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Hansainvest-Geschäftsführer im Interview „Mikrofinanzfonds haben viele Anleger nicht auf dem Radar“

Hansainvest-Geschäftsführer Ludger Wibbeke
Hansainvest-Geschäftsführer Ludger Wibbeke: „Hinter Mikrofinanzfonds steht der Gedanke, jedem Menschen den Zugang zu Bank- und Finanzdienstleistungen zu ermöglichen.“ | Foto: Hansainvest

DAS INVESTMENT: Herr Wibbeke, mit Ihren Fondspartnern haben Sie bereits mehrere Mikrofinanzfonds aufgelegt. Wie funktionieren solche Fonds genau?

Ludger Wibbeke: Hinter Mikrofinanzfonds steht der Gedanke, jedem Menschen den Zugang zu Bank- und Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. Das betrifft insbesondere Personen, die Banken keine Sicherheiten anbieten können, die weit außerhalb leben oder aus anderen Gründen nicht von Banken bedient werden. Schätzungen gehen davon aus, dass dies um die zwei Milliarden Menschen weltweit sind. Über Mikrofinanzinstitute kommen diese Menschen an Kredite, Versicherungen und andere Finanzdienstleistungen. Mikrofinanzfonds wiederum investieren in diese Institute, stellen also Kapital zur Verfügung, das dann verliehen wird. Die Kreditnehmer sind häufig Einzelpersonen, vor allem Frauen und Kleinstgewerbetreibende. Mit 96 bis 98 Prozent sind die Rückzahlungsquoten meist sehr hoch.

Warum sollten Anleger in solche Fonds investieren?

Wibbeke: Mikrofinanzfonds sind eine gute Portfoliobeimischung. Bei diesen Fonds kommen zwei Dinge zusammen: Zum einen bieten die Produkte gute Renditechancen bei relativ geringem Risiko. Zum anderen legen Mikrofinanzfonds einen starken Fokus auf ESG – und dabei vor allem auf das S, das für Soziales steht. Publikumsfonds in Deutschland, die nach Artikel 8 und Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung klassifiziert sind, konzentrieren sich meist auf das E, also auf ökologische Ziele. Auch bei der Regulierung stand bislang der Umweltschutz im Fokus. Bei sozialen Themen fehlen noch Standards. Entsprechend gibt es nur wenige Fonds mit diesem Schwerpunkt. Mikrofinanzfonds füllen damit eine Lücke, laufen aber leider oft noch unter dem Radar.

 

Dabei sind diese Produkte nicht neu. Warum können die Fonds nicht vom Nachhaltigkeitsboom der vergangenen Jahre profitieren?

Wibbeke: Das liegt sicherlich auch daran, dass es auf dem Markt nur wenige solcher Fonds gibt. Um kreditgebende Fonds aufzulegen, zu denen auch Mikrofinanzfonds zählen, benötigen Fondsgesellschaften ein spezielles Knowhow. Das trifft nur auf wenige zu, nicht selten sind es öffentlich-rechtliche Institute. Aber es gibt auch private Fondsinitiatoren, die in diesem Segment erfolgreich sind. Die insgesamt wenigen Fonds auf dem Markt sind sehr groß – nicht selten liegt das Volumen bei einer Milliarde Euro. Mit dem immer stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit, vor allem auf Soziales, werden diese Fonds bei Anlegern aber sicherlich an Bedeutung gewinnen.

Wer investiert in Mikrofinanzfonds?

Wibbeke: Das sind sowohl semi-institutionelle und institutionelle Investoren als auch Privatanleger. Ein typischer Mikrofinanzfondsanleger investiert nicht ausschließlich mit Rendite-Fokus. Für viele ist der soziale Effekt der Hauptgrund, einen solchen Fonds zu kaufen.

Wobei sich ja Rendite und Nachhaltigkeit ja nicht ausschließen müssen.

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Wibbeke: Das ist richtig. Solche Fonds erzielen annualisiert etwa 2 Prozent. Das war in der Niedrigzinsphase nicht so schlecht. Trotzdem steht die soziale Wirkung im Vordergrund. Zudem nutzen viele Mikrofinanzfonds, um ihr Portfolio zu diversifizieren. Wer alles in Aktien steckt, hat ein höheres Risiko. Mit beispielsweise je einem Drittel in Aktien, Immobilien und Mikrofinanzfonds sind Anleger schon deutlich breiter aufgestellt.

 

Eine Geldanlage in Schwellenländern ist häufig mit höheren Risiken verbunden. Wie sieht das bei Mikrofinanzfonds aus?

Wibbeke: Bei Mikrofinanzfonds ist das Rendite-Risiko-Verhältnis sehr gut. Das liegt daran, dass diese Fonds stark diversifiziert sind. Es werden nicht nur 500 oder 1.000 Darlehen vergeben, sondern beispielsweise mehr als 600.000 Darlehen an Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer. Sollte ein einzelner Kredit ausfallen, fällt das nicht zu stark ins Gewicht. In der Regel sind die Rückzahlungsraten bei diesen Fonds mit über 98 Prozent sehr hoch.

Haben die aktuellen Krisen Auswirkungen auf die Schwellenländer?

Wibbeke: Das Bankzinsniveau ist in den meisten Schwellenländern kein Thema. Allerdings sind diese Länder teilweise auch von der Energiekrise betroffen. Ihr Vorteil ist aber, dass sie zum Teil sehr viel mehr auf erneuerbare Energien setzen können, da sie mehr Sonnenstunden haben als Europa und dadurch oft flexibler sind. Ist das Material verfügbar, können Wind- und Solarparks in diesen Ländern ohne lange Genehmigungsverfahren gebaut werden.

Kritiker bemängeln, dass Menschen, die Mikrokredite in Anspruch nehmen, sehr hohe Zinsen zahlen müssen und damit in die Schuldenfalle getrieben werden.

Wibbeke: Das kann ich in keinem Fall für die von uns administrierten Fonds bestätigen. Wir sehen, dass Mikrofinanzfonds Armut reduzieren und Menschen helfen können, ihren Lebensstandard aus eigener Kraft zu verbessern. 


Über den Interviewten:
Ludger Wibbeke verantwortet seit dem 1. Juli 2019 als Geschäftsführer das Sachwerte-Geschäft (Real Assets) der Hamburger Service-KVG Hansainvest. Dazu zählen verschiedene Anlageklassen wie Immobilien, Private Equity, Erneuerbare Energien, Kreditfonds und Infrastruktur in Spezial- und Publikumsfondsstrukturen. Zuvor war er für Hauck & Aufhäuser Privatbankiers, Sal. Oppenheim sowie die Nord LB tätig.

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