Nettowelt-Geschäftsführerin „Wir wünschen uns gar kein striktes Provisionsverbot“

DAS INVESTMENT: Viele Versicherungsvermittler machen sich in diesen Tagen wieder Sorgen um ein Provisionsverbot. Denn zwei der voraussichtlichen Regierungsparteien auf Bundesebene wollen ja den Verbraucherschutz hierzulande stärken, indem sie die Verbreitung von Honorarberatern erhöhen. Davon profitiert auch ihr Unternehmen als Dienstleister für sogenannte Netto-Versicherungspolicen, deren Prämien keinen Provisionsanteil für den einzeln zu vergütenden Vermittler des Vertrages enthalten. Wie stehen Sie also zu diesem Streitthema?
Karoline Viktoria Mielken: Welche Parteien die nächste Bundesregierung bilden werden, ist zwar immer noch offen. Aber auch wir rechnen mit der ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene. Auch wenn ein Jamaika-Bündnis wünschenswerter wäre, begrüßen wir die wahrscheinliche Regierungsbeteiligung der FDP. Aus den Wahlprogrammen der Grünen und SPD schließen wir, dass die deutsche Politik künftig Honorare für Vermittler von Versicherungen und Finanzanlagen stärker fördern wird. Das finden wir zwar gut, wünschen uns aber kein striktes Provisionsverbot. Denn dessen Konsequenz wäre wohl mehr Regulierung sowohl für die Honorarberatung als auch die Honorarvermittlung.
Weshalb betonen Sie diesen Unterschied so stark?
Mielken: Weil es ein ganz wichtiger Unterschied ist: Die Honorarvermittlung lässt sich anders als die Honorarberatung als zweites Standbein neben dem klassischen Provisions-Vertrieb aufbauen. Somit können die Vermittler beide Vergütungsmöglichkeiten anbieten, zwischen denen viele auch weiterhin die freie Wahl haben wollen. Von den Kunden entscheiden sich unserer Meinung nach die meisten übrigens bereits heute für eine Nettopolice, wenn man ihnen die jeweiligen Kosten sowie Vor- und Nachteile für sie darlegt. Dies wollen wir nun auch denjenigen Finanzberatern vermitteln, die sich bislang vor dem Einstieg in das Honorar-Geschäft scheuen.
Was sind Ihrer Erfahrung nach die höchsten Hürden?
Mielken: Viele Finanzberater fragen sich, wie sie ihren Kunden die Rendite-Vorteile einer Nettopolice erklären können. Diese provisionsfreien Versicherungen sind in Deutschland aktuell zwar noch Nischenprodukte. Sie sind grundsätzlich aber auch für breite Teile der Bevölkerung verfügbar. So muss eine Honorarforderung von beispielsweise 2.000 Euro nicht zwingend einmalig geleistet werden, sondern sie kann per Factoring übertragen werden. Das bedeutet, dass der Kunde seine Rechnung in zwölf bis 60 Monatsraten abbezahlen kann. Das gilt bei Riester-Renten, die trotz des ab 2022 auf 0,25 Prozent abgesenkten Höchstrechnungszinses als Nettopolice auch weiterhin am Markt vertreten sein wird. Diese Form der privaten Altersvorsorge mit staatlicher Förderung lohnt sich bekanntlich insbesondere für Kunden mit geringen Einkommen und Kindern.
Die Riester-Rente ist eine weitere Baustelle der nächsten Bundesregierung. Was erwarten Sie hier von der Politik?
Mielken: Für alle Riester-Sparer wäre es unisono hilfreich, wenn die bisherige Pflicht zur Bruttobeitragsgarantie künftig aus dem Gesetz gestrichen werden würde. In den kommenden zwölf Monaten ist eine solche Reform wohl noch nicht zu erwarten. Darauf wollen wir aber auch gar nicht warten und starten bereits im Januar 2022 die neue Online-Plattform Nettoriester, für die sich Vermittler von Dezember an registrieren können. Zur Auswahl stehen dort zunächst Nettopolicen der Versicherer Partner Alte Leipziger, die Bayerische und Volkswohl Bund. Wir sind aber bereits in Gesprächen mit einem vierten und fünften Produktpartner.
Über die Interviewte:
Karoline Viktoria Mielken ergänzt seit Oktober die Nettowelt-Geschäftsführung und ist dort für den Bereich Marketing verantwortlich. Das Unternehmen ist ein Dienstleister für Netto-Versicherungspolicen, deren Prämien keinen Provisionsanteil für den einzeln zu vergütenden Vermittler des Vertrages enthalten. Zu dem Nettotarif-Vertriebler aus Goslar wechselte Mielken von der Vertriebsdirektion Nord der Versicherungsgruppe die Bayerische, deren Tochtergesellschaft Prokunde Nettowelt vor rund zwei Jahren zu 100 Prozent übernommen hat. Bei den Münchenern war die gebürtige Hannoveranerin zuletzt als Biometrie-Spezialistin tätig. Zuvor arbeitete sie bis zum Jahr 2012 bei der VHV Holding.