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Gerd Kommer und Jonas Schweizer Instandhaltungskosten – wie man Immobilienanlagen schönrechnet

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Absolute Instandhaltungskosten-Richtgrößen in soundso viel Euro pro Quadratmeter sind schon deswegen abwegig, weil sie weder Rücksicht auf den altersbedingten Zustand noch auf die Wertigkeit der Immobilie nehmen. Man kann sich beispielsweise zwei neue, unterschiedliche 180-Quadratmeter-Einfamilienhäuser in der gleichen Mikrolage vorstellen. Die Baukosten des einen betrugen 400.000 Euro, die des anderen 800.000 Euro. Die erste Immobilie wurde einfach und günstig, die zweite hochwertig und teuer gebaut. Es liegt auf der Hand, dass zwei gleich große, aber qualitätsmäßig sehr unterschiedliche Häuser in der Zukunft nicht die gleichen Instandhaltungskosten haben werden, wenn man annimmt, dass der Eigentümer bei beiden Wohnungen den gleichen prozentualen physischen Wertverlust pro Jahr ausgleichen will.

Faktor Gebäudewert

Eine schon etwas realistischere Peilgröße für Instandhaltungskosten ist die in der Ratgeberliteratur manchmal genannte Zahl „1 Prozent per annum“, bezogen auf den Anteil des Immobilienwertes, der auf das Gebäude entfällt. Häufig wird dabei jedoch im Ungefähren gelassen: Mit dem Gebäudewert ist hier der allmählich zunehmende Zeitwert gemeint, nicht der statische Wert beim Kauf. Dessen ungeachtet sind auch diese 1 Prozent sehr wahrscheinlich noch zu niedrig. Warum, lässt sich folgendermaßen plausibilisieren.

(1) Beginnen wir mit dem gesunden Menschenverstand: Bei 1 Prozent p.a. müsste das Gebäude (unterstellt man einen vollen Ausgleich des Wertverlustes durch die Instandhaltung) ohne diese Instandhaltung 100 Jahre bewohnbar sein (1 Prozent linearer Wertverlust pro Jahr = 100 Jahre, bis der Wert auf null gesunken ist). Die Absurdität dieser Annahme bezogen auf die Qualität eines durchschnittlichen Wohngebäudes der heutigen Zeit, ganz zu schweigen von den sich über die Jahrzehnte hinweg ändernden Grundrisspräferenzen von Menschen, braucht nicht weiter bewiesen zu werden.

(2) In Deutschland sind bei Vermietungsimmobilien die Absetzung für Abnutzung (AfA) von linear 2,0 Prozent p.a. und die tatsächlichen jährlichen Instandhaltungskosten steuerlich abzugsfähig. Die Summe dieser beiden Positionen liegt langfristig über 3,0 Prozent. Das ist kein Zufall. Vielmehr ist es das politische Verhandlungsergebnis zwischen Immobilieneigentümern, die aus naheliegenden Gründen möglichst hohe Absetzungssätze wollen, und dem Staat, der aus ebenso naheliegenden Gründen möglichst niedrige Werte will. Man trifft sich dort, wo die Argumente beider Seiten ungefähr gleich gut sind, das heißt in der Nähe der Realität des tatsächlichen jährlichen Wertverlusts aus physischer Abnutzung und Alterung.

(3) Nach der in der Immobilienwirtschaft bekannten Petersschen Formel, betragen die geschätzten jährlichen Instandhaltungskosten in einem normalen Mehrfamilienhaus 1,88 Prozent, bezogen auf den anfänglichen Wert des Gebäudeteils (Herstellungskosten). Freistehende Häuser (Einfamilienhäuser, Doppelhäuser, Reihenhäuser) unterliegen technisch und konstruktionsbedingt durchschnittlich einem höheren physischen Wertverlust (siehe Stichwort "Peterssche Formel" in der deutschen Wikipedia).

(4) Die Vonovia SE, Düsseldorf, mit knapp 500.000 Einheiten per Ende 2019 Deutschlands größter Wohnungseigentümer und Dax-Mitglied, wies im Durchschnitt der fünf Geschäftsjahre 2015 bis 2019 eine Instandhaltungskostenquote von 1,2 Prozent p.a. auf. Legt man der Kalkulation der Quote nicht den im Geschäftsbericht angegebenen normalen Verkehrswert des Wohnungsbestandes zugrunde, sondern den dort ebenfalls genannten deutlich niedrigeren bereinigten Verkehrswert, erhöht sich die durchschnittliche Instandhaltungsquote auf 2,4 Prozent p.a. Die Wahrheit dürfte wohl irgendwo zwischen 1,2 und 2,4 Prozent liegen. Man kann davon ausgehen, dass die Vonovia aufgrund ihrer Größe Instandhaltung um mindestens ein Drittel kosteneffizienter als ein einzelner Eigenheimbesitzer betreiben kann.

Dem steht ein erhöhter Abnutzungsverlust bei vermieteten Wohnungen gegenüber selbstgenutzten Eigenheimen gegenüber. Dieser dürfte allerdings weitgehend dadurch ausgeglichen werden, dass die Vonovia-Wohnungen baulich viel schlichter sind als das durchschnittliche Eigenheim in Deutschland (je schlichter eine Wohnung ist, desto niedriger sind tendenziell die prozentualen Instandhaltungskosten.)

Hinzukommt: Wohnungen in Mehrfamilienhäusern (der größte Teil des Vonovia-Bestands) verursachen geringere Instandhaltungskosten als freistehende Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften oder Reihenhäuser. Würde man alle genannten Anpassungsfaktoren relativ zur Situation von Kleinvermietern oder Selbstnutzern quantifizieren, würde die Spanne von 1,2 bis 2,4 Prozent eher noch nach oben gehen.  

(5) Die beiden bei der Federal Reserve Bank of Cleveland, einer regionalen amerikanischen Zentralbank, beschäftigten Ökonomen Ergungor und Zaman schlagen in einem Aufsatz von 2001 eine jährliche Instandhaltungsquote von 2,0 Prozent bezogen auf den Immobilienzeitwert einschließlich Grundstück als gute Peilgröße vor . Da die durchschnittliche Gebäudequalität wie auch die Baukosten in den USA vermutlich niedriger sind als hierzulande, kann man für Deutschland – bezogen auf den Gebäudeteil – näherungsweise einen um etwa ein Drittel niedrigeren Satz annehmen (bei einem Gebäudeteilanteil von 85 Prozent wäre das 1,57 Prozent (= 2% ÷ 85% × ⅔).

Zur etwa gleichen Zahl gelangten die zwei universitäre US-Immobilienökonomen Aked und Masturzo 2016 sowie die britischen Immobilienökonomen Chambers, Spaenjers und Steiner in einem Aufsatz 2020. Anders als Autoren, die bei Banken, Bausparkassen und Immobilienentwicklern angestellt sind, unterliegen diese Fachleute bei der Quantifizierung von Instandhaltungskosten keinem Interessenkonflikt.

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