Interview zum Versicherungsvertrieb „Provisionsverbot-Debatte lässt Makler über Honorarberatung nachdenken“
DAS INVESTMENT: Bei der Versicherungsmesse DKM ging es in diesem Jahr viel um Künstliche Intelligenz, kurz KI, in der Assekuranz. Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Heiko Reddmann: Die KI steht grundsätzlich für effizientere Prozesse und die Möglichkeit zur Skalierung. Für Finanzberater besteht dadurch die Chance, mehr Zeit für die Beratung von Mensch zu Mensch zu schaffen, indem die Künstliche Intelligenz beispielsweise Terminplanung und Klärung von vorbereitenden Fragen übernimmt. Der Faktor Mensch kommt dann an der Stelle zum Tragen, wo die KI aufhört. Dort, wo es um die individuellen Bedürfnisse der Kunden geht, und um die Suche nach passenden Lösungen. Empathie, Vertrauen und Sicherheit. Das kann die KI nicht leisten.
Inwiefern haben neue Technologien bereits heute die Honorarberatung verändert?
Reddmann: Auch in der honorarbasierten Finanzberatung hat sich durch den technologischen Wandel in den vergangenen Jahren Einiges verschoben. So finden Beratungsgespräche seltener bei den Kunden zu Hause statt, sondern eher im Maklerbüro oder auch online per Videokonferenz. Und inhaltlich steht nicht mehr die Vermittlung von Informationen im Vordergrund. Denn insbesondere junge Kunden haben sich das Wichtigste oft bereits im Vorfeld online angelesen. Daher geht es für den Finanzberater weniger darum, allgemeine Fakten zu liefern. Stattdessen geht es darum, das Wissen über den Einsatz und die Vorteile bestimmter Produkte auf den konkreten Kundenbedarf zu beziehen. Das Ziel: Die Kunden in die Lage versetzen, selbst eine Entscheidung über ihre Finanzen zu treffen. Sie sollen dadurch im Nachhinein auch keine Kaufreue fühlen, sondern sich in ihrer Entscheidung bestätigt sehen.
Das wollen doch genauso auch Versicherungsvermittler, die über Provisionen vergütet werden.
Reddmann: Das schon. Bei der Beratung gegen Honorar spielt es jedoch nur eine nebengeordnete Rolle, ob am Ende überhaupt ein Finanzprodukt vermittelt wird. Die entscheidende Frage ist vielmehr, was die bestmögliche Lösung für die Kunden ist. Das kann auch einmal bedeuten, dass kein weiterer Versicherungsvertrag unterschrieben wird. Deshalb ist es gut, wenn die Beratervergütung transparent und individuell mit den Kunden vereinbart ist. Denn die Kunden erhalten ein besseres Bauchgefühl, wenn sie wissen, wie und für was ihr Finanzberater entlohnt wird.
Warum aber ist der Anteil der Honorarberatung am gesamten Versicherungsmarkt nach wie vor so gering?
Reddmann: Die Anzahl reiner Versicherungsberater ist in der Tat sehr gering, wie aus den Statistiken der deutschen Industrie- und Handelskammern hervorgeht. Allerdings ist die Zahl derer, die hybrid mit Provisionen und Honoraren arbeiten, deutlich höher. Und er könnte noch viel höher sein: Viele Versicherungsvermittler wissen nicht, dass man als Makler den Endkunden auch eigene Honorare in Rechnung stellen kann – alternativ zur klassischen Provision vom Produktgeber. Das stellen wir auch heutzutage noch regelmäßig fest. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie viele Leute das nicht wissen und dankbar sind, diese Alternative kennengelernt zu haben.
Und wie können die Versicherungsmakler dann diese Alternative für sich nutzen?
Reddmann: Um als hybrider Makler zu arbeiten, muss man zunächst einmal lernen, die Beratung unabhängig von einzelnen Produkten zu betrachten und vielmehr die individuellen Wünsche, Bedürfnisse und Möglichkeiten der Kunden in den Fokus zu rücken. Bei der konkreten Umsetzung des neuen Geschäftsmodells Honorarberatung geht es dann später auch um die Frage, wie genau die erbrachte Leistung beziehungsweise der Service rundherum entlohnt werden sollen. Hierfür bieten sich beispielsweise Stundenhonorare oder Service-Pauschalen an. Letzteres ist ein oft monatlich gezahltes Entgelt, um sich eine laufende Betreuung vergüten zu lassen, welche über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht.
Inwiefern kommt die Honorarberatung auch für junge Neueinsteiger in die Selbstständigkeit als Versicherungsmakler infrage?
Reddmann: Unserer Erfahrung nach sind insbesondere viele jüngere Makler überaus offen für die Möglichkeit, als hybrider Makler tätig zu sein. Wir erleben zunehmend, dass sich die junge Maklergeneration gegenüber ihren Kunden als langfristig vertrauensvoller Versicherungs- und Finanzbetreuer etablieren will, anstatt auf kurzfristige Vermittlungserfolge zu setzen. Die Arbeit als hybrider Makler macht eben diesen Wunsch möglich. Bei Provision und Honorar gibt es ja wie bereits erwähnt kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Auf diese Weise stehen hybriden Maklern alle Türen offen, um ihren Kunden diejenigen Produkte zu bieten, die individuell am besten geeignet sind. Deshalb beobachten wir bei jungen Maklern aber auch in der breiten Vermittlerschaft insgesamt ein steigendes Interesse an der Honorarberatung.
Hallo, Herr Kaiser!
Wie könnte das neue Geschäftsmodell eines hybriden Maklers konkret aussehen? Und worauf ist besonders zu achten?
Reddmann: Die Integration der Honorarberatung sollte hierbei als eine Erweiterung des eigenen Angebots verstanden werden. So ist es möglich, Schritt für Schritt in das Honorargeschäft einzusteigen, ohne abrupt die bekannten Wege zu verlassen. Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei die transparente und vertrauensvolle Kommunikation zwischen dem Finanzberater und den Kunden. Denn beispielsweise im Bereich der persönlichen Altersvorsorge ist eine umfassende Beratung der Kunden unumgänglich, um den individuellen Bedarf zu ermitteln und die richtigen Anlage- und Vorsorgelösungen herauszufiltern. Diese Beraterleistung sollte berechtigterweise auch angemessen bezahlt werden – sei es nun über eine Provision- oder über eine Honorarvereinbarung. Allerdings sind Honorarlösungen oft viel flexibler und bieten in der Regel auch wirtschaftliche Vorteile für die Kunden. Durch das Angebot beider Vergütungsmodelle können Kunden und Berater dann gemeinsam entscheiden, was in der jeweiligen Situation für die Kunden am geeignetsten ist. Wichtig ist, dass der Berater seinen Kunden transparent und auf verständliche Weise die Möglichkeiten sowie Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Angebote und Vergütungsmodelle aufzeigt.
Hierfür braucht aber auch der Makler selbst Hilfe. Wie unterstützen Sie Versicherungsvermittler, die sich für den Einstieg in die Honorarberatung interessieren?
Reddmann: Wir helfen interessierten Finanzberatern vollumfänglich beim Auf- und Ausbau ihres Honorargeschäfts. Hierfür stellen wir unseren Partnern einen persönlichen Business Coach zur Seite, der bei der individuellen Geschäftsmodellierung unterstützt und auf die spezifische Situation vor Ort eingeht. Neben rechtlichen Rahmenbedingungen und betriebswirtschaftlichen Chancen zeigen wir unseren Partnern dabei auch auf, wie sie sich als Honorarexperte profilieren können. Die zahlreichen Weiterbildungsangebote unserer hauseigenen Akademie sorgen dafür, dass unsere Partner alle Honorar-Basics kennen und auf dem Laufenden bleiben. Darüber hinaus bieten wir auch alle Tools und Services, die eine professionelle Honorarberatung erfordert. Neben unserem finanzmathematischen Vergleichsrechner, dem Zugang zu exklusiven Nettotarifen oder honorarbasierten Vertragsvorlagen übernehmen wir auch das komplette Zahlungsmanagement. Denn wir verfügen über die dafür notwendige Lizenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Abwicklung von Zahlungsdienstleistungen, die sogenannte ZAG-Lizenz. Wir leiten die bei den Kunden eingezogenen Honorare in der Regel ohne Abzug direkt an unsere Partner weiter.
Daneben helfen Sie Maklern dabei, sich gegenseitig zu helfen.
Reddmann: Ja, genau. Zusätzlich bieten wir neuen Partnern mit unserem Netzwerk aus bundesweit rund 2.500 kooperierenden Maklern eine wichtige Stütze. Denn der Austausch von Erfahrungen und Know-how ist bei uns gelebte Praxis. Zu unserem Netzwerk gehören zudem auch zahlreiche Spezialisten aus unterschiedlichen Fachbereichen, die beispielsweise bei rechtlichen, produktspezifischen oder sonstigen vertrieblichen Themen unterstützen.
In der Vergangenheit wurde viel vom Rückenwind der Regulatorik gesprochen. Derzeit scheint diesbezüglich Flaute vorzuherrschen – zum Nachteil der Honorarberatung?
Reddmann: Unsere generelle Überzeugung ist seit jeher, dass die Wahl des Vergütungsmodells mit Blick auf die jeweilige Beratungs- und Kundensituation vom Berater und seinem Kunden selbst getroffen bestimmt werden sollte – und nicht durch gesetzliche Vorgaben. Das ist und bleibt aus unserer Sicht auch die wirksamste Lösung, um jedem Kunden seinen finanziellen Möglichkeiten und seinem individuellen Bedarf entsprechend Zugang zu einer qualifizierten Beratung zu gewähren. Auch wenn es derzeit etwas ruhiger geworden ist, gilt: Die anhaltende Diskussion über das Provisionsverbot hat ihren Beitrag dazu geleistet, dass sich immer mehr Makler intensiv mit den Auswirkungen eines Provisionsverbotes auseinandersetzen. Denn das ist ja nach wie vor möglich. Wir beobachten zudem, dass sich zunehmend auch Pools und freie Vertriebe mit der Honorarberatung befassen. Bei Beratungsthemen wie Altersvorsorge, Vermögensaufbau, Erben und Schenken bietet die honorarbasierte Beratung interessante Lösungen auf Basis von Nettoprodukten. Und zum Interesse sicherlich trägt auch der Gedanke bei, sich als Makler ein Stück weit unabhängiger vom Produktabschluss zu machen – durch die Vereinbarung laufender Servicepauschalen. Daher möchte ich noch einmal betonen, dass es aus Sicht eines unabhängigen Finanzberaters einfach sinnvoll ist, sich mit der Möglichkeit zu befassen, Honorare in das eigene Geschäftsmodell aufzunehmen.
Über den Interviewten:
Heiko Reddmann ist seit zwölf Jahren neben Kai Brettschneider Co-Geschäftsführer bei Honorarkonzept, wo er unter anderem die Bereiche Vertrieb, Marketing, Personal und Finanzen verantwortet. Das Unternehmen unterstützt als Servicedienstleister seit 2009 Finanzberater beim Einstieg in die Honorarberatung und auch weiter bei der praktischen Umsetzung. Deutschlandweit arbeiten die Göttinger aktuell mit rund 2.300 Finanzberatern zusammen. Zum Honorarkonzept-Angebot gehören neben Tools und Services zur Honorarabwicklung auch ein persönliches Business Coaching und Weiterbildungskurse, Software zur Analyse und Beratung sowie echte und teilweise exklusiven Nettoprodukten. Außerdem haben die Partnerfirmen Zugriff auf eine Investmentplattform, die Vorteile einer Versicherung und einem Depot vereinen soll.