DWS-Experte Peter Brodehser „In zehn Jahren wird jeder Infrastruktur-Investments für Privatanleger anbieten“
DAS INVESTMENT: Vor zwei Jahren hat die Bundesregierung mit dem offenen Infrastruktur-Sondervermögen ein neues Fondsvehikel für Privatanleger geschaffen, das Direktinvestments in Infrastruktur-Projekte ermöglicht – bislang ist der DWS Infrastruktur Europa aber das einzige Produkt am Markt. Ist das Anlegerinteresse so gering?
Brodehser: Ganz im Gegenteil – die Privatinvestoren rennen uns die Bude ein. Seit Auflage des Fonds Ende April haben wir alleine im Retail-Geschäft bereits über 170 Millionen Euro eingesammelt. Weitere 80 Millionen Euro sind bislang von institutionellen Anlegern für Investments zugesagt. Als offener Fonds haben wir kein konkretes Zielvolumen. Unsere Vorstellung, nach zwölf Monaten auf 500 Millionen Euro zu kommen, dürften wir nach diesem Start aber erreichen. Längerfristig sollte ein Fondsvolumen von 2 bis 3 Milliarden Euro zusammenkommen.
Gibt es genügend Projekte, in die Sie investieren können?
Brodehser: Wir haben gigantische Projektberge, die auf Finanzierung warten. Ein Beispiel: In Europa werden derzeit nur 15 Prozent des gesamten Primärenergieverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt. Den Großteil machen Kohle, Gas und Atomkraft aus – Technologien, aus denen wir eigentlich aussteigen wollen. Konkret bedeutet das, dass wir in den kommenden Jahren Ersatz für 85 Prozent unserer Energieversorgung schaffen müssen. Der Wandel hin zu einer CO2-neutralen Energieerzeugung beschäftigt uns ja schon seit vielen Jahren. Mit dem Ukraine-Konflikt ist nun noch das Thema Versorgungssicherheit aufgekommen. Hinzu kommt Investitionsbedarf in Straßen, Schulen und öffentliche Gebäude.
„Wir haben gigantische Projektberge, die auf Finanzierung warten“
Wie lässt sich dann die Zurückhaltung im Markt erklären?
Brodehser: Das hat verschiedene Gründe. Ein Produkt auf den Markt zu bringen, das es vorher noch nicht gab, ist aufwendig. Viele Anbieter warten erst einmal ab und setzen dann auf der Pionierarbeit anderer auf. Um mit einem solchen Fonds bei Privatanlegern Erfolg zu haben, braucht es zudem ein großes Vertriebsnetzwerk oder einen Kooperationspartner. Für kleinere Investmenthäuser kann das eine Hürde sein. Ein zentrales Problem ist darüber hinaus, dass zwar viel Geld im Markt ist und es viele Projekte gibt, es aber an Personal mangelt, das diese Bereiche zusammenbringen kann. Trotz aller Hürden dürften aber mehr und mehr Anbieter nachziehen. In zehn Jahren werden Infrastruktur-Investments für Privatanleger eine Anlageklasse sein, die jeder anbietet.
In den vergangenen Jahren war der Markt für Infrastruktur-Investments stark von Großanlegern getrieben. Warum geraten nun Privatinvestoren in den Fokus?
Brodehser: Institutionelle Investoren haben einen Großteil der Infrastruktur-Projekte der vergangenen Jahre finanziert. In der Niedrigzinsphase hat sich der Druck dieser Anleger in den Markt noch einmal verstärkt, weil sie Alternativen zu den klassischen Anleihe-Produkten gesucht haben. Mit den höheren Zinsen bei festverzinslichen Wertpapieren werden die Investitionen von institutionellen Anlegern nun tendenziell wieder abnehmen. Diese Lücke bietet für Privatinvestoren die Chance des Markteintritts. Wir sind davon überzeugt, dass wir in den kommenden Jahren eine Demokratisierung der alternativen Investments sehen werden.
Da müssen auch die Anleger mitmachen. Für wen eignet sich ein solches Produkt?
Brodehser: Wir sprechen mit dem DWS Infrastruktur Europa primär den konservativen, eher risikoaversen Anleger an. Außerdem eignet sich unser Fonds als konservativer Teil eines sportlicheren Portfolios. Wichtig ist noch ein mittelfristiger Anlagehorizont. Heute Anteile zu kaufen und morgen wieder zu verkaufen ist bei dieser Anlageklasse nicht sinnvoll – und von den Anlagebedingungen eines Infrastruktur-Sondervermögens auch gar nicht vorgesehen. Der Charme dieser Investments ist, dass Investoren eine höhere Rendite erwarten können als bei vielen anderen Anlagen ohne dafür ein höheres Risiko eingehen zu müssen.
Woher kommt dann die Mehrrendite?
Brodehser: Die Mehrrendite ergibt sich aus den sogenannten Illiquiditäts-, Komplexitäts- und Durationsprämien. Im Vergleich zu Aktien und Anleihen, die jederzeit am Kapitalmarkt auf Knopfdruck gekauft und wieder verkauft werden können, sind unsere Vermögenswerte in aller Regel illiquide. Wenn wir uns an Wind- und Solarparks oder anderen Infrastrukturprojekten beteiligen, schließen wir Verträge. Kauf und Verkauf dauern entsprechend lange. Für diese Illiquidität erhalten wir als Investor eine Prämie. Unsere Investments sind außerdem komplexer als etwa der Kauf einer Aktie – auch das wird mit einer Prämie berücksichtigt. Und schließlich ist das Geld, das wir investieren, bei solchen Projekten meist sehr lange gebunden. Die Betriebsdauer von Wind- und Solarparks erstreckt sich auf 30 bis 40 Jahre. Entsprechend lange ist das Kapital in diesen Assets gebunden. Dafür wird am Kapitalmarkt eine Durationsprämie gezahlt.
Mit welcher Rendite können die Anleger bei Ihrem Fonds konkret rechnen?
Brodehser: Ziel des Sondervermögensfonds ist es, eine attraktive risikoadjustierte Rendite mit stabilen jährlichen Ausschüttungen bei möglichst geringen Wertschwankungen zu liefern. Wir können uns eine Rendite von 4 bis 5 Prozent pro Jahr für den Investor als Nettoausschüttungsrendite nach allen Kosten vorstellen.
Auf der nächsten Seite: Was Anleger über die Risiken von Infrastruktur-Investments wissen müssen und welche Kritik es an der neuen Fondskategorie gibt.
Bringen solche komplexen Projekte nicht auch höhere Risiken mit sich?
Brodehser: Die komplexere Struktur lässt sich mit einem guten und erfahrenen Team recht gut managen. Dennoch ist das Risiko bei Infrastruktur-Investments sogar deutlich geringer als bei klassischen Aktien und Anleihen. Das liegt daran, dass es bei Infrastrukturprojekten um Basisbedürfnisse unserer Gesellschaft geht, auf die man schlecht verzichten kann, darunter Strom, Wärme, Transport und Kommunikation. Nachfrage und Cashflows sind dadurch stabil, Anleger können stetige Erträge bei geringen Schwankungen erzielen.
„Die Umsetzung ist zwar komplex, die Grundidee aber einfach.“
Dennoch ist das Produkt kompliziert. Wie wollen Sie das Anlegern erklären?
Brodehser: Die Umsetzung ist zwar komplex, die Grundidee aber einfach. Ein Beispiel: Mit einem Windpark wird Strom erzeugt, der zum aktuellen Strompreis in das Netz eingespeist wird und das bringt Geld. Das kann sich jeder vorstellen. Einfacher geht es kaum!
Was passiert, wenn Projekte scheitern?
Brodehser: Ein Großteil unserer Investments – mehr als 50 Prozent – wird zum sogenannten Brownfield-Bereich gehören. Das bedeutet, dass diese Projekte bereits in Betrieb sind oder sehr nah an der Inbetriebnahme stehen. Der Vorteil ist, dass in diesen Fällen ab dem ersten Tag Erträge fließen. Zu einem kleineren Teil werden wir Projekte hinzunehmen, die sich noch im Bau befinden. Die werfen zwar heute noch keine Rendite ab, können aber die Gesamtrendite des Fonds erhöhen. Nicht in den Fonds kommen Projekte, die sich noch in der Entwicklung befinden und für die es noch keine Genehmigungen gibt. Solche Geschäfte passen nicht zu unserem konservativ ausgerichteten Fonds.
In wie viele Projekte haben Sie bereits investiert?
Brodehser: Wir haben schon vor Fondsauflage angefangen, Projekte zu sichten und mit möglichen Partnern zu sprechen, allerdings dauert so ein Prozess einige Monate. Die ersten Investments werden wir in Kürze tätigen.
Energieprojekte wie Wind- und Solarparks haben Sie bereits erwähnt. In welche Bereiche können Sie noch investieren?
Brodehser: Der Bereich, der den größten Anteil ausmachen wird und das meiste Potenzial hat, ist tatsächlich der Energiesektor. Klassischerweise zählt dazu die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien und die entsprechende Energieinfrastruktur wie Stromnetze und Stromspeicher. Darüber hinaus können wir aber noch in drei weitere Infrastruktur-Sektoren investieren: Kommunikationsinfrastruktur wie Glasfaser-Projekte und Daten-Center, Transportinfrastruktur wie Nahverkehrsprojekte und Schnellzugstrecken sowie soziale Infrastruktur, also Krankenhäuser, Universitäten und Schulen.
Auf europäischer Ebene gibt es ja seit 2015 das Fondsvehikel des European Long Term Investment Fund, kurz Eltif, über das Privatanleger ebenfalls in Infrastrukturprojekte investieren können. Warum haben Sie sich für ein deutsches Sondervermögen entschieden?
Brodehser: Die erste Version des europäischen Eltif von 2015 war gut gemeint, weist mit einer Mindestanlage in Höhe von 10.000 Euro aber eine viel zu hohe Einstiegshürde für die meisten Privatanleger auf. Beim deutschen Sondervermögen hingegen können Sparer schon mit Beträgen ab 50 Euro einsteigen. Der Gesetzgeber hat beim Eltif nun nachgebessert. Es bleiben aber strukturelle Nachteile, etwa strengere Anlagegrenzen. Der große Vorteil des Eltif ist jedoch, dass der Fonds mit Auflage direkt europaweit vertrieben werden kann. Beim Infrastruktur-Sondervermögen ist das nur mit deutlich höherem Aufwand möglich, weil Anbieter in jedem Land einzeln eine Vertriebslizenz beantragen müssen. Asset Manager müssen also abwägen, was ihnen wichtiger ist: Mehr Flexibilität bei der Strukturierung oder die europäische Vertriebslizenz von Tag eins an. Da wir uns mit unseren Vertriebsaktivitäten für den DWS Infrastruktur Europa ohnehin auf Deutschland fokussieren möchten, haben wir uns für das deutsche Infrastruktur-Sondervermögen entschieden.
An der steuerlichen Behandlung des Infrastruktur-Sondervermögens gibt es Kritik. Wird das für Anleger zum Hindernis?
Brodehser: In der Tat könnte der Gesetzgeber bei der sogenannten Teilfreistellung der Erträge nachbessern. Eine Regelung analog zu Aktien- und Immobilienfonds wäre zu begrüßen. Allerdings muss man dazu sagen, dass wir Deutschen vom Steuern sparen regelrecht besessen sind. Oft heißt das, dass wir einen Euro zum Fenster hinauswerfen, um 50 Cent vom Finanzamt zurückzubekommen. Mit Sachwerten wollen wir Anlegern ein gutes Maß an Inflationsschutz und Resilienz in Krisenzeiten, stabile Renditen und dazu noch ein Investment in die eigene Zukunft bieten – ob man damit am Ende noch ein paar Euro Steuern sparen kann, sollte nicht im Fokus stehen.
Über den Interviewten:
Peter Brodehser ist Fondsmanager des DWS Infrastruktur Europa (ISIN: DE000DWSE015) und Partner Infrastruktur Investments bei der DWS. Zuvor war er bei der Talanx-Tochter Ampega für Investitionen in Infrastruktur zuständig. Seit April 2022 sitzt Brodehser im Vorstand des Bundesverbands Alternative Investments (BAI).