Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Inflation verunsichert Notenbanker

Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Dekabank. Foto: Dekabank
Steigt die Inflation weiter oder fällt sie im kommenden Jahr wieder unter die 2-Prozent-Marke? Diese Frage treibt Zentralbanker weltweit um. Kein Wunder: Ihre Geldpolitik steht vor einer entscheidenden Wende. Ein Gastbeitrag Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater.
In Zentralbanken nimmt die Unsicherheit zu. In den USA beschließt die Federal Reserve (Fed) den sofortigen Ausstieg aus den Wertpapierkäufen mit Ausblick auf eine steile Anpassung der Leitzinsen in den Jahren 2022 und 2023. Gleichzeitig beschwichtigt Notenbankchef Jerome Powell, dass die gegenwärtigen Preissteigerungen nur vorübergehend seien.
Im Vereinigten Königreich bereitet Zentralbank-Gouverneur Andrew Bailey die Märkte in klassischer Manier auf Notfall-Zinsmaßahmen im November vor, denn nicht nur die Teuerungsrate sei zu hoch, auch die Inflationserwartungen seien inzwischen deutlich gestiegen. Bei der Abstimmung im geldpolitischen Komitee wiederum stimmt er gegen eine Maßnahme....
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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In Zentralbanken nimmt die Unsicherheit zu. In den USA beschließt die Federal Reserve (Fed) den sofortigen Ausstieg aus den Wertpapierkäufen mit Ausblick auf eine steile Anpassung der Leitzinsen in den Jahren 2022 und 2023. Gleichzeitig beschwichtigt Notenbankchef Jerome Powell, dass die gegenwärtigen Preissteigerungen nur vorübergehend seien.
Im Vereinigten Königreich bereitet Zentralbank-Gouverneur Andrew Bailey die Märkte in klassischer Manier auf Notfall-Zinsmaßahmen im November vor, denn nicht nur die Teuerungsrate sei zu hoch, auch die Inflationserwartungen seien inzwischen deutlich gestiegen. Bei der Abstimmung im geldpolitischen Komitee wiederum stimmt er gegen eine Maßnahme. Seine Glaubwürdigkeit nimmt Schaden.
Die Folge: Weltweit schießen Anleiherenditen in die Höhe. In Frankfurt bemüht sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die Marktteilnehmer vom Inflationsbild der EZB zu überzeugen. Mantrahaft trägt sie vor, dass die Ökonomen der Notenbank sich so intensiv wie vielleicht niemand anderes mit gegenwärtigen Güterpreisen auseinandersetzen und die Preisewelle im kommenden Jahr wieder ausläuft. Damit sagt sie zwar nicht explizit, dass die Märkte falsch liegen, meint aber genau dies.
Die Unsicherheit der Notenbanker ist verständlich. Die weitere Entwicklung von Inflation und Wachstum entscheidet darüber, ob eine Ära am Kapitalmarkt zu Ende geht. Die vergangenen Jahre waren gekennzeichnet von sehr niedrigen Inflationsraten, denen die Notenbanken mit niedrigen Zinsen beizukommen versuchten. Dazu kamen mit der Finanz- und Corona-Krise zwei Ausnahmesituationen für die Wirtschaft, die von der Geldpolitik mit weiteren Lockerungsmaßnahmen begleitet wurden. Alles zusammen führte weltweit zu einem geldpolitischen Maximal-Doping für Volkswirtschaften. Der Kapitalmarkt passte sich mit steigenden Vermögenspreisen an.
Sollte jetzt die Inflation wieder zum Problem werden, müssten die Notenbanken ihrem bisherigen Modus schnell beenden. Im Extremfall müsste etwa die Fed in den Jahren 2023/24 eine Rezession hervorrufen, um nach oben weglaufende Inflationserwartungen einzufangen. Das hätte natürlich erhebliche Konsequenzen für Aktienkurse und Immobilienpreise, unter Umständen auch für die Finanzmarktstabilität.
Demgegenüber ist aber auch ein Szenario denkbar, in dem sich im kommenden Jahr die Produktionsengpässe in der Weltwirtschaft entspannen, die Inflationsraten in Europa und in den USA wieder unter 2 Prozent sinken und die Realwirtschaft weiter aufholt. In diesem Fall sind neue Höchststände an den Aktienmärkten vorprogrammiert.
Moderate Inflation ab Mitte 2022 möglich
Frühestes im ersten Quartal des kommenden Jahres wird es erste Hinweise geben, welches Inflations- und Wachstumsregime vorherrschen wird. Mitte des Jahres sollte bei der Inflation im Euroraum die 2-Prozent-Marke wieder nach unten durchstoßen werden. Bis die Signale des kommenden Jahres interpretierbar sind, wird es jedoch bei stärkeren Schwankungen – insbesondere an den Geld- und Anleihemärkten – bleiben. Die Aktienmärkte präsentieren sich robuster, denn abseits einer rezessiven Konjunkturentwicklung bleiben Unternehmenswerte in den meisten vorstellbaren Szenarien für das kommende Jahr interessant.
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