem nützt es?“ sollte man gerade dann stellen, wenn es um Inflation geht.
Die Antwort auf die Frage „Wem nützt die Inflation“ sei gleich vorab gegeben: Inflation nützt dem Staat. Und weil diese Antwort viele vielleicht gar nicht gern hören und akzeptieren wollen, versuche ich die Erklärung nachzuliefern.
Am Anfang steht die Erkenntnis: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) hat nur eine Einnahmequelle: und das sind die Einkommen der Arbeitenden,...
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Wenn man versucht zu verstehen, warum Menschen dieses oder jenes tun, warum sie eine bestimmte Institution und keine andere errichten, dann fragt man am besten zunächst „Cui Bono“? Das ist lateinisch und heißt „Wem nützt es?“ Und die Frage „Wem nützt es?“ sollte man gerade dann stellen, wenn es um Inflation geht.
Die Antwort auf die Frage „Wem nützt die Inflation“ sei gleich vorab gegeben: Inflation nützt dem Staat. Und weil diese Antwort viele vielleicht gar nicht gern hören und akzeptieren wollen, versuche ich die Erklärung nachzuliefern.
Am Anfang steht die Erkenntnis: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) hat nur eine Einnahmequelle: und das sind die Einkommen der Arbeitenden, der Produktiven. An deren Einkommen gelangt er, indem er Steuern erhebt. Die offene Besteuerung erfolgt in Form von zum Beispiel Einkommens- und Mehrwertsteuer. Sie stößt jedoch in der Regel recht rasch an ihre Grenzen. Die Besteuerten protestieren, wenn die Steuern zu stark steigen; sie wollen sich eben nicht allzu sehr ausplündern lassen.
Um dem Widerstand gegen die offene Besteuerung auszuweichen, setzt der Staat auf eine heimliche Steuer, und zwar die „Inflationssteuer“. Das bedeutet, dass der Staat sich sprichwörtlich neues Geld druckt, mit dem er alles das kauft und bezahlt, was er haben will.
Und genau zu diesem Zweck hat der Staat das Geld monopolisiert und das Waren- beziehungsweise Goldgeld durch sein eigenes ungedecktes Papiergeld, sein Fiat-Geld ersetzt. Denn anders als das Goldgeld lässt sich das staatliche Fiat-Geld beliebig und jederzeit vermehren, und die dadurch erzeugte Inflation spielt dem Staat auch noch auf vielfältige Weise in die Hände.
Ein Staat, der eine Fiat-Währung hat, kann nicht Pleite gehen. Er kann in seinem eigenen Geld ausgewiesene Schulden aufnehmen, und wenn er will, kann er die Schulden auch jederzeit problemlos zurückzahlen, indem er sein eigenes Geld vermehrt.
Erhebt der Staat eine progressive Einkommenssteuer, sorgt die Inflation für eine „kalte Progression“: Mit der Inflation ziehen früher oder später auch die Löhne an, und die Einkommensverdiener, obwohl ihre Löhne in realer, das heißt inflationsbereinigter Rechnung nicht steigen, rutschen unter einen höheren Steuertarif. Ihre reale Steuerlast steigt, der Staat freut sich.
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