LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in InstitutionelleLesedauer: 5 Minuten

Thorsten Polleit Bargeldabschaffung erinnert an George Orwells „Big Brother“

Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit
„Sie konnten einen Tag und Nacht bespitzeln, aber wenn man auf der Hut war, konnte man sie überlisten. Bei all ihrer Schlauheit hatten sie doch nicht das Geheimnis gelöst, die Gedanken eines anderen aufzuspüren. Vielleicht war es anders, wenn man ihnen tatsächlich in die Hände gefallen war.“

George Orwell, 1984.

„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ Diesen Satz von Benjamin Franklin (1706 – 1790) sollten alle verinnerlicht haben, die in diesen Tagen aus dem deutschen Finanzministerium zu hören kriegen: Die Bargeldverwendung müsse eingeschränkt werden, um Sicherheit zu schaffen – um Drogengeschäfte, Steuerhinterziehung und Terrorismusfinanzierung wirksam zu bekämpfen; Bargeldzahlungen über 5000 Euro müssen daher verboten, und der 500-Euro-Schein aus dem Verkehr gezogen werden.

Kann es sein, dass es in diesem „Kampf gegen das Bargeld“ um etwas ganz anderes geht? Banken, Kreditkartenfirmen und Anbieter von elektronischen Zahlungsdienstleistungen haben ein Interesse daran, dass weniger mit Bargeld gezahlt wird. Sie bearbeiten die Politiker durch ihre Lobbyarbeit entsprechend. Aber der entscheidende Grund, dass die Regierenden sich nun entschlossen haben, dem Bargeld zu Leibe zu rücken, ist ein anderer: und zwar das weltweite Überschuldungsproblem. Um die Schulden vor allem von Staaten und Banken zu verringern, sollen die Zentralbanken nun eine negative Zinslandschaft erzeugen.

Der gleichgewichtige Zins kann nicht negativ sein


Für die Negativzinspolitik treten namhafte Ökonomen ein. Ihr Kernargument lautet: Der „gleichgewichtige Zins“ (man spricht auch vom „natürlichen Zins“ oder „Urzins“) sei negativ geworden; und daher müssen die Zentralbanken die Zinsen in den Negativbereich drücken, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Doch dieses Argument kann bei genauer Überlegung nicht überzeugen. Der Grund ist ganz einfach der, dass der gleichgewichtige Zins nicht negativ sein kann; er ist vielmehr immer und überall positiv – und zwar denknotwendig.

Handelt es sich bei der Forderung nach einer Negativzinspolitik also um einen Denkfehler? Oder irren die Gelehrten sich absichtlich? Wie auch immer die Antwort auf diese Fragen ausfallen mag: Fest steht, dass die Kreditlasten von Staaten und vor allem auch von vielen Banken erdrückend hoch sind; und dass eine aufrichtige Bedienung der Schulden nicht zu erwarten ist: Weder ist das politisch angestrebt, noch ist es im heutigen ungedeckten Papiergeldsystem möglich.

Ließe sich ein Negativzins durchsetzen, würden die Guthaben der Bankkunden „wegschrumpfen“: In den Bilanzen der Banken gehen die Guthaben zurück und tauchen als Bankgewinn beziehungsweise als Bankeneigenkapital wieder auf. Sollten dann noch die Kreditgeber bereit sein, Kredite mit negativen Zinsen zu gewähren, so wäre damit ebenfalls eine Entschuldungswirkung verbunden. Der brave Sparer ist bei all dem natürlich der Leidtragende.

Nun hat man allerdings im Kreis der Negativzins-Befürworter erkannt, dass die Bankkunden bei einem Negativzins ihr Geld in bar abheben werden, um der Enteignung zu entkommen. Und um diesen Fluchtweg zu versperren, soll das Bargeld abgeschafft werden. Die wertmäßige Begrenzung der Bargeldzahlungen und das Einziehen großer Banknoten sind erste Schritte in diese Richtung. Die Abschaffung des Bargeldes ist kein Kavaliersdelikt.

Tipps der Redaktion