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Ingo Speich von Deka: „Nachhaltigkeits-Hype war übertrieben, aber...“

Die Sonne strahlt durch die Fenster, als Ingo Speich die Redaktion von DAS INVESTMENT in Hamburg besucht. Von seinem Büro in Frankfurt-Niederrad habe er einen Ausblick auf ein Gaskraftwerk, berichtet er schmunzelnd – quasi Insiderwissen für den Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment.
Im Gespräch ordnet er die aktuelle Entwicklung nachhaltiger Investments...
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Die Sonne strahlt durch die Fenster, als Ingo Speich die Redaktion von DAS INVESTMENT in Hamburg besucht. Von seinem Büro in Frankfurt-Niederrad habe er einen Ausblick auf ein Gaskraftwerk, berichtet er schmunzelnd – quasi Insiderwissen für den Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment.
Im Gespräch ordnet er die aktuelle Entwicklung nachhaltiger Investments ein, während draußen die ersten Frühlingsboten den nahen Alsterkanal säumen.
DAS INVESTMENT: Herr Speich, wir haben gerade einen deutlichen Umbruch in der Nachhaltigkeitslandschaft erlebt – von hoher politischer Aufmerksamkeit bis hin zum aktuellen Gegenwind. In den USA sehen wir sogar eine regelrechte Anti-ESG-Bewegung. Wie bewerten Sie diese Entwicklung aus europäischer Sicht?
Ingo Speich: Nach der neuen Regierungsbildung in den USA hat der Druck auf Nachhaltigkeit dort massiv zugenommen. Das sieht man daran, dass die SEC kürzlich regulierten Kapitalmarktteilnehmern die Kommunikation mit Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen deutlich eingeschränkt hat. Es gibt ein klares Auseinanderdriften zwischen den USA und Europa. In Europa ist alles sehr stabil. Wir merken in den Vergütungsprogrammen in Europa, die jetzt in der Hauptversammlungssaison zur Abstimmung gestellt werden, dass Nachhaltigkeit weiterhin eine Rolle spielt und mittlerweile qualitativ besser in den Programmen abgebildet ist.
Worauf führen Sie diesen Unterschied zurück?
Speich: Das hängt mit mehreren Faktoren zusammen:
- Erstens haben wir ein anderes Rechtssystem. Die Prozessketten, wie es sie in den USA gibt, haben wir nicht.
- Zweitens haben wir eine sehr starke, immer noch pro-Nachhaltigkeit ausgerichtete Regulatorik.
- Drittens treiben unsere Aufsichtsbehörden – egal ob die europäischen EBA, ESMA, EIOPA oder die nationalen – das Thema weiter voran. Es gibt kein Einknicken oder eine Kehrtwende. Die neuen ESMA-Vorgaben werden strikter und nicht lockerer.
- Viertens sehen wir keine Veränderungen bei den europäischen Unternehmen. Wenn Sie sich die Net-Zero-Commitments anschauen – rund 60 Prozent der europäischen börsengelisteten Unternehmen habe diese. In den USA sind es rund die Hälfte. Nachhaltigkeit ist ein viel stärkeres europäisches Thema.
Sie waren im ersten Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung. Was wurde aus den Ergebnissen?
Speich: Wir haben damals ein Abschlusswerk geschaffen, von dem leider kaum etwas umgesetzt wurde. Der neue Sustainable-Finance-Beirat, in dem ich nicht mehr vertreten bin, hat einen sehr guten Job gemacht, viele Themen angestoßen und sehr detailliert und praxisnah gearbeitet. Leider kam dann das Ampel-Aus und die Chance, den Finanzplatz Deutschland stärker mit Augenmaß und Praxisbezug nach vorne zu bringen, wurde vertan.
Die Deka hat kürzlich einen Rüstungsfonds aufgelegt. Wie glücklich sind Sie als Leiter Nachhaltigkeit darüber?
Speich: Der Deka-Security and Defense ist ein Fonds, der nicht nur auf Rüstung abstellt, sondern vor allem auf Sicherheitsaspekte wie Cybersicherheit und andere Themen. Investitionen in die Sicherheit unseres Landes sind erforderlich. Wir merken dazu auch eine entsprechend höhere Kundennachfrage.
Wichtig ist, dass auch dieser Fonds unseren Ausschlusskriterien genügen muss. Es handelt sich nicht um einen Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen, sondern um einen klassischen Artikel-6-Fonds. Bei unseren Artikel-8- und Artikel-9-Produkten, also den Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen, haben wir weiterhin Rüstungsausschlüsse.
Damit haben wir eine Option geschaffen: Wer in Sicherheit und Rüstung anlegen möchte, kann das mit dem Security and Defense-Fonds tun.
Nachhaltigkeit wird oft mit einem hohen Bürokratieaufwand in Verbindung gebracht. Wie bewerten Sie die Berichtspflichten?
Speich: Mit der Offenlegungsverordnung aus Kapitalmarktsicht und der CSRD aus Unternehmenssicht hat sich ein ausgewachsenes Berichtswesen herausgebildet. Die Berichtsanforderungen sind über das Ziel hinausgeschossen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist zunehmend nur der Regulatorik Willen und geht an den Praxisanforderungen vorbei. Ein Bürokratieabbau ist daher unabdingbar.
Neben der CSRD müssen andere Regelwerke wie die für uns geltende Offenlegungsverordnung angepasst werden, da die CSRD nicht mehr vollumfängliche Daten liefern wird. Für uns als Investor haben praxisrelevante Nachhaltigkeitsdaten aber auch eine hohe Relevanz. Sie helfen uns, die börsennotierten Unternehmen zu identifizieren, die es ernst meinen mit der Nachhaltigkeit.
Beim Fondskongress in Mannheim hat man wahrgenommen, dass Nachhaltigkeit nicht mehr so präsent war wie noch vor einigen Jahren. Sehen Sie das auch so?
Speich: Da gebe ich Ihnen Recht. Nachhaltigkeit ist aktuell nicht mehr so präsent wie in der Mega-Phase 2021. Die Abschwächung ist aber auch gesund, der Hype der Pandemiejahre war übertrieben. Themen wie Geopolitik und Konjunktur stehen derzeit mehr im Fokus – und das ist auch okay so. Wir haben seit über 20 Jahren Wellenbewegungen in diesem Bereich.
Die Veränderungsgeschwindigkeit in den nächsten fünf Jahren wird aber vielfach höher sein als das, was wir in den letzten fünf Jahren gesehen haben. Damit bleiben Themen wie Klima und Klimarisiken weiter bedeutend. Wenn man sich die Treiber in der Natur anschaut – wie etwa Klimakrise, Verschmutzungskrise, Umweltschutzkrise – steigen diese häufig exponentiell.
Was spricht im Moment dafür, in nachhaltige Investments zu investieren, angesichts dessen, dass die Performance zuletzt nicht überzeugend war?
Speich: Es hängt stark von der Marktphase ab. Wir hatten eine massive Outperformance von 2019 bis 2021 bei Nachhaltigkeit, mit einer Hype-Phase 2021. Dann kam der Ukraine-Krieg, was 2022 zu einer deutlich anderen Performance führte. 2023 war gemischt, 2024 tendenziell positiv. Im Kopf vieler Anleger ist aber noch das Jahr 2022 mit der schlechteren Performance.
Es ist einfach zu sagen, Nachhaltigkeit kostet Geld. Diese These vertrete ich nicht. Sauber implementierte Nachhaltigkeit sollte langfristig Wert generieren. Das sehen wir auch bei Produkten. Wenn wir unterstellen, dass die Veränderungsgeschwindigkeit bei den Umwelt- und Klimaproblemen zunimmt, dann wird Nachhaltigkeit viel stärker ins Bewusstsein der breiten Kapitalanlage rücken. Die langfristigen Treiber können nicht ignoriert werden und sie müssen vernünftig im Anlageprozess integriert werden. Es wird immer Jahre geben, in denen Nachhaltigkeit Gegenwind bekommt.
Über Ingo Speich von Deka Investment
Ingo Speich ist seit April 2019 Leiter der Abteilung „Nachhaltigkeit und Corporate Governance“ bei der Deka Investment GmbH, dem Wertpapierhaus der Sparkassen. Dort verantwortet er alle Nachhaltigkeitsleistungen der Vermögensverwaltungsprodukte, das Engagement mit Unternehmen sowie die Abstimmungen auf Hauptversammlungen. Speich ist Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex und Vorstand bei der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA).
Seine Karriere begann mit einer Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Dresdner Bank. Anschließend studierte Speich Betriebswirtschaftslehre an der Universität Trier und der Boston University mit Abschluss als Diplom-Kaufmann. Zudem absolvierte er ein Executive MBA-Programm an der European Business School Oestrich-Winkel und der Durham University. Er ist außerdem CFA Charterholder.
Vor seinem Wechsel zur Deka war Speich von 2004 bis März 2019 bei Union Investment tätig, zuletzt als Leiter des Teams „Nachhaltigkeit und Engagement“. Er gilt als einer der profiliertesten deutschen Aktionärsvertreter und hat sich durch seine scharfzüngigen Reden auf Hauptversammlungen einen Namen gemacht, bei denen er regelmäßig Unternehmensführungen kritisiert.



