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Interview mit Fondsmanager „Herr de Bruin, wie viele Positionen in einem Fonds sind zu viele?“

Francois de Bruin von Aviva Investors im Interview
Francois de Bruin von Aviva Investors im Interview | Foto: Christoph Fröhlich

DAS INVESTMENT: Herr de Bruin, mit dem Global Equity Endurance Fund suchen Sie nach Unternehmen mit robusten Bilanzen, nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen und berechenbaren Geschäftsmodellen. Ist die Welt angesichts der Dauerkrisen überhaupt noch berechenbar?

Francois de Bruin: Makroökonomische Stimmungen lassen sich nicht vorhersagen. Niemand weiß, welche Krise es in einem Jahr gibt, ob die Zinssätze weiter steigen oder zeitnah fallen. Das ist völlig unvorhersehbar. Wir managen einen langfristig ausgelegten Fonds, dafür brauchen wir jedoch eine gewisse Vorhersehbarkeit. Und die finden wir auf Unternehmensebene.

Nach welchen Aspekten halten Sie Ausschau?

De Bruin: Wir suchen nach Unternehmen mit echten Wettbewerbsvorteilen. Denn diese können über lange Zeit aufrechterhalten werden. Hat man ein Unternehmen gefunden, dass sich in einem Duopol oder gar Monopol befindet, ist es schwierig für andere Unternehmen, in den Markt einzusteigen und mit ihnen zu konkurrieren. Unternehmen mit fest verankerten, vorhersehbaren Geschäftsmodellen sind für uns der Goldstandard.  

Warren Buffett nannte solch einen Wettbewerbsvorteil einmal einen Burggraben. Auf welche Kennzahl kommt es dabei an? 

De Bruin: Das können verschiedene Aspekte sein, etwa eine populäre Marke oder ein struktureller Kostenvorteil. Wichtig ist, dass dadurch ein längerfristiges Cashflow-Wachstum unterstützt wird. 

 

Starke Marken können ein Vorteil sein, sind aber keine Garantie. Man denke nur an Adidas und Kanye West. Die Skandale des Rappers haben den Konzern einen Umsatzausfall von einer Milliarde beschert. Das passt doch nicht zur von Ihnen angesprochenen Vorhersehbarkeit? 

De Bruin: Ein gutes Beispiel, warum wir in unserer dauerhaften Strategie nicht alle Wettbewerbsfaktoren gleich gewichten. Die Kraft der Marke ist nur ein Baustein. Wir konzentrieren uns vor allem auf Netzwerkeffekte. Die bedeuten vereinfacht gesagt, dass der Nutzen für die bestehenden Kunden steigt, je mehr Kunden sich einem Netzwerk anschließen. Ein Musterbeispiel dafür ist Visa. Je mehr Menschen eine Visa-Karte nutzen, desto mehr Händler akzeptieren sie und desto stärker wird das Zahlungsnetz selbst. Wenn wir also über die Wettbewerbspositionierung nachdenken, sind wir von den traditionellen Vorteilen wie Kosten- und Skalenvorteilen zu Netzwerkeffekten übergegangen.

Sind diese Netzwerkeffekte ein neues Phänomen?

De Bruin: Netzwerkeffekte gab es schon immer, aber sie haben sich erst in den letzten 15 Jahren richtig entfaltet. Und das liegt am digitalen Zeitalter. Das Internet hat es uns ermöglicht, Informationen und geistiges Eigentum auf eine Art und Weise zu transportieren, wie wir es zuvor nicht konnten. Wenn Netzwerkeffekte gedeihen, blühen die Ideen auf und Systeme können sich völlig verändern. Ein fantastisches Beispiel dafür ist Google, man findet solche Beispiele aber auch im Finanzsektor oder der Industrie.

Was unterscheidet diese Unternehmen langfristig von anderen? 

De Bruin: Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass diese Unternehmen vor allem den Fokus darauf legen, inwieweit sie für ihre Kunden einen Mehrwert erzielen können und nicht nur für ihre Aktionäre. Sie schauen auch, wie sie das eigene Wachstum zum Vorteil für Kunden als auch die Aktionäre nutzen. Diese Unternehmen haben eine völlig andere Denkweise als die traditionellen Unternehmen, wie sie Warren Buffett früher beschrieben hat.

Francois de Bruin von Aviva Investors:
Francois de Bruin von Aviva Investors: „Es gibt viele Unternehmen, die in unseren Augen langfristig weiterwachsen können, obwohl sie bereits ihren Markt dominieren“ © Christoph Fröhlich

Im Umkehrschluss müsste das bedeuten, dass Sie die ausgewählten Unternehmen über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Ihrem Fonds halten.

De Bruin: Im Idealfall wollen wir eine Position für immer halten. Schließlich suchen wir nach Unternehmen, die langfristig ihre Cashflows steigern, was zu immer höheren Renditen führt. In der Realität verhält sich der Markt jedoch oft irrational. Aufgrund der niedrigen Zinsen, der Covid-Pandemie und vieler weiterer globaler Ereignisse gab es in den letzten zehn Jahren viel Volatilität. Nach oben, wie 2021, als viele Bewertungen im Tech-Sektor ihren Peak erreichten. Und nach unten, wie im vergangenen Jahr, als einige Teile des Marktes übermäßig diskontiert wurden.

Volatilität bedeutet mitunter auch Kaufgelegenheiten. 

De Bruin: Absolut. Wir sind sehr preisbewusst. Denn der Preis ist das, was man bezahlt, aber der Wert ist das, was man bekommt. Und deshalb blicken wir immer auf den Wert von Unternehmen.  

Wie bestimmen Sie den intrinsischen Wert eines Unternehmens?

De Bruin: Wir betrachten die diskontierten Cashflows, analysieren jedoch wie eingangs erwähnt intensiv die Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens. Wir blicken weniger darauf, wo ein Unternehmen im nächsten oder übernächsten Quartal stehen wird. Sondern wie dessen Wettbewerbsposition in den nächsten 10 oder 20 Jahren aussieht und wie es Renditen erzielt, die über den Kapitalkosten liegen. Denn das ist es, was Wertschöpfung ausmacht.

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Sie sind einer der Mit-Autoren der „Fünf Grundsätze für eine beständige Leistung“. Darin heißt es, breite Streuung funktioniere nur bis zu einem bestimmten Punkt. Ab 20 Positionen nimmt die Wirkung mehr und mehr ab. Hat Sie das überrascht?

De Bruin: Nein, ganz und gar nicht. Als fundamentaler Investor hat man ein gut diversifiziertes Portfolio, wenn man 20 Unternehmen hat, die sich in Bezug auf ihre wirtschaftliche Exposition, ihren Kundenstamm und ihre Renditetreiber grundlegend unterscheiden. Wie sagte Peter Lynch mal sinngemäß zur Diversifizierung: "Aktien zu halten ist ähnlich wie Kinder zu haben - engagiere dich nicht mehr, als du bewältigen kannst." Als aktive Fondsmanager teilen wir diesen Grundsatz von ganzem Herzen.

Wie viele Titel haben Sie derzeit im Portfolio?

De Bruin: Derzeit sind es um die 30, normalerweise sind es zwischen 20 und 40. Jeder Titel, der in das Portfolio aufgenommen wird, muss aus Rendite-Sicht einen Beitrag leisten. Und man muss die jeweiligen Risiken verstehen. Nur so kann man gut gestreute Portfolios zusammenstellen.

Fonds mit mehr als 50 Positionen sind für Sie also bereits ineffizient?

De Bruin: Das hängt vom Fondsmanager und seiner Anlage-Philosophie ab. Wir haben festgestellt, dass es bei 80 Beteiligungen viel schwieriger ist, die Entwicklung von Beteiligung Nr. 79 wirklich im Auge zu behalten. Denn die ist für den Gesamterfolg genauso wichtig wie die größte Position in einem Portfolio. Bei vielen Positionen ist es auch schwieriger zu verstehen, wie die Risiken der jeweiligen Unternehmen zusammenhängen. Weniger ist in diesem Fall wirklich mehr.

Dabei verlassen Sie sich sicherlich auf die Analysen Ihrer Kolleginnen und Kollegen. Wie groß ist das Team bei Aviva? 

De Bruin: In unserem Aktiengeschäft beschäftigen wir 25 Analysten. Dadurch sind wir in der Lage, die langfristigen Faktoren von Unternehmen im Detail zu verstehen.

 

Kommen wir noch einmal zurück zum ersten Punkt: Planbarkeit. Für viele Portfolio-Manager sind Konsumgüterhersteller der Inbegriff von Planbarkeit. Für sie nicht. Wie kommt’s? 

De Bruin: Viele verwechseln Vorhersagbarkeit mit Qualität. Man muss mit den Cashflows aus vorhersagbaren Geschäftsmodellen jedoch auch produktiv umgehen. Es geht um das Verhältnis von Defensivität und Chancen. Das heißt im Klartext: Man darf bei Aktien nicht nur auf den Schutz nach unten fixiert sein. Im letzten Jahr haben Sie beispielsweise gesehen, dass Sektoren wie das traditionelle Gesundheitswesen und Basiskonsumgüter von Zeit zu Zeit sehr teuer bewertet sind. Aber wenn sich die Märkte erholen, werden diese unweigerlich zurückbleiben, weil sie per se nicht mit dem allgemeinen Tempo des Marktes zulegen. Wir suchen nach Unternehmen mit vorhersehbaren, beständigem Wachstum. Und wir versuchen zu profitieren, wenn der Markt diese Eigenschaften falsch bewertet.

Man muss wissen, wann man ein- und wann man aussteigen muss. Das klassische Problem des Markt-Timings.

De Bruin: Unser Ansatz ist völlig anders. Wir wollen Unternehmen finden, die über alle Zyklen hinweg einen dauerhaften Wert bieten. Die von Natur aus widerstandsfähig sind, wenn es darum geht, wie sie Kapital aufbauen. Die wenig Fremdkapital benötigen und mit ihren Kunden fest verwurzelt sind, auch in einem möglichen Abschwung. Und die dank Netzwerkeffekten in einem Aufwärtsmarkt dann auch skalieren.

Die Unternehmen dürfen dann also noch nicht zu groß sein. Sie suchen also nach dem nächsten Facebook vor dem Social-Boom oder Netflix vor dem Streaming-Hype?

De Bruin: Bei den meisten Unternehmen nimmt die Rendite ab einer bestimmten Größe ab. Bei Unternehmen mit ausgeprägtem Netzwerkeffekt ist das anders. Hier nimmt das zukünftige Wachstum exponentiell zu, je mehr man wächst. Wachstum erzeugt weiteres Wachstum. Siehe das Visa-Zahlungsnetz. Es gibt viele Unternehmen, die in unseren Augen langfristig weiterwachsen können, obwohl sie bereits ihren Markt dominieren: Alphabet, Moody's, S&P Global Ratings, Thermo Fisher, Costco Wholesale. Bei all diesen Konzernen sind die strukturellen Treiber nach wie vor intakt. Wenn wir den richtigen Preis für die Unternehmen bezahlen, wissen wir: Die Zeit ist auf unserer Seite.

Über den Interviewten:

Francois de Bruin begann seine Karriere bei Bridge Fund Managers als Analyst für Multi-Assets und renditeorientierte Aktien einschließlich börsennotierter Immobilien und ist Mitglied des Global Properties Research Index Committee. Mittlerweile verwaltet er den Sustainable Income & Growth Fund und ist als Head of Listed Real Estate für die Verwaltung von globalen und regionalen börsennotierten Immobilienportfolios verantwortlich. Zudem ist er Responsible Investment Officer von Aviva Investors.

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