Digitale Versicherungen Insurtechs in Deutschland vollziehen Kurswechsel
Die Insurtechs genannten Technologieanbieter der Versicherungsbranche haben trotz ihrer kundenorientierten Service-Angebote bisher kaum zu tatsächlichen Machtverschiebungen am deutschen Versicherungsmarkt geführt. Zwei Drittel der zwischen 2010 und 2016 gestarteten Insurtechs legten ihren Fokus auf das Geschäft mit Endkunden. Doch nur 30 Prozent dieser im B2C-Bereich angetretenen Insurtechs sind noch unverändert aktiv. Zum Vergleich: Der Anteil der B2B-Anbieter verdoppelte sich beinahe von 28 auf 55 Prozent. Als Partner und Dienstleister der Versicherer in Deutschland seien Insurtechs damit insgesamt erfolgreicher, lautet das Fazit einer aktuellen Studie.
Die Autoren der Studie „The Changing Shape of Digital Insurance“ sind Branchenexperten des Sparkassen Innovation Hub, des Beratungshauses ZEB und ID-Fabrik. Letzteres ist ein Start-up der öffentlichen Versicherer Versicherungskammer, Provinzial NordWest, Provinzial Rheinland und SV Sparkassenversicherung, das digitale Tools für den Versicherungsvertrieb entwickeln soll. Gemeinsam untersuchten sie, wie sich der deutsche Versicherungsmarkt in den vergangenen zehn Jahre veränderte. Sie analysierten die Entwicklung von mehr als 50 Insurtechs sowie die aktuelle und zukünftige Rolle der großen Technologiekonzerne und neuer Plattformanbieter am deutschen Versicherungsmarkt.
„Partner und Dienstleister
für etablierte Versicherer“
„Die ersten Insurtechs scheiterten größtenteils daran, ihre neuen Service-Angebote für Endkunden zu monetarisieren“, erklärt Horst Kleinlein, Senior Partner bei ZEB. B2B-orientierte Start-ups konnten sich hingegen als Vorreiter etablieren. Sie skalieren Technologien, um Prozesse in das digitale ‚Heute‘ zu heben. Hierbei treten sie als Partner und Dienstleister für etablierte Versicherer auf.“ Auch das Produktportfolio der Insurtechs wurde immer breiter und anspruchsvoller: 40 Anbieter kommen mittlerweile auf 90 Produkte aus mehr als 20 Produktkategorien – unter anderem auch aus komplexeren Segmenten, wie dem Gewerbeversicherungsbereich oder der Kranken- und Altersvorsorge.
Hallo, Herr Kaiser!
Doch auch die etablierten Versicherer holen auf. Sie investieren insbesondere in bessere Beratung und den Ausbau der digitalen Kundeninteraktion. Die 25 größten Versicherer bieten mittlerweile mehr als 70 Prozent der wesentlichen Komposit-Policen digital an. „Das Fast-Following hat sich als Unternehmensstrategie für Versicherer etabliert und die erste Hektik hat sich gelegt. Was heute wie eine Entwarnung für die etablierten Anbieter aussieht, kann allerdings auch als Ruhe vor dem Sturm bezeichnet werden“, ergänzt Thomas Kempf, Geschäftsführer der ID-Fabrik. „Nicht nur die InsurTechs, sondern auch die erfolgreichen Fast-Follower sind hier Konkurrenten“, so Kempf weiter.
„Wer es schafft, die Komplexität aus Produkten und Endkundeninteraktion zu reduzieren, wird sich auf digitalen Kanälen durchsetzen“, erwartet Jens Rieken, Leiter des Sparkassen Innovation Hubs. „Was für Sparkassen und Banken gilt, trifft auch auf Versicherungen zu: Das Damoklesschwert der Big Techs rückt immer näher.“ Das konkrete Bedrohungspotenzial sei unterschiedlich hoch: Während Microsoft und Facebook eher als Partner auftreten, könnten Amazon und Google bald in die Vermittlerrolle drängen. „Sollten es die etablierten Versicherer nicht schaffen, Plattformen mit hohem Kundenmehrwert und Interaktionsquoten zu entwerfen, werden sie in die Rolle reiner Produktgeber zurückgedrängt.“