Merger-Experte Kai Lucks
Konkurrenzdruck: Deutschland muss dringend aufholen
Aktualisiert am 10.03.2023 - 09:58 Uhr
Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Um die Wirtschaft fit für die Zukunft zu machen sind Innovationen, Digitalisierung und schlanke Prozesse unerlässlich. All das ist in Deutschland jedoch Mangelware. Hier sagt Kai Lucks vom Bundesverband Mergers & Acquisitions, warum die Bundesrepublik sofort umsteuern muss, um im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Die Stromkosten sind bei uns so hoch, dass energieintensive Unternehmen auswandern müssen: etwa nach China, wo Endverbraucher nur ein Fünftel pro Kilowattstunde bezahlen müssen. Außerdem zeigen sich weitere Hürden, wie etwa der mangelnde Zugang zu Seltenen Erden und dem Rückstand in der Halbleiterindustrie, der jetzt durch ein Milliarden-Programm aufgeholt werden soll. Wir leiden unter den weltweiten Lieferengpässen infolge logistischer Probleme und der Verfügbarkeit von Lieferanten. Dem müssen wir uns auch im kommenden Jahrzehnt stellen.
Vor diesem Hintergrund geben wir uns unrealistischen Gedanken wie dem „Wasserstofftraum“ hin. Dabei ignorieren wir, dass Wasserstoff...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die Stromkosten sind bei uns so hoch, dass energieintensive Unternehmen auswandern müssen: etwa nach China, wo Endverbraucher nur ein Fünftel pro Kilowattstunde bezahlen müssen. Außerdem zeigen sich weitere Hürden, wie etwa der mangelnde Zugang zu Seltenen Erden und dem Rückstand in der Halbleiterindustrie, der jetzt durch ein Milliarden-Programm aufgeholt werden soll. Wir leiden unter den weltweiten Lieferengpässen infolge logistischer Probleme und der Verfügbarkeit von Lieferanten. Dem müssen wir uns auch im kommenden Jahrzehnt stellen.
Vor diesem Hintergrund geben wir uns unrealistischen Gedanken wie dem „Wasserstofftraum“ hin. Dabei ignorieren wir, dass Wasserstoff zehnmal teurer sein wird als fossile Brennstoffe. Die technologischen und logistischen Hürden zur Wasserstoff-Eigenversorgung via Windenergie bleiben ungelöst und sind möglicherweise sogar unlösbar.
Viele Branchen wandern aus der Bundesrepublik ab
Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Industrien verloren. Dazu zählt die Datenverarbeitung, die Kommunikationstechnik, Photovoltaik, die Kernkraft und große Teile der Pharmaindustrie. Energieintensive Branchen wie Stahl, Zement und Papier liegen am Boden. Wenn die Grundstoffverarbeitung auswandert, könnte später die Emigration der zugehörigen Veredelungsindustrie folgen. Forschung und Entwicklung werden uns verlassen, so dass wir auch hochspezialisierte und hochbezahlte Arbeitsplätze verlieren.
Deutschland wird nicht zum Einwanderungsland, sondern zum Auswanderungsland wertvoller Arbeitskräfte und Unternehmen. Die Warnung führender Wirtschaftsinstitute, dass Deutschland seinen Wohlstand nicht halten kann, wird wohl bald Realität. Einzelne Strategien allein und verbesserte Umsetzungen hier und dort können uns von diesem dramatischen Szenario nicht retten.
Das genauere Wissen um unsere Zukunft im internationalen Wettbewerb ist aber die Voraussetzung, um die richtigen Hebel an der richtigen Stelle einzusetzen. Wir verfügen über ungenutzte Potenziale, die wir heben können. Wir leisten uns zu viele Arbeitsplätze in Verwaltung, Ämtern und personell überbordenden Ministerien, die zu wenig Beitrag zur Wertschöpfung liefern. Wir sind Weltmeister im Erlass von Gesetzen und Vorschriften und blockieren uns damit. Wir reden vom Abbau bei der Verwaltung und tun leider oft genau das Gegenteil.
Die Verwaltung muss entwirrt werden
Es gibt Modelle, nach denen Verlagerungen von Arbeitsplätzen mit geringem Wertbeitrag in hochproduktive Tätigkeiten einen Teil der Kapazitätsengpässe in Industrie und Gewerbe ausgleichen können. Die systematische Analyse von Mängeln und die Beseitigung von Hürden ist meiner Meinung nach unvermeidbar.
Es sind gerade die Überbesetzungen in Behörden und Ministerien, die die notwendigen Veränderungen in unserer Industriegesellschaft verhindern. Denn jeder neue Staatssekretär wird mit Zähnen und Klauen sein Aufgabenfeld verteidigen und jegliche Veränderung verhindern. Stadtverwaltungen in unseren großen Metropolen sind immer noch vielfach administrativ so atomisiert, dass die zahlreichen Abteilungen sich eher gegenseitig blockieren. Hier sind Veränderungen und Auflösungen im großen Umfang erforderlich.
Das erfordert nicht nur eine grundlegende Umsteuerung und die Änderung unserer Handlungsmaxime, sondern kommt geradezu einem Kulturwandel gleich, dem sich unsere Gesellschaft unterziehen muss. Aus Angst muss Offenheit für neue Aufgaben werden. Wir brauchen statt Technik-Aversionen eine Faszination für Innovationen.
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