Merger-Experte Kai Lucks
Konkurrenzdruck: Deutschland muss dringend aufholen
Aktualisiert am 10.03.2023 - 09:58 Uhr

Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Um die Wirtschaft fit für die Zukunft zu machen sind Innovationen, Digitalisierung und schlanke Prozesse unerlässlich. All das ist in Deutschland jedoch Mangelware. Hier sagt Kai Lucks vom Bundesverband Mergers & Acquisitions, warum die Bundesrepublik sofort umsteuern muss, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Wir alle erinnern uns an den Spruch von Angela Merkel, den sie wie ein Mantra immer wieder sagte: „Wir schaffen das.” Ironisch könnte man ergänzen: „…schon irgendwie“. Denn die ehemalige Bundeskanzlerin verpasste uns damit im Grunde nur eine Beruhigungspille. Der Weg war nie klar. Ihre Aussage war so richtig, wie sie auch falsch war. Merkel konnte auf die Kraft der Gesellschaft setzen. Soweit es sich um neue Technologien handelte, konnte sie mit Recht darauf vertrauen, dass deren Vielfalt so groß sein würde, dass immer Wege erschlossen werden können.
In der Tat: Deutschland ist trotz des enormen Rückstands bei Digitalisierung und Vernetzung (Stichwort Industrie 4,0), erstaunlich stark. Unsere großen Forschungs- und Entwicklungsinstitute haben international eine sehr gute Reputation. Wir verfügen über einen Mittelstand, der von 3,6 Millionen Unternehmerinnen und Unternehmern getragen wird. Unter ihnen befinden sich über 1.000 Weltmarktführer, die oft hoch innovativ sind.
Deutschland scheitert an der Umsetzung von Projekten
Die Bundesrepublik hat bei Projekten jedoch Umsetzungsprobleme. Große Projekte wie Stuttgart 21, die Elbphilharmonie und der Berliner Flughafen bestätigen das. Laufende Projekte – etwa die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München – zeigen, dass es nicht besser wird. Die Energiewende – vom Umfang und Risiko her tausendmal größer – könnte sich nach diesen Erfahrungen und unter den gegebenen Strukturen um 10 bis 15 Jahre verzögern.
In der internationalen Zusammenarbeit gelten die Deutschen nicht unbedingt als sicherer Kandidat. Wir wissen teils nicht, was wir wollen und wie die Konsequenzen aussehen. So etwa gegenüber China. Das Reich der Mitte kauft deutsche Technologieunternehmen und schleicht sich Schritt für Schritt stärker in unsere kritische Infrastruktur ein – wie aktuell beim Hamburger Hafen.
Es fehlt bei zukunftsweisenden Projekten sowohl an einer strategisch hinterlegten Führung als auch an professioneller Umsetzung. Die Bundesregierung verfügt über einen Digitalbeirat. Sie erhält den Rat der Wirtschaftsweisen. Vertreter der großen Wirtschaftsverbände gehen bei ihr ein und aus. Alle machen Vorschläge, erstellen Studien und bringen Wünsche vor. Kaum jemand liefert jedoch analytisch untermauerte Strategien, mit denen wir uns im internationalen Kontext positionieren können.
Operative Hürden erschweren Projekte
Deutschland stolpert über operative Hürden in eine unsichere Zukunft. Wir legen mutig Zieljahre fest – etwa für das Erreichen einer CO2-neutralen Industriegesellschaft. Die Bundesländer und verschiedene Interessengruppen stehen geradezu im Wettbewerb miteinander, um immer ehrgeizigere Zeithorizonte zu nennen und zu fordern.
Dabei werden die Limitierungen, die wir alle genau kennen, oft ignoriert. Dazu gehört, dass wir bereits jetzt über einen Mangel von Fachkräften klagen, der um die drei Millionen pendelt und in den kommenden fünf bis zehn Jahren auf über fünf Millionen ansteigen dürfte. Wir geben uns gern der Illusion hin, dass der Fachkräftemangel durch Zuwanderer ausgeglichen werden kann. Dabei können wir diese bei uns nicht unterbringen. In Deutschland gibt es nicht einmal ausreichend Bauaktivitäten, um die eigene Bevölkerung sozialgerecht zu versorgen. Die Zielabweichung liegt derzeit bei rund 50 Prozent – es werden also 200.000 Wohnungen pro Jahr weniger gebaut als nötig.
Wir leiden unter einer Schieflage zwischen Bedarf und Angebot, da wir die universitäre Ausbildung finanziell enorm fördern, die gewerbliche aber sträflich vernachlässigen. Es fehlt in allen Bereichen des Bausektors und der Industrie an Fachkräften. Dagegen erleben wir eine Schwemme von Studienabgängern, die am Arbeitsmarkt teils weniger Chancen haben.
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