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Von in FondsLesedauer: 10 Minuten
Erik Podzuweit von Scalable Capital
Erik Podzuweit von Scalable Capital: „Aktuell ist Deutschland unser Kernmarkt. In fünf Jahren könnte sich das angesichts des Potenzials gerade in Ländern wie Frankreich und Italien jedoch ändern.“ | Foto: DAS INVESTMENT / Christoph Fröhlich

Er ist einer der Innovatoren in der deutschen Finanzszene: Erik Podzuweit, Mitgründer und CEO des Fintechs Scalable Capital. Seit der Firmengründung 2014 sorgt das Fintech (was man damals noch gar nicht so nannte) für mächtig frischen Wind am Markt für Geldanlagen. Im Interview mit DAS INVESTMENT Academy verrät Podzuweit, wie sein Unternehmen mit mutigen Kampagnen auf sich aufmerksam macht, welche Expansionspläne er in Europa verfolgt und wie Scalable Capital die mitunter komplexe Welt der Geldanlage für Otto Normalanleger öffnen will.

DAS INVESTMENT Academy: Erik, eure Marketingkampagnen sind kreativ, ecken aber hier und da an – wir erwähnen nur den Spruch „Wohin mit der Asche von Opa?“. Würdest du dieses Plakat noch einmal überlebensgroß drucken und in ganz Deutschland aufstellen?

Erik Podzuweit: Ja, auf jeden Fall. Die Kampagne soll bewusst polarisieren: clever, witzig, aber nicht einfach nur provokant. Wir wollen wichtige gesellschaftliche Themen aufgreifen. Der Spruch spielt darauf an, dass in den kommenden Jahren sehr viel Geld durch Erbschaften an Privathaushalte fließt. Uns steht die größte Erbschaftswelle in Europa seit Jahrzehnten bevor. Die meisten wissen dann jedoch gar nicht, wie sie es richtig anlegen. Viele lassen ihr Geld bis heute einfach auf dem Konto versauern, ohne über Inflation und andere Effekte nachzudenken. Genau da wollen wir mit unserer Out-of Home-Kampagne zum Nachdenken anregen. Gleichzeitig ist die Strategie bei uns immer auf Langfristigkeit ausgelegt. Auch wenn einzelne Motive polarisieren mögen, das passt zu unserem Image und zu der Art, wie wir kommunizieren.

Die Finanzbranche kommuniziert eher brav, versteckt sich hinter vielen Disclaimern. Motto: Bloß nicht anecken. Braucht sie mehr Mut?

Podzuweit: Es braucht auf jeden Fall den richtigen Mut: In der Vergangenheit wurden hier und da von einigen Anbietern hohe Renditen versprochen, die Produkte am Ende nicht halten konnten. Uns geht es darum, Geldanlage einer breiten Masse zugänglich zu machen, dass sie wegkommt aus der Nische. Die junge Generation interessiert sich mehr dafür, auch dank einfacherer Produkte wie ETFs. Da kann provokante, aber nicht unseriöse Werbung helfen.

Erreicht ihr damit auch andere Kundengruppen als Mitbewerber, die sich eher auf, nunja, klassisches Marketing verlassen?

Podzuweit: Diese Art der Kampagne soll ganz gezielt Menschen adressieren, die wir mit klassischen Bank- und Börsenbildern nicht erreichen würden – beispielsweise Kreativschaffende. Deshalb setzen wir auf Wortwitze oder Anspielungen an die moderne Popkultur. Wir sehen das zum Beispiel daran, wie stark unsere Motive auf Social Media in der Zielgruppe der 25- bis 40-Jährigen geteilt und diskutiert werden. Darunter sind viele Leute aus Mode, Design, Architektur und Journalismus. Sprich: Menschen, für die Finanzen bisher oft ein trockenes Thema waren.

 

Du sprichst jetzt kreative Menschen an. Aber am Anfang habt ihr euch vor allem an ein technikaffines Publikum gewandt.

Podzuweit: Eine unserer ersten großen Kundengruppen waren tatsächlich Software-Entwickler und generell technologie-orientierte Berufsgruppen. Das sind von Haus aus schon digitalaffine Menschen, denen ein Online-Broker mit App besonders zusagt. Gleichzeitig arbeiten in diesem Umfeld überproportional viele gut ausgebildete Fachkräfte mit höherem Einkommen. Damit einher geht ein großes Interesse, das eigene Geld gewinnbringend anzulegen, auch in Aktien und Fonds. Diese Gruppe konnten wir mit unserem Verständnis für digitale Prozesse und datenbasierte Angebote ideal erreichen. Sie waren die ersten „Early Adopter“ für Scalable Capital und unsere Plattform. Heute sind wir offen, auch durch unsere Marketing-Maßnahmen wie die aktuelle Kampagne für breitere, weniger technikfokussierte Zielgruppen.

Sagen wir, die Neugier wird durch die Plakate geweckt und man eröffnet ein Depot. Dann erwartet einen die komplexe Welt der Finanzprodukte: ESG, ETF, thesaurierend und Co. Diese Komplexität schreckt oft ab. Was muss die Branche besser machen?

Podzuweit: Wir bauen ein neues Ökosystem auf zwischen Informationsplattformen und einfach nutzbaren Anlageprodukten beim Online-Broker. Früher informierte man sich bei seiner Hausbank oder in Fachartikeln. Heute erklären Hosts wie Thomas Kehl auf Youtube verständlich Produkte wie ETFs. Broker bieten zugleich einfache Sparpläne an. Die Kombination ermöglicht deutlich mehr Privatanlegern den Einstieg ins Investieren.

Robo-Advisor lösen ja im Grunde dieses Problem: Man muss sich um nichts mehr kümmern, ein Algorithmus legt das Geld bestmöglich nach den eigenen Präferenzen an. Dennoch zünden sie bis heute nicht am Markt, wie es Experten erwartet haben. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Podzuweit: Das hat mehrere Gründe: Erstens waren Broker in den letzten Jahren schlicht spannender. Man sieht, dass Börsen-Storys wie Nvidia die Anleger in Scharen begeistern. Wenn die Börsen jetzt seitwärts laufen, könnten automatisierte Anlagevorschläge der Robos aber wieder interessanter werden. Zweitens übernimmt das neue Finanz-Ökosystem aus Infoportalen und Broker-Sparplänen den Part der Robos zum Teil. Viele Kunden wollen nicht komplett die Verantwortung abgeben, sondern wollen einfachen Zugang sowie Sparplanmöglichkeiten – und bleiben selbst am Drücker. Ein dritter Punkt ist allerdings auch die Regulierung. Bei Robo-Advisors muss man schon aus Haftungsgründen mehr Fragebögen durchlaufen – auch wenn es bei uns nur wenige Klicks sind. Das schreckt manche Anleger dann doch ab, auch wenn die Technologie ihnen im Anschluss viel Arbeit abnimmt.

Das ist ja eigentlich kurios: Man kann das gesamte Vermögen in eine Aktie stecken, aber bei der Vermögensverwaltung machen die Auflagen es einem schwer, loszulegen. Ist das denn im Sinne des Erfinders?

Podzuweit: Ich denke nicht. Wir sprechen dazu immer wieder mal in der Politik vor und hoffen, diese Stolpersteine gemeinsam auszuräumen. Doch derzeit scheint die Politik in dieser Sache nicht nennenswert voranzukommen.

Auch das Thema nachhaltige Geldanlage wird wichtiger, ist aber sehr komplex. Wer weiß schon, wofür ESG steht und wie Ausschlusskriterien genau gestaltet sind. Wie schafft man da mehr Klarheit?

Podzuweit: Diese Unschärfe müssen wir als Branche dringend beheben. Bei Aktien gibt es sehr unterschiedliche Nachhaltigkeits-Kriterien. Es braucht insgesamt eine Vereinfachung und einheitlichere Mindeststandards.

Aber es gibt doch eine Baseline an nachhaltigen Standards, oder?

Podzuweit: Kernaussagen wie „keine Kinderarbeit“ sind klar, da sind sich alle einig. Aber was genau „saubere“ Energie ist, da gehen die Meinungen weit auseinander. Für den einen ist Atomkraft bereits ein Ausschlusskriterium, für den anderen noch nachhaltig. Wir brauchen klare Definitionen und mehr Vergleichbarkeit, sonst bleibt das Thema zu komplex für den Mainstream.

Das obliegt am Ende den ETF-Anbietern. Wie schafft ihr als Plattform selbst mehr Klarheit für eure Kunden, was Nachhaltigkeit angeht? Immerhin zeigen Umfragen immer wieder, dass vor allem junge Leute ihr Geld gerne sinnstiftend anlegen wollen.

Podzuweit: Wir wählen für unsere nachhaltigen Anlagemodelle in der Wealth-Funktion, also dem Robo, ganz bewusst die strengsten Standards. Auch durch Bildung und Transparenz schaffen wir Klarheit: In verständlichen Erklärvideos, Podcasts und Artikeln zeigen wir, worauf es bei nachhaltiger Geldanlage ankommt. Zusammen mit Produktkennzeichnungen ermöglicht das immer mehr Privatleuten, in diesem Bereich die richtigen Entscheidungen zu treffen.

 

Eine interessante Funktion ist Insights, die ihr gemeinsam mit einem großen Vermögensverwalter integriert habt. Darin kann man simulieren, wie das eigene Depot im Falle eines Crashs abschneiden würde. Was hat es damit auf sich?

Podzuweit: Wir bieten damit Analysen zur Diversifikation und Risikoabschätzung an. Anleger sehen so, ob ihr Portfolio ausgewogen investiert ist und können eventuelle Lücken in bestimmten Sektoren schließen. Zudem gibt es Einblicke, wie sich das eigene Portfolio im Falle eines sinkenden Marktes entwickeln würde. Das hilft vielleicht dem einen oder anderen psychologisch im Ernstfall durchzuhalten und nicht am Tiefpunkt die Aktien zu verkaufen. Das ist einer der größten Fehler, den man unbedingt vermeiden sollte.

 Das Tool richtet sich eher an Privatanleger. In den letzten Monaten kam auch das „Investieren wie die Profis“ in Mode. Private-Equity-Fonds und Eltifs sind derzeit in der Branche ein Buzzword. Damit können auch Privatanleger mit vergleichsweise kleinen Tickets in Infrastruktur wie Flughäfen oder Windparks investieren. Ist das mehr als ein kurzfristiger Trend?

Podzuweit: Das ist tatsächlich eine sehr spannende Entwicklung. Durch neue Regulierung werden diese früher sehr exklusiven Anlagemöglichkeiten nun auch für Privatanleger in standardisierter Form zugänglich. Und der Markt ist enorm: Schätzungen zufolge finden mehr als 80 Prozent der Wirtschaft abseits der klassischen Börsen statt. Diese neuen Angebote für Private Equity und Venture Capital für jedermann öffnen den Zugang zu einer gewaltigen, für Kleinanleger noch weitgehend unerschlossenen Anlageklasse. Ich bin sehr gespannt, wohin sich die Reise entwickelt.

Trade Republic, euer wohl größter Mitbewerber, hat vor Kurzem eine Geldkarte gestartet, die zum Social-Media-Hit wurde. Habt ihr euch da die Butter vom Brot nehmen lassen?

Podzuweit: Wir brauchen keine eigene Debitkarte. Denn diese erfordert unter anderem den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur für Zahlungsverkehr und Kundenservice. Das ist nicht unser Fokus – wir sehen uns in erster Linie als Investmentplattform. Mittelfristig ist nicht ausgeschlossen, dass auch wir irgendwann mal eine Scalable-Karte launchen. Aktuell steht eine solche jedoch nicht auf der Agenda, da es für uns wichtigere Hebel gibt, um zu wachsen.

Ihr seid als Firma stark gewachsen, habt jetzt über 500 Mitarbeitende. Wie schafft ihr es, agil zu bleiben?

Podzuweit: Das ist in der Tat nicht selbstverständlich. Erstens achten wir darauf, nicht zu groß zu werden. Denn irgendwann kommt der Punkt, an dem man als Unternehmen naturgemäß träger wird. Dieser Größe nähern wir uns bewusst nur langsam an. Zweitens haben alle Mitarbeitenden bei uns eine konkrete Aufgabe. Bei uns arbeitet also niemand als reine Führungskraft, die nur Teams oder Personen managt. Jeder trägt Eigenverantwortung für seinen Bereich. Selbst als Vorstandsmitglied bleibe ich nah am Tagesgeschäft. Auch als Geschäftsführer sollte man die Tiefen seines Produktes erklären können. Drittens legen wir Wert auf flache Hierarchien und direkte Kommunikation, auch beim Feedback. Statt in Silos nebeneinanderher zu arbeiten, lernen alle voneinander. Viertens fördern wir starkes Wissen bei jedem Einzelnen zu Finanzen - nicht nur im Produktmanagement. Nur wenn alle Trends, Technologien und Kundenbedürfnisse tief verstehen, können sie unsere Innovationen zielführend vorantreiben.

Was war im Rückblick eine Entscheidung, die du so nicht nochmal treffen würdest?

Podzuweit: Eine bereue ich tatsächlich: Ich hätte unseren Broker deutlich früher starten sollen und nicht erst nach längerer Zeit der Abwägung. Unsere Befürchtung war, dass er unser Kerngeschäft kannibalisiert. Eine typische Denkfalle: Wenn ein neuer Bereich Erfolg hat, sollte man ihn auf jeden Fall vorantreiben - auch wenn die ersten Opfer die eigenen etablierten Produkte sein könnten. Sonst springt garantiert ein Konkurrent auf den Zug auf. Siehe etwa Nokia: Die waren Marktführer bei Mobiltelefonen und haben den Smartphone-Trend verschlafen. Der Rest ist Geschichte.

Die Konkurrenz ist groß. Wie wollt ihr Scalable Capital in den kommenden fünf Jahren ausrichten, um weiter Erfolg zu haben?

Podzuweit: Wir haben viele Neuerungen und Ideen in der Pipeline. Für die nächsten fünf Jahre ist unser Fokus, die führende Investmentplattform im deutschen Markt zu werden - und perspektivisch auch europäischer Champion. Die klassischen Banken und Broker werden das meiner Meinung nach nicht schaffen. Denn die Denkweise dort ist immer noch nicht vollends digital, die Angebote zu komplex, mit endlosen Features überladen, die kein Kunde wirklich braucht.

 

Und ihr macht das anders?

Podzuweit: Wir setzen dem einen sehr cleanen, fokussierten Ansatz entgegen: Ein schlankes Produkt für alle Kern-Investments zum Vermögensaufbau. Ergänzt um Tools, die das Investieren tatsächlich erleichtern. In der digitalen Vermögensverwaltung setzen wir beispielsweise auf automatische Ausnutzung des Sparer-Pauschbetrags, Überlappungskontrolle oder, ESG-Analysen. So kann der Kunde seine Strategie selbst bestimmen, muss sich aber nicht mehr den Kopf über steuerliche Details zerbrechen oder stundenlang Depots managen. Genau diese Freiheit bei gleichzeitiger Vereinfachung ist unser Ziel und der Grund, warum wir die anderen hinter uns lassen werden. Denn ich glaube generell, dass sich die Finanzindustrie sehr stark zersplittern wird: Die „Bank der Zukunft“ besteht dann aus drei bis fünf verschiedenen Anbietern und Apps, die jeweils auf einen Use Case spezialisiert sind. Scalable deckt als zentrale Investment-Plattform dabei einen wichtigen Teil im Leben der Kunden ab. In dieser Position sehe ich uns langfristig – nicht nur in Deutschland, sondern perspektivisch auch in ganz Europa.

Eure Homebase ist Deutschland. Wie wichtig ist der Rest Europas, gar die Welt?

Podzuweit: Aktuell ist Deutschland unser Kernmarkt. In fünf Jahren könnte sich das angesichts des Potenzials gerade in Ländern wie Frankreich und Italien jedoch ändern. Internationalisierung hat für uns hohe Priorität. Gerade im europäischen Ausland fehlt noch vielerorts ein einfacher Zugang zu Aktien, ETFs und Co. Da gibt es noch einige weiße Flecken. Gerade Sparpläne sind in anderen Ländern noch nicht so weit verbreitet. Da können und werden wir bei der Expansion ansetzen. Deutschland wird weiter eine große Rolle spielen, aber alle anderen Länder zusammengenommen könnten fast genauso bedeutend sein. Ein paneuropäischer Ansatz ist unser Ziel. Nur den USA erteilen wir vorerst eine Absage, hier haben sich schon andere Unternehmen die Zähne ausgebissen.

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