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Interview mit Markus Stephan von der Interrisk „Die Unfallversicherung schlägt sich generell unter Wert“

Marcus Stephan sitzend in einem Büro
Seit 2019 ist Marcus Stephan Vorstandsmitglied der Interrisk Versicherung, zuständig für die Ressorts Produkte, Vertrieb und Marketing. | Foto: InterRisk Versicherungen / Bastian Hebbeln mit Canva

DAS INVESTMENT: Herr Stephan, wie verorten Sie die Interrisk als Tochter eines österreichischen Versicherers im deutschen Markt? Auf welche Vertriebswege setzen Sie und was sind Ihre spartenseitigen Schwerpunkte?

Marcus Stephan:
Unser Schwerpunkt liegt im privaten Schaden- und Unfallversicherungsbereich sowie in der Lebensversicherung und der Biometrie. Wir bieten in der Lebensversicherung alle Sparten an, auch klassisches Rentengeschäft oder fondsgebundene Policen. Bislang sind wir ausschließlich im Maklersegment unterwegs, diversifizieren aber derzeit auch neue Vertriebswege.

Wir sehen uns als Spezialist in den Sparten, die wir anbieten. In der Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung müssen wir uns qualitativ nicht hinter den marktgängigen Versicherern verstecken, auch wenn wir nicht den gleichen Bekanntheitsgrad haben. In der Risikoversicherung haben wir zudem einige Spezialthemen platziert, beispielsweise bei besonders hohen Versicherungssummen. So sichern wir aktuell auch im Profisport Marktwerte von Fußball Bundesligaspielern ab.

Ein anderes Anwendungsbeispiel für hohe Summen sind Erbschaftssteuer-Absicherungsverträge. Hier bieten wir Tarife bis ins Endalter von 80 Jahren an, sodass man Erbschaftssteuern gut abdecken kann – bis zu 40 Millionen Euro pro versicherter Person. Unser Know-how in der biometrischen Absicherung nutzen wir auch im Bereich des Belegschaftsgeschäfts. Neben der normalen betrieblichen Altersversorgung kommen immer mehr Unternehmen auf uns zu, die ihren Angestellten zusätzliche Benefits anbieten wollen. Üblicherweise werden betriebliche Krankenversicherungen angeboten. Aktuell jedoch wächst das Interesse besonders an Vorsorgelösungen, die beispielsweise jedem Mitarbeiter ein Jahresgehalt als Hinterbliebenenversorgung zusichern.

Marcus Stephan traf sich auf der Hauptstadt-
messe in Berlin mit DAS-INVESTMENT-REDAKTEUR
Bastian Hebbeln, @ DAS INVESTMENT

Wie autonom agiert die Interrisk im Deutschlandgeschäft? Greifen Sie auch auf Ressourcen der Gruppe zurück oder wird Ihnen zum Beispiel der Markenauftritt vorgegeben?

Stephan:
Die Vienna Insurance Group (VIG) lebt das Entrepreneurship-Denken. Sie ist in über 30 Ländern mit unterschiedlichen Gesellschaften vertreten, und jede ist mit ihrem eigenen Brand im jeweiligen Markt unterwegs. Deswegen sind wir auch weiterhin die Interrisk Versicherungen in Deutschland. Das bedeutet, dass wir eigenständig Entscheidungen treffen können. Die Philosophie der Gruppe – und ich sage bewusst Gruppe, nicht Konzern – ist anders als bei vielen großen Versicherungsunternehmen. Wir können selbst entscheiden, wie wir unser Geschäftsmodell gestalten und kalkulieren. Gleichzeitig steckt durch die vielen Ländergesellschaften viel Know-how in der Gruppe. Insofern sind wir im deutschen Markt klein, fein und autark, haben aber auch Zugriff auf Ressourcen aus dem Netzwerk der VIG.

Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen?

Stephan:
Wie viele unserer Branche befinden wir uns aktuell in einem Transformationsprozess, der technische und strategische Neuausrichtungen beinhaltet. Dabei hilft uns das Schwarmwissen der Gruppe, gesellschaftsübergreifend effizienter zu arbeiten. Nicht jeder muss sich die gleichen Systeme aneignen oder die gleichen Ressourcen aufwenden. Es werden Plattformen geschaffen, um sich auszutauschen und voneinander zu profitieren. Wir sind zum Beispiel in der Unfallversicherung einer der führenden Maklerversicherer. Das hat sich in der Gruppe herumgesprochen, und wir bekommen Anfragen aus anderen Ländergesellschaften, die von unseren Erfahrungen lernen möchten.

In der Unfallversicherung scheint in letzter Zeit viel Bewegung zu sein. Viele Anbieter haben ihre Produkte überarbeitet oder neue auf den Markt gebracht. Nehmen Sie das auch so wahr?

Stephan: Insgesamt ist festzustellen, dass die Produktzyklen immer kürzer werden. Durch die Vergleicher herrscht eine viel höhere Transparenz unter Maklern, die fast alle damit arbeiten. Sie dienen dem Makler in der Darstellung und Dokumentation seines Marktüberblicks. Das führt zu einer ständigen Weiterentwicklung. Versicherer versuchen, sich produktseitig besser im Wettbewerb zu positionieren und ihre Vertriebsbotschaften entsprechend zu platzieren.

Für welche Zielgruppe passt die Unfallversicherung oder ist sie gar ein Produkt für alle?

Stephan: Grundsätzlich sage ich: Eine Unfallversicherung passt für jeden. Es kommt immer auf den individuellen Bedarf an, natürlich für die eine oder andere Zielgruppe ein Stück weit mehr. Die Unfallversicherung, so wie wir sie aufgebaut haben, ist ein nachhaltiges Produkt im Sinne des Sozialen. Das erkennt man daran, wie das Produkt Gemeinschaften schützt und die finanziellen Risiken trägt.

Ich bin davon überzeugt, dass sich die Unfallversicherung generell unter Wert schlägt. Die Vertragsstückzahlen am Markt sind rückläufig. Diese Entwicklung ist seit der Rentenreform 2002/2003 zu beobachten. Damals fiel der gesetzliche BU-Schutz weg und die private Absicherung wurde stark in den Vordergrund geschoben. Es wurde immer kolportiert: Du brauchst keine Unfallversicherung, sondern eine BU-Absicherung, wenn dir dein Einkommen wegfällt. Es hieß, Unfälle seien sowieso nur zu 8 Prozent ursächlich für eine Berufsunfähigkeit. Aus meiner Sicht haben beide Sparten ihre Daseinsberechtigung. Die BU sichert das Erwerbseinkommen ab, während die Unfallversicherung ein ideales Bindeglied sein kann zwischen dem Ausfall des Erwerbseinkommens und der Finanzierbarkeit der durch Invalidität geminderten Fähigkeiten. Sie unterstützt Menschen nach einem Unfall in der Organisation ihres Alltags und in der Übernahme der dort anfallenden Kosten.

Die Interrisk setzt besonders auf Assistance-Leistungen. Warum?

Stephan: Die Wahrnehmung unserer Kunden ist, dass das Thema Erlebbarkeit in der Unfallversicherung, gerade über Assistenz- und Zusatzleistungen, ein enorm wichtiger Faktor ist. Es macht einen enormen Unterschied, wenn man sich nach einem Unfall um die eigene Genesung kümmern kann und sich von ersten Tag an keine Sorgen um die Organisation des Alltags oder die Pflege der Angehörigen machen muss. Assistance- und Zusatzleistungen sind schon seit vielen Jahren im Fokus unserer Premiumtarife. Die Interrisk gibt es seit 34 Jahren und seither haben wir einen starken Fokus auf die Produktgestaltung gerade im privaten SHU-Bereich auf der Unfallversicherung.

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Mangelt es den Maklern an Wissen in Sachen Assistance-Leistungen, wird die Bedeutung unterschätzt und das Thema in der Folge Kunden gegenüber zu wenig berücksichtigt?

Stephan: Fakt ist, dass das Thema Assistance-Leistungen in der Gänze, wie sie am Markt möglich sind, in der Beratung so gut wie gar keine Relevanz hat. Das sehen wir auch in der Leistungsregulierung, wenn Kunden uns nur ihre Invalidität anzeigen und überrascht sind, wenn sie sehen, was alles versichert ist und welchen Mehrwert und Nutzen sie dadurch erfahren. Wir sehen es auch bei den Vermittlern. Diese kennen in der Regel unsere Liste an Assistance-Leistungen, aber was das für ihre Kunden im Leistungsfall wirklich bedeutet, wird erst anhand von echten Fallbeispielen deutlich. Genau deswegen legen wir in unserer Kommunikation und in Vorträgen den Fokus auf diese Themen und werden nicht müde, in unseren Gesprächen mit den Vertriebspartnern zu transportieren: Assistance- und Zusatzleistungen gehören zu einer bedarfsgerechten Beratung dazu.

 

Können Sie ein konkretes Beispiel für solche Assistance-Leistungen geben?

Stephan: Wenn man sich das bildlich vorstellt, gibt es in einem Tarif zwei Töpfe, aus denen man Leistungen erwarten kann. Der erste Topf ist für Invaliditätsleistungen, die man aus einer Unfallversicherung erhält, wenn man eine auf Dauer ausgerichtete Gesundheitsbeeinträchtigung hat. Daraus finanziert man dann beispielsweise Umbaumaßnahmen oder kompensiert den Einkommensverlust. Das Wesentliche ist aber, dass diese Leistungen erst zu dem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, nachdem die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung attestiert wurde. Verunfallte Menschen haben aber ab der ersten Sekunde einen Bedarf an Unterstützungsleistungen und hier kommt der zweite Topf zum Einsatz.

Wir hatten eine alleinerziehende Mutter als Kundin. Sie fuhr morgens mit dem Fahrrad zur Arbeit, verunglückte und erlitt eine Schultergelenk-Sprengung. Die Frau hat nicht zuerst daran gedacht, wie viel Geld sie aus ihrer Unfallversicherung bekommt, sondern sie hat sich Sorgen um ihre Tochter gemacht. Und da kamen genau diese Unterstützungsleistungen zum Tragen: Wir haben eine Kinderbetreuung organisiert. Dazu kamen Assistance-Leistungen, die jeder kennt: Tägliche Lieferungen zum Mittagstisch und Fahrdienste, die die Tochter zum Sport und wieder nach Hause fahren. Zweimal in der Woche wurde eingekauft, die Wohnung gereinigt und die Wäsche gewaschen. Und auch ihre Fahrten zum Arzt und zur Physiotherapie wurden übernommen, ohne dass sie in Vorleistung gehen musste.

Ich glaube, dieses Beispiel zeigt sehr gut, dass viele Menschen für die Versorgung einer dritten Person verantwortlich sind – Eltern für ihre Kinder oder vielleicht auch erwachsene Kinder für ihre pflegebedürftigen Eltern. Wichtig ist: Wir erbringen die Unterstützungsleistungen nicht nur für die bei uns versicherte Person, sondern, wenn sie nachweislich innerhalb ihrer Familie für die Versorgung einer anderen Person verantwortlich ist, auch für diese. Das sind Mehrwerte, die nicht jedem Berater so präsent sind und damit natürlich auch nicht den Kunden.

Zum Thema Pflege: In welchen Fällen greift hier eine Unfallversicherung?

Stephan: In unserer Unfallrentenversicherung erfolgen die Leistungen nicht nur aufgrund einer Invalidität, sondern auch nach unfallbedingtem Pflegegrad. Der muss mindestens Grad Zwei betragen, dann kommt schon die vereinbarte Rente zu 100 Prozent zum Tragen. In jeder unserer Unfallversicherungen ist im Premiumtarif dieser Pflegebaustein automatisch inkludiert. Ganz gleich, ob Unfallrente oder Invaliditätsleistung vereinbart wurde. Ohnehin ist das volle Paket an Assistance- und Zusatzleistungen enthalten. Da grenzen wir uns durchaus vom Wettbewerb ab.

Hierbei spielt der erweiterte Unfallbegriff bei Ihnen eine wichtige Rolle. Gibt es eine Größenordnung, wie viele Fälle dadurch zusätzlich abgedeckt werden?

Stephan: Konkrete Statistiken habe ich jetzt nicht greifbar. Was jedoch wichtig ist zu wissen: In den Musterbedingungen des GDV sind zum Beispiel Bewusstseinsstörungen wie Herzinfarkt, Hirnschlag etc., die dann zu einer Invalidität führen, nicht als Unfall definiert und damit grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt damit auch für die Folgen, die daraus entstehen. Der erweiterte Unfallbegriff bezieht auch Ursachen von Bewusstseinsstörungen mit ein, sodass die Invalidität oder die Pflege, die daraus resultiert, auch versichert ist. Das ist gerade für ältere Menschen ein ganz wichtiger Punkt.

Nehmen wir das Beispiel eines Oberschenkelhalsbruches: Nicht selten stehen Senioren einfach aus dem Sessel auf und der Oberschenkelhals ist gebrochen. Die Folgen daraus wären bei den meisten Bedingungswerken nicht versichert. Bei unserem erweiterten Unfallbegriff ist das mitversichert. So kann man sagen, dass eine Unfallversicherung, die so gestrickt ist, ein Mehrwertpaket gerade für ältere Menschen darstellt. Auch wenn sie keine Arbeitskraftabsicherung benötigen, stellt die Unfallversicherung möglicherweise ein Instrument zur Finanzierung des Eigenanteils der Pflege.

Wie sollten Vermittler das Thema im Zusammenhang einer Pflegeabsicherung ansprechen?

Stephan: Das Risiko und der Bedarf an Pflegeabsicherung bleiben bestehen, aber klassische Pflegerenten sind relativ teuer und nicht jeder kann sie sich leisten. Mit steigendem Alter häufen sich Unfälle im eigenen Haushalt. Der Pflegebaustein und die Assistance-Leistungen machen sie zu einem absoluten Mehrwertprodukt für diejenigen, die sich die vollumfängliche Absicherung nicht leisten können, aber auch nach einem Unfall selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden bleiben möchten. Die Unfallversicherung ist eine Lösung mit vielen Aspekten und passt sich an die Bedürfnisse der Kunden an. Mit nur einer Versicherung können Vermittler ihren Kunden eine Lösung für viele Risiken anbieten.

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